Mathe war nicht gerade Ihr Lieblingsfach und Sie haben Respekt vor allem, was mit Zahlenfolgen oder Nachkommastellen zu tun hat? Keine Sorge, Sie müssen nicht auf einen Mathe-Leistungskurs zurückschauen, um einen gelungenen Bildaufbau zu schaffen. Wir erklären Ihnen das Wichtigste.

Mittigkeit
Das Wichtigste in die Mitte – diese intuitive Regel stellt eine der einfachsten Gestaltungsmöglichkeiten dar und besitzt ein weiteres Anwendungsfeld. Sie lässt sich gut mit der Zentralperspektive kombinieren. Zeichnen Sie die Diagonalen ins Bild – an diesen Linien orientieren sich auch die „Wege ins Bild“. Die mittige Platzierung wirkt für gewöhnlich recht statisch oder unbelebt, aber damit auch häufig würdevoll, und entfaltet damit eine besondere Spannung. Allerdings treten bei der mittigen Platzierung oft Probleme auf: Nicht selten bildet der Horizont die Mitte. In dem Fall unterteilt er das Bild bisweilen in eine sehr helle und eine sehr dunkle Hälfte. Wenn dieser Kontrast nicht zur Bildaussage passt und Sie nicht auf die richtige Dämmerung warten können, müssen Sie hier nachbearbeiten, also schon in der RAW-Entwicklung den Himmel möglichst abdunkeln. Anders ist das, wenn der Boden eine ähnliche Helligkeit wie der Himmel aufweist, etwa in den Abendstunden oder falls eine spiegelnde Wasserfläche den Boden bildet. Schulterbilder wirken oft seltsam, wenn im Hochformat über dem Kopf recht viel Raum bleibt. Hier ist ein anderer Schnitt meist sinnvoller.

 

Drittelregel
Viele Bilder wirken interessanter, wenn sie nicht mittig aufgebaut sind. Dritteln Sie das Bild – der Akzent sollte dann an einer der beiden entstehenden Linien liegen. Wenn Sie noch genauer arbeiten möchten, dritteln Sie Ihr Bild horizontal und vertikal. So entstehen neun gleichgroße Flächen. Optimal arbeiten Sie mit der Drittelregel, wenn die Hauptaufmerksamkeitspunkte dort liegen, wo sich die Linien kreuzen. Die Drittelregel ist etwas intuitiver als der „Goldene Schnitt“, kommt ihm aber schon recht nahe. Lightroom und Photoshop zeigen übrigens auch Drittellinien, so dass Sie sich daran gut orientieren können. Besonders beim Entwickeln ist das sinnvoll, wenn Sie das Bild etwas drehen und schneiden möchten.

 

Fibonacci und Goldener Schnitt
Leonardo da Pisa ist der Mann, dem dieser Abschnitt gewidmet ist. Er lebte etwa von 1170 bis 1240 und machte sich einen Namen als berühmter Rechenmeister, als „Fibonacci“. Der Name kommt von „figlio di Bonaccio“ – „Sohn des Bonaccio“, bezieht sich auf Leonardos Großvater und hatte sich schon als Familienname eingebürgert. Die nach ihm benannte Fibonaccio-Folge ist eine unendliche Folge natürlicher Zahlen. Beginnend mit der Zahl 1 ergibt die Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen die danach folgende Zahl, also: 1, 0+1=1, 1+1=2, 1+2=3, 2+3=5, 3+5=8, 5+8=13 etc. Mit dieser übrigens schon in der Antike bekannten Abfolge beschrieb man das Wachstum einer Kaninchengruppe. Für uns ist interessant, dass die Folge den Goldenen Schnitt beschreibt, beziehungsweise sich ihm immer mehr annähert. Tatsächlich lässt sich ein Aufbau nach der Fibonacci-Folge nicht nur beim Wachstum von Tierpopulationen, sondern auch sonst häufig in der Natur beobachten, etwa in der Anordnung von Blättern oder in der Spirale von Schneckenhäusern. Das Basis-Teilungsverhältnis liegt bei 61,8 % zu 38,2 % und liegt nahe bei einer Drittelung. Man nennt dieses Teilungsverhältnis den „Goldenen Schnitt“. Schon in der Antike galt der Goldene Schnitt als Maß der Dinge, als Gestaltungsregel. Öffentliche Gebäude und Tempel wurden nach dieser Regel designt. Man kann den Goldenen Schnitt in einem Quer- wie auch in einem Hochformat anwenden. Beides kombiniert ergibt folgendes Gitter. Nun kann man die entstehenden Flächen weiter entsprechend teilen und so weiter. Wenn man in die größere Fläche stets einen Viertelkreis einzeichnet, ergibt sich daraus eine Spirale, die sogenannte Fibonacci-Spirale. Der Klassiker ist die Spirale mit Viertelkreis rechts oben, aber es gibt noch drei weitere Optionen.

 

Wie kommen Sie zu einem Werk dem Goldenen Schnitt oder der Fibonacci-Spirale folgend?
In der Bearbeitung können Beschnitt und Drehung helfen, der klassischen Bildgestaltung näherzukommen. Wie bei jeder Regel gilt: Man kann sie anwenden, muss es aber nicht. Hier ein paar

Tipps, wann es Sinn macht, Fibonacci, den Goldenen Schnitt und Co. zuratezuziehen:
• Ihr Motiv gefällt Ihnen, aber Sie sind sich unsicher, wo Sie am besten schneiden. Hier bieten die Regeln Entscheidungshilfen.
• Ihr Bild scheint einer der Regeln zu folgen – checken Sie, wie genau es an der Regel liegt und ob ein wenig Beschnitt das Bild noch verbessern kann.
• Sie möchten eine kleine Bildserie beginnen und suchen vereinende Elemente für die Fotos, wie etwa einen einheitlichen Bildaufbau.

Natürlich gibt es kaum eine Regel, gegen die sich nicht auch mal ein Verstoß lohnt. Suchen Sie sich Ihre Lieblingsbilder heraus und Sie werden feststellen, dass vielleicht viele, aber längst nicht alle den Regeln entsprechen. Das bedeutet keineswegs, dass Sie nacharbeiten müssen, dass die Bilder, die den Regeln nicht folgen, schlechter sind. Selbst die Annahme, dass regelkonforme Bilder harmonischer wirken, gilt nicht ausnahmslos.

 

Existiert nun eine Regel, wann man gegen die Regeln verstoßen darf?
Wir möchten Ihnen keine Überdosis an Regeln präsentieren, aber ein paar Anhaltspunkte existieren durchaus:

• Chaos: Sie möchten mit Ihrem Bild das Wilde, Chaotische betonen? Dann macht es Sinn, die gewohnten Regeln über den Haufen zu werfen, vielleicht sogar das gewohnte Bildformat zu verlassen und stattdessen ein gestrecktes Rechteck oder ein Mehreck zu nutzen. • Optische Schwerpunkte: Manchmal wirkt etwas, als sei es ganz mittig – ist es aber nicht und umgekehrt. Das liegt häufig an optischen Grundregeln, etwa dass eine dunkle Fläche oft kleiner wirkt als eine helle oder eine strukturierte kleiner als eine schlichte. Möchten Sie in so einem Fall eine mittige Bildwirkung, müssen Sie tatsächlich dezentral arbeiten, möchten Sie, dass es nach dem Goldenen Schnitt aussieht, liegt die Bildaufteilung dann doch daneben.
• Posen, Gegenstände etc.: Manchmal erfordern bestimmte Posings, bestimmte Requisiten oder Kostüme andere Bildschnitte oder es gibt bestimmte Elemente im Hintergrund, die unbedingt im Bild oder am besten weggeschnitten sein sollen. Auch in solchen Situationen fällt so manche Regel.
• Out of box: In manchen, vor allem dokumentarischen Fotobereichen, sollte wenig bis gar nicht arrangiert, angewiesen oder bearbeitet werden. Über den Bildschnitt können Sie sich bisweilen den Gestaltungsregeln nähern, immer wird das aber nicht gelingen. Im Zweifelsfall wiegt die Aussage, die zwar durch den Bildaufbau unterstrichen werden kann, aber keineswegs alleine von ihm ausgemacht wird, mehr als die Mathematik.