Das Gesicht der Natur ist witzig, elegant, schön und bunt – so jedenfalls bei der Arbeiten von Mara Thöne. Hinter den flachen Collagen steckt nicht nur viel Kreativität, sondern auch viel Lebensphilosophie.
von Jamari Lior
© Fotos und Collagen Mara Thöne
Um Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen, praktiziert Mara Thöne seit vielen Jahren Tai-Chi und Qigong, zwei fernöstliche Weisheiten. Hier geht es um Harmonie und Achtsamkeit, Yin und Yang, darum Gegensätze in den Gleichklang zu bringen, Energie fließen zu lassen und Blockaden abzubauen. „So möchte ich auch, dass meine Bilder diese Harmonie ausstrahlen und dass es angenehm ist, sie anzuschauen“, erläuert sie. Seit jeher fotografiert sie in der Natur, seien es Landschaften, Tiere oder die Nah- und Makrofotografie von Blumen, denn „die Natur ist ja selber ein genialer Künstler. Besonders interessieren mich in der Natur vorkommende Formen, die kleinen Dinge, die ich gerne so inszeniere, dass sie auf das Wesentliche beschränkt sind.“
Ein Bild von Paul Klee
Wie findet Mara Thöne ihre Inspiration? Neben dem Anblick schöner Blüten oder toller Landschaften oder der Begegnung mit interessanten Menschen spielt auch die Betrachtung von Kunstwerken eine Rolle. So war es vor einiger Zeit ein Bild von Paul Klee aus dem Jahr 1923, betitelt als „Landschaft mit gelben Vögeln“, das sie aufgrund der stark reduzierten Formen sehr ansprach: „Da machte es irgendwie Klick und ich bekam die Idee, Bilder mit Blättern und anderen Naturmaterialien zu erstellen“ – der Auslöser für diese Strecke.
Gräser als Augenbrauen
Ein weiterer Aspekt ist die Naturnähe: „Wir wohnen direkt an Wald und Feld. So ergab es sich eigentlich von selbst, dass ich keine urbanen Szenen oder Treppenhäuser aufnehme, auch wenn ich diese Motive von anderen Fotografen sehr mag, sondern Naturmotive.“ Für die Collagen hält sie beim Spazierengehen Ausschau, welche Blätter, Gräser oder Blüten sich eignen und hat schon Gesichtskonturen, Haare, Augenbrauen und Münder vor ihrem geistigen Auge. Für Landschaften sucht sie nach interessant geformten Baumrinden, Ästchen und Blättern. Zu Hause angekommen werden Zweige, Beeren, Blätter und Blüten sortiert, ins Wasser gestellt oder getrocknet und eventuell gepresst. Aber auch Pflanzen aus dem Garten oder von der Terrasse kommen zum Einsatz. Und wenn die Fotografin einen Blumenstrauß geschenkt bekommt, lässt sich auch dieser wunderbar „verarbeiten“. Mohn, Hirse oder Haferkleie und Gewürze dienen ebenfalls als Collagematerial.

Das Legen der Collagen hat für die Künstlerin auch eine meditative Komponente.
Naturkunde
„Durch meine Arbeit habe ich noch einiges verstanden über die Beschaffenheit, die Trocknungsdauer und somit die Verwendbarkeit von Blüten und Blättern“, erzählt sie. „Die einen sind ganz fein und glatt, andere dick und fleischig, wieder andere haben viele dicke Rippen. Je trockener und damit leichter die Blätter werden, umso größer ist die Gefahr, dass beim leisesten Luftzug oder einer zarten Berührung, wenn man nur einen kleinen Teilbereich ändern will, alles verrutscht und das ganze Bild hinüber ist …“ Viele Blüten legt sie nur kurze Zeit, etwa ein bis zwei Stunden, zwischen saugfähiges Papier, das sie beschwert, um sie zu glätten. Auf diese Weise sehen sie noch frisch aus und lassen sich gut verwenden, ohne sich zu rollen oder zu wölben.

Jedes Gesicht wirkt auf seine Weise individuell. In Photoshop werden die Eigenheiten gegebenenfalls noch stärker herausgearbeitet.
Weiches Licht und nicht zu offene Blende
Nun aber zur Fotografie – denn sie ist ein integraler Bestandteil der kurzlebigen Collagen: „Da diese Collagen mit den Naturmaterialien nicht von Dauer sind, möchte ich meine Arbeiten gern konservieren, indem ich sie fotografiere, quasi mit der Kamera einfriere“, erklärt Mara Thöne. Dabei gilt es, Folgendes zu beachten:
Ausgeleuchtet zumeist mit Dauerlicht und einem Diffusor sowie einem Reflektor ergibt sich ein weiches Licht, das keine starken Schatten wirft und sich so nicht in den Vordergrund drängt. Mara Thöne fotografiert mit etwa 28-35mm Brennweite und einer Blende von etwa 5,6 bis 8, da bei den flachen Motiven nicht mit Schärfe und Unschärfe gespielt werden soll: Alles soll durchgezeichnet sein.

Wald, Wiese und Garten stellen die Rohmaterialien für die zauberhaften Naturcollagen zur Verfügung.
Wangenrouge für Mutter Natur
Ein bisschen Bildbearbeitung kommt meist auch hinzu: Mal wird als Hintergrund eine leichte Textur wie Sand oder Leinwand hinzugefügt und auch eine Tonwertkorrektur oder die Anpassung von Kontrasten wird meist vorgenommen. Hinzu kommt manchmal auch eine leichte Vignette. Kleine Unreinheiten wie dominante Flecken auf dem ein oder anderen Blatt oder bröckelnde Teilchen werden entfenrt. Bisweilen verpasst Mara Thöne dem ein oder anderem Porträt auch sanftes Wangenrouge oder den Augen einen hübschen Lichtreflex. Es kam auch schon einmal vor, dass sie nachträglich erst bemerkte, dass ein Auge schief angeordnet war – auch da hilft Photoshop, indem das Auge ausgewählt und auf eine neue Ebene dupliziert, dort gerade transformiert und das Bild dann wieder zusammengefügt wird.
Ausrüstung:
SONY A7 RII (ILCE-7RM2)
Sony FE 90mm F2.8 Macro G OSS
Sony FE 85mm F1.4 GM
Sony SEL 4,0 / 10-18 mm
Sony SEL 18-200mm F/3,5-5,6
Sigma 150 mm Macro
Blitz Metz M400, daneben Dauerlicht, diverses Zubehör wie Filter
„Das Legen und Fotografieren eines Porträts oder auch einer Landschaftsszene hat etwas Meditatives, es entspannt mich.“
Dabei betont Mara Thöne, dass diese Arbeit für sie nicht nur mit Blick auf das Ergebnis, sondern auch durch den Prozess psychisch wohltuend ist: „Das Legen und Fotografieren eines Porträts oder auch einer Landschaftsszene hat etwas Meditatives, es entspannt mich.“
Bunt sind die Collagen, denn auch die Farben spielen für sie eine wichtige Rolle: „Was wären Wiesen und Wälder ohne Grün, Himmel und Meer ohne Blau. Was wäre ein Regenbogen in Schwarz-Weiß, ein Sonnenuntergang ohne sein herrliches Farbspiel vom tiefsten Rot über warme Orange- bis zu Gelb-, Blau- und Grautönen? Und wie würden die schönsten Blumen ohne ihre wunderbaren Farben wirken?“ Längst ist erwiesen, dass Farben den Körper und die Psyche beeinflussen und mit ihren lebhaften, dynamischen, aber zugleich auch harmonischen Farben möchte Mara Thöne genau diesen Effekt nutzen.
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