Vorher – nachher: Die Entstehungsgeschichte eines Landschaftsfotos
Unter dem Namen „Der Pixel Bua“ zeigt Tobias Teunisse auf Instagram, wie er seine spektakulären Landschaftsfotos in Lightroom entwickelt. In diesem Text nimmt er uns mit auf die Entstehungsreise eines solchen Bildes – von der Fotografie vor Ort über die Bearbeitung in Lightroom bis hin zum fertigen Bild.
von Tobias Teunisse © Fotos Tobias Teunisse
Der Piburger See liegt im wunderschönen Ötztal in den Ötztaler Alpen und ist mit dem Auto leicht zu erreichen. Von dem gebührenpflichtigen Parkplatz etwas außerhalb des kleinen Örtchens Oetz gelangt man nach einem circa zehnminütigen Spaziergang an den See. Der Weg hat wenig Steigung, ist also für Menschen aller Altersgruppen gut zu bewältigen.
Die ideale Tageszeit zum Fotografieren ist in der Früh, kurz vor bis circa eine Stunde nach Sonnenaufgang. Im Herbst ist es auch am Nachmittag wunderschön. Dann entsteht durch die Sonneneinstrahlung eine traumhafte Spiegelung. Die Farben der Blätter an den Bäumen scheinen förmlich zu leuchten.

Kurz vor Sonnenaufgang gab es ein kleines Zeitfenster, in dem sich die Wolken verfärbten.
Zur Entstehungsgeschichte des Bildes
Wir sind um drei Uhr morgens aufgestanden, da wir eine circa einstündige Autofahrt vor uns hatten. Ich hatte mir schon überlegt, was für eine Aufnahme ich machen wollte. Denn ich finde es spannend, wenn ich das fertige Bild schon im Kopf habe und anschließend versuche, die Aufnahme genauso zu machen. Allerdings besteht dann natürlich die Gefahr, dass wenn man zu sehr auf ein Motiv konzentriert ist und andere mögliche Motive gar nicht mehr erkennt. Daher ist meine Empfehlung, immer flexibel zu bleiben!
In meinem Kopf sah mein Foto so aus: Die Berge spiegeln sich im Wasser. Die aufgehende Sonne erscheint als großer Stern an einer Kante des Berges.
So weit die Theorie. Als wir ankamen, gab es einige Aspekte, die ich nicht so eingeplant hatte. Erstens: Es war bereits Herbst. Folglich verlief die Sonnenbahn flacher als im Sommer. Das hatte zur Folge, dass die Sonne nicht zu der geplanten Zeit über dem Berg aufging und ich sie folglich nicht als Sonnenstern einfangen konnte. Herausgefunden habe ich dies dann auch mit der APP Peak Finder. Damit kann man erkennen, wann die Sonne an welcher Stelle über den Bergen steht.

Mit dem Stativ im Wasser suchte ich den idealen Blickwinkel.
Zweitens waren auf einmal viele Wolken aufgezogen. Dies hatte zur Folge, dass die Verfärbung nicht so sichtbar sein würde, wie ich es mir gewünscht hatte.
Nun hieß es improvisieren, schließlich wollte ich nicht umsonst so früh aufgestanden sein. Während ich noch überlegte, begannen die Wolken, sich zu verfärben. Auf einmal hatte ich eine Idee: Ich wollte die Wolken in Bewegung einfangen und wenn möglich sogar mit der rötlichen Verfärbung.
Im ersten Schritt schraubte ich meinen ND1000-Filter auf das Objektiv. Anschließend platzierte ich das Stativ im Wasser. Genauer gesagt so weit im Wasser, dass die Kamera nur ein paar Zentimeter über der Wasseroberfläche positioniert war. Das bedeutete, dass auch ich ein Stück ins Wasser hinein musste. Da ich aber nicht unbedingt nass werden wollte, stellte ich mich auf einen Stein im Wasser und hoffte inständig, nicht auszurutschen.
Nachdem die Kamera platziert war, stellte ich diese auf BULB und konnte dabei selber festlegen, wie lang die Belichtung dauert. Für den gewünschten Wolkeneffekt brauchte ich mindestens eine Minute. Ich drückte also nach circa einer Minute wieder auf den Auslöser und stoppte die Aufnahme. Das Einzige, was ich in diesem Moment allerdings auf dem Bildschirm der Kamera sah, war … schwarz. Also musste ich noch eine Aufnahme machen. Und zwar mit einer wenige Sekunden längeren Belichtungszeit. Da die Verfärbung der Wolken nicht lange anhalten würde, drückte ich also nochmals auf den Auslöser und stoppte die Aufnahme bei knapp weniger als zwei Minuten. Diese Aufnahme war zwar noch immer zu dunkel, aber es waren einige helle Bereiche zu sehen. Just in dem Moment war es auch schon vorbei mit der Verfärbung. Aufgrund der vielen Wolken war keine Aufnahme mehr möglich. Mein Zeitfenster hatte circa fünf Minuten betragen. Obwohl die Aufnahme nicht perfekt war, wusste ich, dass ich in der Nachbearbeitung einiges würde herausholen können und freute mich schon jetzt auf das spätere Ergebnis.
Denn wenn man im RAW fotografiert, kann man in der Nachbearbeitung sehr viel optimieren, ohne dass die Qualität darunter leidet. Manchmal, zum Beispiel bei Sonnenauf- und -untergängen, arbeite ich absichtlich mit Unterbelichtung, um die Sonne nicht zu hell darzustellen. Denn wenn die Sonne viel zu hell ist, nützt die beste Bearbeitungssoftware nichts mehr. Dann sind einfach keine Details mehr zu erkennen. Daher rate ich immer, lieber unterzubelichten und anschließend die dunklen Bereiche wieder aufzuhellen.
Bildbearbeitung
Schritt 1
Da das Bild sehr dunkel beziehungsweise unterbelichtet ist, müssen im ersten Schritt ein paar Grundeinstellungen respektive Grundkorrekturen vorgenommen werden. Genauer gesagt passe ich die Belichtung an (+1,70). Nun ist bereits eine deutliche Aufhellung sichtbar. Anschließend ist der größte Effekt zu erkennen, wenn man die Tiefen maximal optimiert. Hier können Sie ruhig auf +100 gehen. Anschließend können Sie die Kontraste erhöhen und gleichzeitig die Lichter reduzieren. Wenn dann zum Abschluss noch die Regler bei Klarheit und Struktur leicht nach rechts geschoben werden, wirkt das Bild schon viel klarer beziehungsweise schärfer.
Achtung: Bei den Reglern Klarheit und Struktur sollten Sie es nicht übertreiben! Das Ergebnis sieht sonst sehr künstlich aus und alle wissen sofort, dass dieses Bild bearbeitet wurde.

Schritt 2
In diesem Schritt geht es darum, den Himmel beziehungsweise die Spiegelung des Himmels zu optimieren. Zuerst wähle ich auf der rechten Seite eine neue Maske aus. In der neuesten Version von Lightroom gibt es die Maske „Himmel auswählen“. Lightroom wählt oder erkennt anschließend automatisch den Himmel. Ziel ist es nun, mit dieser Maske die sich bewegenden Wolken etwas kontrastreicher darzustellen. Dies erreichen Sie, indem Sie die Kontraste etwas erhöhen und gleichzeitig die Lichter reduzieren. Ich ziehe zusätzlich die Temperatur ein paar Punkte (circa -6) ins Blaue hinein.
Nachdem der Himmel bearbeitet wurde, geht es nun darum, die Spiegelung stärker herauszuarbeiten. Dazu wähle ich wieder eine neue Maske. Diesmal den linearen Verlauf. Dieser wird vom unteren Bildrand bis knapp über die Hälfte des Bildes gezogen. Anschließend erhöhe ich die Belichtung, passe die Kontraste und Tiefen an und erhöhe Struktur und Klarheit auf +17. Nun wirkt die Spiegelung viel klarer als vorher.
Schritt 3
Nachdem Himmel und Spiegelung optimiert sind, widme ich mich dem Hauptmotiv, also dem Wald und den Bergen. Dieser Bereich ist noch sehr dunkel. Um diesen aufzuhellen, nehme ich wieder eine neue Maske und wähle diesmal den radialen Verlauf. Ich setzte den Beginn in die Mitte des Bildes und ziehe diesen bis zum Bildrand (rote Markierung im Screenshot). Wenn der entsprechende Bereich markiert ist, helle ich diesen auf (Belichtung +2,05) und schiebe den Regler „Dunst entfernen“ etwas nach rechts. Der Unterschied ist deutlich erkennbar. Nachdem die Mitte des Bildes aufgehellt ist, kann ich mit dem linearen Verlauf die Ränder aufhellen.
Je nach Geschmack können Sie noch andere Bereiche mit dem radialen beziehungsweise linearen Verlauf verändern.
Schritt 4
In diesem Schritt passe ich die Farben noch etwas an. Auf der rechten Seite befindet sich der Ordner mit dem Namen HSL/Farbe. Dort ziehe ich den Farbton von gelb und orange etwas ins Rötliche, erhöhe die Sättigung bei Blau ebenfalls etwas beziehungsweise ziehe den Regler nach rechts. Das Bild wirkt nun herbstlicher und allgemein wärmer.
Tobias Teunisse
Tobias Teunisse wohnt seit fast 17 Jahren in Tirol, kommt aber ursprünglich aus Deutschland. Vor zehn Jahren entdeckte der gebürtige Thüringer die Fotografie für sich, probierte verschiedene Disziplinen aus und blieb vor allem bei der Landschaftsfotografie hängen. Seine Bilder präsentiert er hauptsächlich auf Instagram, und zwar auf ganz besondere Art und Weise: Er zeigt ein „Making-of“-Bild, einen Vorher-Nachher-Vergleich in Lightroom und dann schließlich das fertig entwickelte Bild. Die Fotografie ist für ihn vor allem Ausgleich zum Alltag im Krankenhaus, wo er als Stationsleitung auf einer Pulmologie arbeitet.
Instagram: @der_pixel_bua
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