

Zwischen einem mäßigen und einem guten Foto liegen manchmal nur wenige Klicks, manchmal aber auch aufwendige Bearbeitungsprozesse. Wir betrachten beispielhaft ein paar Vorher-Nachher-Fotos, die Sie vielleicht für Ihre eigenen Bearbeitungen inspirieren.
von Jamari Lior | © Fotos Jamari Lior
Nadine im Wunderland
+ spannendes, aufwendiges Set
+ passendes Modelkostüm
+ gutes Posing
– unpassende Lichtsetzung/Verteilung der Helligkeiten
Das Set war für die Nikon-Days aufgebaut – dabei ging es darum, Details auf dem Tisch mit brandneuen Objektiven anzuvisieren: Hier eine opulente Torte, auf der eine kleine Alice balanciert, da einen Kuchen, auf dem es sich erste, durchaus niedliche Maden bequem gemacht haben, und dort einen Hase mit Uhr um den Hals, – kurzum ein skurriles, quietschbuntes Set voller Details. Natürlich kamen mein Model Nadine und ich nicht umhin, auch ein kleines Modelshooting im Set stattfinden zu lassen, mit anderen Worten, das Set für eine kleine Weile umzuinterpretieren. Nun waren weder das Set noch das Licht für die Modelfotografie aufgebaut. Im Ausgangsbild sieht man ganz deutlich: Das Model hebt sich nicht gut vom Hintergrund ab, der Blick fällt als erstes auf die weiße Torte. Hier hieß es in der Bearbeitung also vor allem die Helligkeiten zu verändern.
Im ersten Schritt kam mit Dodge-and-Burn die klassische Art der Abdunklung und Aufhellung zum Einsatz: Über eine mit einem neutralen Grau gefüllte Ebene auf Ebenenmodus „Weiches Licht“ wurde mit dem Abwedler aufgehellt und mit dem Nachbelichter abgedunkelt. Im zweiten Schritt kam eine individuell gemalte Vignette zum Einsatz, eine schwarz gefüllte Ebene, auf der mit einem weichen Radiergummi, alternativ mit einer Ebenenmaske und weichem Pinsel, bildwichtige Bereiche ausmaskiert wurden. Im Anschluss wurde die Ebenendeckkraft reduziert. Wenn die Verteilung der Helligkeit immer noch nicht stimmt, kann man diese beiden Prozesse auch noch mehrmals wiederholen.
Maskenglanz
+ interessante Maske
– zu dunkel und unglamourös
Dem Foto des Maskierten fehlte noch ein wenig Glanz und Glamour. In solchen Fällen bietet sich oft eine Bokeh-Ebene an. Wenn Sie es beim Shooting selbst verpasst haben, Bokeh einzubringen, lässt es sich noch recht gut in der Bearbeitung einfügen, auch wenn der Charme des Natürlichen etwas verloren geht.
In unser Foto fügen wir also eine Bokeh-Ebene ein. Solche Ebenen finden Sie zum Beispiel bei Krolop & Gerst im Shop. Oder Sie fotografieren sie selbst, indem Sie etwas Glitzerndes vor einem schwarzen Hintergrund platzieren. Um die charakteristischen Kreisformen zu erzielen, müssen Sie „fehlfokussieren“, also nicht das Bokeh-Element fokussieren, sondern etwas, das weiter im Hintergrund liegt. Die Blende sollte recht weit geöffnet sein – um die 4.0 funktioniert bei vielen Objektiven gut. Außerdem sollte sich das Bokeh-Element recht nah an der Kamera befinden.
Legen Sie nun die Bokeh-Ebene über das Bild. In unserem Fall haben wir den Ebenenmodus auf „Negativ multiplizieren“ eingestellt und die Ebenendeckkraft auf 50 Prozent, dann die Ebene dupliziert und den Ebenenmodus auf „Weiches Licht“ eingestellt. Am besten spielen Sie ein bißchen mit den Ebenenmodi. In vielen Fällen, gerade bei dunklen Hintergründen, funktioniert auch nur der Ebenenmodus „Negativ Multiplizieren“ sehr gut. Manchmal, wie auch bei unserem Bildbeispiel, ist es noch nötig, unter die Bokeh-Ebene(n) eine weitere Ebene einzufügen: Hier mussten die Bokeh-Elemente zart untermalt werden, um stellenweise weniger transparent zu sein und damit etwas realistischer zu wirken. Dafür kam ein maximal weicher Pinsel in der jeweiligen Farbe zum Einsatz, eingestellt auf eine geringe Deckkraft, so dass für jeden Bokeh individuell durch mehrmaliges Malen die Deckkraft angepasst werden konnte.

In der Bearbeitung, zwei unterschiedlich verrechnete Bokeh-Ebenen und eine Ebene zur Untermalung der Bokehs.
Der Leser
+ sehr buntes, aber doch ruhiges Bild
– Treppe führt nicht bis nach ganz oben
Obwohl dieses Bild in bunten Farben leuchtet, strahlt es Ruhe aus. Man kann sich gut vorstellen, die Position des Mannes einzunehmen und an seiner Stelle in der Abendsonne zu sitzen und zu lesen. Etwas schade ist jedoch, dass der Hintergrund im oberen Bereich des Bildes ablenkt: Hier befinden sich zwei Kanister in einem Fach in der Mauer und ein Plakat – Elemente, die die Bildaussage nicht unterstreichen und kein ästhetisches Plus ergeben. Wie könnte man hier vorgehen? Eine Überlegung wäre, die Treppe zu verlängern, beispielsweise mit Hilfe des Stempel-Tools Bereiche zu duplizieren. Allerdings gestaltet sich das bei diesem Bild als sehr schwierig, da auf der Treppe Stoffe, Saris und Tücher drapiert sind. Also entschieden wir uns dazu, hier den Bildausschnitt zu ändern, also zu schneiden. Wir wählten das quadratische Format, da dies eine besondere Geschlossenheit vermittelt. Der Mann bleibt auf diese Weise weiterhin mittig platziert in seiner eigenen kleinen Welt.
Um den perfekten quadratischen Bildausschnitt zu finden, haben wir eine neue Datei angelegt, Breite und Höhe entspricht der Breite des Ausgangsbildes. Nun ist es möglich, das Bild hoch- und runter zu schieben und zu betrachten, wie sich damit die Bildwirkung verändert. Mit Strg+T können Sie das Bild auch noch proportional ein wenig vergrößern, quasi ins Bild zoomen.
Zirkusgirl Mina
+ schöne Rahmung des Models durch die Pferde und die Lampen
+ Pferde im Profil, Model frontal
– Gesicht nicht exakt gerade
Mina, gerahmt von zwei Karussellpferdchen – ihre exakt gerade Ausrichtung soll mit den im Profil gezeigten Pferden korrespondieren und Ruhe in den diffusen Hintergrund bringen. Allerdings fällt auf, dass ihr Gesicht zwar perfekt frontal, aber nicht exakt gerade positioniert ist. Da es sich in diesem Fall nur um eine sehr geringe Abweichung handelt, konnten wir dies kompensieren, indem nur der innere Bereich des Gesichts rotiert wurde. Hierfür haben wir also die Augen samt des streifigen Make-ups, die Nase und den Mund ausgewählt, auf eine neue Ebene kopiert und die Ränder mit einem sehr weichen Radiergummi bearbeitet, damit sie möglichst verwischen. Mit dem Befehl Strg+T wurde das Gesicht für die Transformation ausgewählt. Bewegt man den Mauszeiger an die Ecken, erscheint ein Rotationspfeil. Mit dessen Hilfe wurde das Gesicht um wenige Grad gedreht. Im Anschluss wurde noch umfangreich aufgehellt und abgedunkelt, um den Fokus auf Mina zu legen.

Das Ausgangsbild. Model: Mina Ignis. Make-up-Artist: Hanna Göbel. Support: Yvonne-Sophie Thöne. Location: Walters wunderbarer Zauberzirkus.
Entrance
+ spannende Architektur
– Tonnen-Effekt
– schlechte Lichtverhältnisse
Ein wunderbarer Eingangsbereich – und das Außergewöhnliche: Es geht direkt nach unten. So gesehen haben wir hier ein spannendes Motiv erwischt, allerdings stören die Objektivverzeichnungen. Bei 16 mm Brennweite tendieren viele Objektive dazu, kissen- oder tonnenförmige Verzeichnungen zu erzeugen. Man bemerkt sie vor allem in den Randbereichen: Was gerade aussehen sollte, wirkt seltsam verbogen. Diesen Effekt kann man über Photoshops Objektivkorrektur herausrechnen lassen. Allerdings fallen dann schon einmal größere Bereiche der Korrektur zum Opfer. In unserem Fall wäre der hübsche obere Rand über dem Bogen abgeschnitten worden. Daher haben wir uns für eine andere Art der Korrektur entschieden. Mit Klick auf Strg+A wurde das Bild ausgewählt und mit anschließendem Strg+T zum Transformieren vorbereitet. Nun ist rechts oben ein Symbol zu sehen, das ein in vier Bereiche unterteiltes, verbogenes Quadrat zeigt.
Mit Klick auf dieses Symbol erscheinen auf jeder Seite des Bildes vier Punkte, die man individuell höher, niedriger und/oder seitlicher platzieren kann. So können Sie Bereiche des Bildes individuell in ihrer Skalierung verändern. Auf diese Weise lässt sich quasi „per Hand“ eine Objektivkorrektur vornehmen. Nach der Korrektur wurden der mittlere Bereich im Bild noch deutlich aufgehellt und die Randbereiche etwas abgedunkelt sowie über eine Ebene, die mit dem Nik-Filter „Tonal-Contrast“ behandelt und auf eine geringe Ebenendeckkraft eingestellt wurde, etwas mehr Mikrokontrast ins Bild gebracht.
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