von Paul Schulz, © Fotos stock.adobe.com

Verlassene Orte ziehen viele Fotografen magisch an. Von Pflanzen überwucherte Backstein-Fabriken oder moosbedeckte Oldtimer auf einem verlassenen Schrottplatz: Die Lost-Place-Fotografie verbindet Natur und menschliche Hinterlassenschaften wie keine andere fotografische Disziplin. Wir geben Ihnen fünf Tipps mit auf den Weg zu Ihrer nächsten Lost-Place-Erkundung.

01 Lost Places finden

Beim Scrollen durch die vielen Lost-Place-Bilder in den sozialen Medien bekommt man Lust, gleich loszulegen. Doch wo findet man verlassene Orte in seiner Umgebung? Eine pauschale Lösung gibt es hier leider nicht. Denn was man in den sozialen Medien nicht sieht, ist die Vorarbeit, die in ein Foto fließt.
Das Location-Scouting ist wohl der aufwendigste Teil der Lost-Place-Fotografie. Oft reicht es allerdings schon, mit offenen Augen durch die Welt zu laufen. Auf der Suche nach verlassenen Orten fallen Ihnen sicherlich schnell Gebäude in Ihrer Umgebung auf.
Doch auch das Internet kann Hilfe leisten: Von Pflanzen überwucherte Bauwerke auf der Satellitenanzeige von Google Maps sind häufig ein Indiz für verlassene Gebäude und Grundstücke. Zusätzlich gibt es viele Facebook-Gruppen und Foren, in denen besonders beliebte Foto-Spots geteilt werden. Die besten Locations sind häufig allerdings gut gehütete Geheimnisse unter den Lost-Place-Fotografen. Da hilft nur viel Recherche und eine gewisse Prise Glück.

02 Ausrüstung & Sicherheit

Wenn Sie draußen fotografieren, haben Sie eine gewisse Grundausrüstung wahrscheinlich sowieso immer dabei. Für viele besteht sie aus der Kamera, dem Lieblingsobjektiv und in manchen Fällen einem passenden Stativ. Lost Places stellen einen Fotografen allerdings vor besondere Herausforderungen. Staub und Dreck sammeln sich überall und können schnell die teure Linse verschmutzen. Ein kleines Reinigungsset, bestehend aus einem handlichen Blasebalg und einem Mikrofasertuch leistet hier allerdings eine gute Arbeit. Wenn Schmutz auf der Linse ist, hilft es dann manchmal schon, nur ein paar Mal über die Linse zu blasen.
Zusätzlich sind die häufig baufälligen und vermodernden Gebäude auch gefährlich: spitze, rostige Schrauben und Nägel, die aus alten Holzbrettern herausragen, eine permanente Einsturzgefahr von ganzen Gebäudeteilen – und das alles zumeist in dunklen Gängen und Räumen – Lost-Place-Fotografen arbeiten gefährlich.
Eine Taschenlampe oder gute Kopflampe ist also essenziell, damit Sie sicher die verlassenen Orte erkunden können. Außerdem sollten Sie sich vor spitzen Nägeln am Boden mit trittfesten Schuhen schützen. Auch ein kleines Erste-Hilfe-Set sollten Sie auf Ihre Tour mitnehmen.

03 Den Ort wirken lassen

Wenn Sie endlich am Lost Place angekommen sind, würden Sie am liebsten gleich losfotografieren – das ist sicherlich der Impuls von allen Fotografen und Fotografinnen. Überall sieht man potenzielle Motive, die nur darauf warten, endlich abgelichtet zu werden. Doch lassen Sie die Kamera noch für einen Moment im Rucksack und erkunden Sie Ihre Umgebung. Statt sich gleich auf alle Motive zu stürzen, hilft es manchmal, den Ort erst auf sich wirken zu lassen. Versuchen Sie sich vorzustellen, wie es hier früher wohl aussah – wie Menschen durch die Gänge liefen oder zusammen in den Zimmern saßen. Und wer weiß: Vielleicht finden Sie beim Erkunden auch noch Relikte der letzten Bewohner.
Wenn Sie sich Zeit nehmen, haben Sie zudem mehr Chancen, sich mit dem Licht in Ihrer Umgebung, aber auch mit den Gefahren des Lost Place auseinanderzusetzen und diese abzuwägen. Das ist nicht nur sicherer, sondern beschert Ihnen wahrscheinlich auch die besseren Fotos.

04 Belichtung/HDR

Lost Places sind meistens vor allem eins: dunkel. Nicht nur, dass die Beleuchtung fehlt. Durch die zugewucherten Fenster dringt nur noch wenig Sonnenlicht in die Locations – ein Albtraum für Fotografen. Ein Stativ sei Ihnen deswegen dringend empfohlen, so können Sie trotz längerer Belichtungszeiten verwacklungsfrei fotografieren. Um starke Kontraste bei den Bildern zu vermeiden und möglichst viele Details aus der Dunkelheit zu holen, greifen viele Lost-Place-Fotografen auf sogenannte HDR-Fotos zurück.
HDR steht für High Dynamic Range und beschreibt Bilder mit einem hohen Dynamikumfang. Meistens bestehen die Bilder aus drei oder mehr Einzelaufnahmen – einer Belichtung für die Lichter im Bild, einer für die Mitteltöne und einer Belichtung für die Tiefen im Bild. In der Bildbearbeitung oder häufig auch kameraintern lassen sich diese Einzelaufnahmen dann zu einem Foto zusammenfassen. In der finalen Aufnahme „saufen“ die Tiefen dann nicht ins Schwarze ab und helle Bildteile sind nicht mehr weiß und überbelichtet. Übertreibt man es allerdings, wirkt das Bild schnell detailüberladen. Aber manchmal kann auch das natürliche, düstere Licht in den Lost Places mystisch und beeindruckend wirken.

05 Grauzone

Auch wenn Lost Places verlassen und verwahrlost aussehen, besitzt doch jemand meistens das Grundstück, auf dem die Gebäude stehen. Somit fällt das unerlaubte Betreten der Grundstücke unter Paragraf 123 Strafgesetzbuch – dem Hausfriedensbruch. Dieser wird mit hohen Geldstrafen oder mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet. Trotzdem ist das Fotografieren an diesen Orten, wie man in den sozialen Medien erkennen kann, nicht unmöglich. Es gibt deutschlandweit viele Inhaber verlassener Orte, die Fototouren für Interessierte erlauben. Auf diesen Touren haben Sie nicht nur die Chance auf erstklassige Aufnahmen, sondern lernen auch viel über die Geschichte der Orte. Sollten Sie lieber alleine Lost Places erkunden wollen, hilft es manchmal, den Eigentümer zu kontaktieren und ihn über Ihre Pläne zu informieren.
Aber was ist, wenn Sie keinen Eigentümer finden und Sie nicht wissen, ob das Gebäude tatsächlich noch jemandem gehört? Grundsätzlich sind Sie auf der sicheren Seite, ein verlassenes Gebäude nicht zu betreten, wenn Sie nicht wissen, wem es gehört. Allerdings ist Hausfriedensbruch auch ein Antragsdelikt: Wenn keine „Betreten verboten“-Schilder oder eine Umzäunung das Betreten des verlassenen Gebäudes oder des Grundstücks untersagen, kann von keiner Vorsätzlichkeit Ihres Handelns ausgegangen werden. Eine Grundregel, die Sie dennoch in den Lost Places beachten sollten, ist folgende: „Hinterlassen Sie nichts als Fußabdrücke und nehmen Sie nichts mit außer Fotos.“ So kann sich auch der nächste Fotograf an dem Lost Place erfreuen.