Seit über einem Jahr ist das Bildbearbeitungsprogramm Affinity Photo für 50 Euro als Mac-Version erhältlich, seit Kurzem als Betaversion auch für Windows-Nutzer. Unserer Meinung nach entwickelt sich Affinity Photo jetzt zur ernstzunehmenden Alternative zu Photoshop.
Eins ist schon auf den zweiten Blick klar: Wer Photoshop kennt, wird sich mit Affinity Photo sehr schnell zu Hause fühlen. Viele Funktionen, sogar der Aufbau der Arbeitsfläche, sind sehr ähnlich. Es gibt Ebenen, die mit Einstellungsebenen versehen werden können und auch die gewohnten Ebenenmodi. Selbst die Begriffe sind weitgehend identisch, man kann Verflüssigen, Transformieren und vieles mehr. Auch dem Bildbearbeitungsanfänger macht es Affinity Photo leicht: Die farbigen Symbole erklären sich zum Teil selbst, Mouseover-Effekte helfen, wenn man sich doch einmal verloren fühlt. Das Bedienkonzept von Affinity Photo basiert auf dem Konzept von verschiedenen Persona – das sind spezifische Umgebungen, in denen man wichtige Arbeitsschritte vollzieht. Die erste Persona und Standardansicht ist die Photo-Persona, in der Standardanpassungen vorgenommen werden. Die Liquify-Persona dient dem Verflüssigen. In der Develop-Persona werden RAW-Fotos entwickelt und in der Tone-Mapping-Persona lassen sich verschiedene Looks anwenden. Die Export-Persona dient dem richtigen Exportieren der Fotos.
Kompatibilität
Affinity kann mit vielen Dateiformaten umgehen. Standardmäßig speichert es im Affinity-eigenen Format, kann aber unter Exportieren das bearbeitete Bild zum Beispiel auch als PSD oder TIFF ausgeben. Auch mit externen Photoshop-Plug-ins kommt Affinity Photo zurecht. Bisher arbeitet beispielsweise unter der Mac und der Windows-Beta-Version – fast täglich kommen hier derzeit neue Updates – fast die komplette Nik-Collection. Die derzeit noch nicht funktionierenden Sharpener-Tools werden sicherlich bald auch klappen. Die endgültige Windows-Version von Affinity Photo, sowie eine neue Mac-Version (1.5) sollen noch in 2016 erscheinen.
Videotutorials
Wer effektiv mit dem Programm umgehen möchte, ist gut beraten, sich das Buch “Affinity Photo Schritt für Schritt zum perfekten Bild” von Markus Wäger anzuschaffen, hilfreich sind auch die Videotutorials auf der Affinity-Seite – zwar auf Englisch, aber sehr verständlich gesprochen und aufgebaut. Der Photoshop-Versierte wird manches überspringen können. Im Folgenden zeigen wir Ihnen schon einmal in Auszügen von Markus Wägers Affinity Photo Buch die ersten Schritte. Wir jedenfalls sind von diesem Programm begeistert.
SCHARFZEICHNEN
Unscharf maskieren macht Bilder scharf
Man kann keine völlig unscharfen Bilder via Software in scharfe verwandeln – dazu bedürfte es der Zauberei, und die gibt es nur im Kino. Man kann aber Bilder etwas schärfer wirken lassen. Dass das klassische Werkzeug dafür Unscharf maskieren heißt, mag seltsam klingen, braucht Sie aber nicht zu verunsichern.
Bearbeitungsschritte
• Ansicht auf Pixelgröße einstellen
• Filter Live-Unscharf Maskieren erstellen
• Radius und Faktor einstellen
• Mit Schwellenwert Rauschen zurücknehmen
• Vorschau zum Vergleichen ein- und ausschalten
1. PIXELGRÖSSE
Detailarbeiten wie Scharfzeichnen müssen in der Tatsächliche-Pixel-Ansicht ausgeführt werden. In Affinity Photo nennt sich das Pixelgröße und ist im Menü Ansicht zu finden. Anschließend schwenken Sie das Bild mit dem Ansichtswerkzeug (Seite 23) so, dass Sie den Kopf des Rehs im Dokumentfenster sehen. Zum Scharfzeichnen verwenden Sie Unscharf maskieren. Das lässt sich über Filter • Scharfzeichnen anwenden, ist dann aber später nicht mehr zu ändern.
2. FILTER LIVE-UNSCHARF MASKIEREN
Ich bevorzuge Live-Filter. Diese lassen sich über Ebene • Neue Live-Filterebene oder über das Symbol unten am Ebenen-Panel hinzufügen.
1. Es öffnet sich ein Einstellungsdialog, und die Ebene wird mit einem Symbol 3 für den Live-Filter gekennzeichnet – per Doppelklick darauf lässt sich die Filtereinstellung später ändern. Ebenen, denen Filter oder Anpassungen angehängt sind, zeigen vorne ein Dreieck.
2. Per Klick darauf werden die angehängten Einstellungen aufgeklappt,und es sieht dann so 4 aus.
3. RADIUS UND FAKTOR
Solange der Filter wie abgebildet in einer Ebene verschachtelt ist, wirkt er nur auf diese. Sie können ihn aber auch aus der Ebene heraus und nach oben ziehen 5, so dass er auf alle Ebenen darunter wirkt 6. Das ist für dieses Bild aber eigentlich nicht notwendig. Radius und Faktor bestimmen gemeinsam die Schärfe. Ich belasse den Radius zum Schärfen üblicherweise bei 1 px 7. Erhöhen Sie den Faktor so weit 8, bis Ihnen das Bild ausreichend geschärft erscheint.
4. BILDRAUSCHEN
Zum Nachschärfen von Bildern muss man wissen, dass man kein unscharfes Bild nachträglich scharfstellen kann. Man kann nur Bilder, die nicht ganz scharf sind, etwasschärfer wirken lassen. Das Problem ist dabei, dass sogenanntes Bildrauschen umso sichtbarer wird, je mehr ein Bild nachgeschärft wird. Bildrauschen ist eine Struktur aus hellen und dunklen Bildpixeln, die sich in der Digitalfotografie oft nicht vermeiden lässt.
5. SCHWELLENWERT GEGEN RAUSCHEN
Um der Zunahme des Rauschens entgegenzuwirken, erhöhen Sie den Schwellenwert 4, und tatsächlich wird es im Beispiel weniger
2. Ein Anheben des Schwellenwertes ist aber nur sinnvoll, wenn durch das Schärfen Rauschen zunimmt, denn die Einstellung untergräbt auch die Wirkung von Radius und Faktor. Die Ausschnitte zeigen das Bild etwa dreimal größer, als es sonst gedruckt würde. Falls Sie kaum Unterschiede sehen, zeigt das nur, dass die Themen Schärfe und Rauschen oft etwas überbewertet werden.
6. VORSCHAU AUSSCHALTEN
Die beiden Ausschnitte links zeigen das Bild bei einer Größe und Auflösung, die für viele Druckverfahren üblich ist (bei 300 dpi). Um zu vergleichen, wie das Bild mit und ohne Scharfzeichnung aussieht, können Sie im Ebenen-Panel das Häkchen wegklicken 5 – der Filter wird dann ausgeblendet –, und wenn Sie die Option wieder aktivieren 6, wird er wieder angewendet. Das geht auch bei geöffnetem Dialogfenster. Um die Bearbeitung zu beenden, schließen Sie einfach das Fenster 3.
SCHÄRFEN MIT DEM HOCHPASS-FILTER
Affinity Photo macht das Arbeiten mit Hochpass-Filtern relativ einfach Unscharf maskieren mag die wohl simpelste und am meisten verbreitete Methode sein, Bildern einen schärferen Look zu verleihen, doch ist bei Weitem nicht die einzige. Zu den seltsam anmutenden Methoden gehört Schärfen mit einem Hochpass-Filter. Obwohl eine absolute Profi-Technik, fällt die Anwendung in Affinity Photo leichter als in Photoshop.
Bearbeitungsschritte
• Live-Hochpass-Filter einrichten
• Mischmodus wählen
1. LIVE-HOCHPASS-FILTER
Auch Hochpass lässt sich als destruktiver Filter (kann später nicht zurückgenommen werden) oder als Live-Filter anwenden. Ich bevorzuge nicht destruktive Filter, deshalb klicke ich am Ebenen-Panel auf und wähle Live-Hochpass-Filter. Im folgenden Dialog stelle ich den Radius auf 2 px
1. Im beim Öffnen des Dialogs grauen Bild erscheinen die Strukturen des Sperlings. 2 px ist bei diesem Bild ein guter Wert, muss sich aber nicht generell für andere Bilder als ideal erweisen. Hier hilft es nur auszuprobieren.
2. MISCHMODUS EINSTELLEN
Um den Hochpass-Filter zum Schärfen zu nutzen, müssen Sie den Mischmodus 2 wechseln. Mischmodi sind Methoden, die entscheiden, wie eine Ebene mit den darunterliegenden gemischt wird – bei Normal findet keine Mischung statt. Auch hier heißt es auszuprobieren. Sinnvoll zum Schärfen einsetzen lassen sich hier Ineinander kopieren, Weiches Licht, artes Licht, Strahlendes Licht, Lichtpunkt und Lineares Licht – mit jeweils unterschiedlich ausgeprägter Schärfung. Ich entscheide mich für Hartes Licht 3.
3. VERGLEICHEN
Auch hier können Sie wieder die Schärfe vorher mit der nachher vergleichen, indem Sie im Ebenen-Panel den Filter ein- 4 und ausschalten 5.
AUTOMATISCHE BILDENTWICKLUNG
Bilder schnell und einfach verbessern
Automatische Bildverbesserung kommt nur selten an die Qualität heran, die ein erfahrener Bildbearbeiter mit den richtigen Werkzeugen erzielen kann. Es kommt schon vor, dass das Bild danach schlechter aussieht als zuvor. Doch für unerfahrene Anwender und wenn es einmal besonders schnell gehen muss, ist es einen Versuch wert.
Bearbeitungsschritte
• Auto-Weißabgleich
• Auto-Farbkorrektur
• Auto-Kontrastkorrektur
1. AUTO-WEISSABGLEICH
Diese Aufnahme ist ein bisschen bläulich und vermittelt deshalb einen kühlen Eindruck. Der Weißabgleich ist etwas, das der Fotograf manuell oder die Kamera automatisch einstellt. Das Ziel ist in der Regel ein neutraler Weißabgleich, doch nicht immer ist ein solcher perfekt für die Stimmung eines Motivs. Ich versuche zuerst, per Klick auf Auto-Weißabgleich 1 den kühlen Farbstich etwas zu neutralisieren. Der Unterschied ist dezent, aber sichtbar.
2. AUTO-FARBKORREKTUR
Als zweiten Schritt habe ich die restlichen drei Auto-Einstellungen getestet. Dazu habe ich jeweils eine Schaltfläche geklickt, den Schritt mit [°] + [Z] rückgängig gemacht und dann mit [°] + [ª] + [Z] (Bearbeiten • Wiederherstellen) wiederhergestellt. Die beiden Kürzel erlauben es, den Zustand vorher und nachher zu vergleichen (geht auch über das Protokoll-Panel: vorher 3/ nachher 4). Ich habe mich dann für die zweite Einstellung Auto-Farbkorrektur 2 entschieden.
3. AUTO-KONTRASTKORREKTUR
Als dritte und letzte Einstellung habe ich Auto-Kontrastkorrektur 5 gewählt. Sie werden nicht immer mehr als eine Auto-Korrektur benötigen – probieren Sie einfach aus, was zu einem guten Ergebnis führt. Affinity Photo geht bei diesen Einstellungen sehr behutsam vor. Das führt zwar dazu, dass man bei vielen Bildern kaum einen Unterschied zwischen vorher und nachher sieht, es verhindert aber auch, dass automatisch zu viel des Guten getan wird, und das ist vor allem für Einsteiger wichtig.
HELLIGKEIT UND KONTRAST
Aufhellen mit Histogrammkontrolle
Histogramme stellen für Fotografen ebenso wie für Bildbearbeiter unverzichtbare Werkzeuge dar. Sie informieren über die Helligkeitsverteilung in einem Bild. In diesem Workshop hilft das Histogramm, Helligkeits- und Kontrastanpassungen einzustellen und zu beurteilen.
Bearbeitungsschritte
• Histogramm analysieren
• Helligkeit anpassen
• Kontrast anpassen
1. HiSTOGRAMM-PANEL
Öffnen Sie über Ansicht • Studio das Histogramm-Panel, und ziehen Sie es neben den Navigator 1. Unten 3 zeigt das Panel Informationen, an denen ich mich kaum orientiere, und da Platz am Bildschirm Mangelware ist, blende ich sie aus, indem ich im Einstellungen-Menü 2 Erweitert deaktiviere. Das Gebirge im Histogramm-Panel zeigt an, wie groß die Pixelanteile verschiedener Tonwerte sind. Links werden dunkle Bereiche, rechts helle angezeigt.
2. HELLIGKEIT EINSTELLEN
Dieses Histogramm erstreckt sich von der schwarzen Ecke 4 kaum bis über die Mitteltöne hinaus 5 und spiegelt somit das dunkle Bild. Um das zu korrigieren, fügen Sie über 8 eine Helligkeit/Kontrast-Anpassung hinzu und heben die Helligkeit 7 an. Im Histogramm wandert das Gebirge analog zur Aufhellung des Bildes nach rechts 6. Anmerkung: Das kleine Warndreieck, das sich im Histogrammfeld oft wichtig macht, können Sie in der Praxis ignorieren.
3. KONTRAST ANHEBEN
Bei einem kontrastreichen Bild sollten die Ausläufer der „Histogramminsel“ den linken und rechten Rand des Feldes, auf dem sie sich ausbreitet, berühren. Befindet sich auf einer oder beiden Seiten ein deutlicher Freiraum zwischen Insel und Feld, lässt sich der Kontrast j anheben. Hier hat sich durch eine Anhebung auf 30 % die Insel so weit gedehnt, dass ihre Ausläufer nun auch den rechten Rand berühren 9. Darüber hinaus sollten Sie nicht gehen, da das im dunklen Bereich zu Unter- und im hellen zu Überbelichtung führt.
TONWERTKORREKTUR
Die essenziellste Möglichkeit, Helligkeit und Kontrast anzupassen Tonwertkorrektur ist ein Überbegriff für alle Helligkeits- und Kontrastveränderungen, die man in einem Bild vornehmen kann. Der Begriff ist aber gleichzeitig auch üblich für ein Werkzeug, mit dem man auf einfache und doch effiziente Weise solche Eingriffe vornehmen kann.
Bearbeitungsschritte
• Schwarz- und Weißstufe anpassen
• Gamma einstellen
• Mischmodus wählen
1. SCHWARZSTUFE ANPASSEN
Über das Zeichen am Ebenen-Panel erstellen Sie eine Anpassung für eine Tonwertkorrektur. Im darauffolgenden Dialog stellen Sie zuerst Schwarz ein, indem Sie die Schwarzstufe 2 nach links ziehen, bis diese Linie 1 am äußersten linken Ausläufer des Histogramms ansteht. Wenn Sie die Schwarzstufe zu weit ziehen und sich im Histogramm-Panel am Rand eine Spitze zeigt (hier in der Grundfarbe Rot 3), entstehen unterbelichtete Bereiche, was in der Regel zu vermeiden ist. Das Histogramm sollte links so enden 4.
2. WEISSSTUFE EINSTELLEN
Auch rechts weist das Histogramm einen kleinen Abstand zum Rand des Feldes auf, was eine Korrektur der Weißstufe 6 sinnvoll macht. Ziehen Sie sie so weit nach rechts, bis die entsprechende Linie 5 rechts am Fuß des Histogramms ansteht. Auch hier gilt es, die Stufe nicht zu weit zu ziehen: Ein abgeschnittenes Histogramm rechts – auch hier immer an einer Spitze zu erkennen 7 – signalisiert überbelichtete Bildbereiche. In der Regel sollten linker und rechter Fuß des Histogramms etwa den Rand berühren 8.
3. GAMMA
Die Einstellung Gamma j regelt in der Tonwertkorrektur die mittlere Helligkeit. Ziehen Sie den Regler nach rechts, um die Mitteltöne satter zu machen. Dadurch entsteht aber links wieder etwas Unterbelichtung l, weshalb Sie die Schwarzstufe 9 noch einmal korrigieren sollten, bis sich das Histogramm links wieder vom Rand des Feldes trennt m. Allerdings überzeugt mich das Resultat im Beispiel immer noch nicht ganz. Ich teste deshalb verschiedene Mischmodi und finde mit Weiches Licht eine passende Einstellung.
-> Teil 2: Affinity Photo: Entwickeln mit Affinity
-> Teil 3: Affinity Photo: Live-Filter
Weitere Informationen zu Affinity Photo finden Sie hier:
https://affinity.serif.com/de/photo/
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