Unsere Leserinnen und Leser haben fleißig abgestimmt und entschieden: Das Pictures-Cover des Jahres ist das der Ausgabe 3/2022 und stammt von der Fotografin Katja Herrling. Ein wirklich tolles Foto, auf dessen Entstehungsgeschichte wir noch einmal zurückblicken wollen.

© Fotos Katja Herrling

Ein gutes Foto für ein Magazin-Cover zu finden, ist gar nicht so einfach. Denn es muss nicht nur ästhetisch aussehen und dem Magazinformat gerecht werden, sondern am Kiosk neben all den anderen Magazinen bestehen können und möglichst hervorstechen, um die Aufmerksamkeit potenzieller Käufer auf sich zu ziehen. Oft diskutieren wir sehr lange und eingehend darüber, welches Foto es auf das Titelblatt unserer Pictures schafft. Im Fall der Ausgabe 3/2022 jedoch fiel uns die Entscheidung relativ leicht. Die Fotos von Katja Herrling gefielen uns so gut, dass schnell feststand: Auf das Cover muss eines ihrer Männerporträts. Dieses Foto von Bestager-Male-Model Alex Angel war dabei unsere erste Wahl, weil es ausdrucksstark und ästhetisch ist und trotz relativ kühler Farben eine positive Ausstrahlung hat. Die Pose, der Blick, das Outift – hier stimmt einfach alles. Den Kunstpelz hatte Alex bei einem USA-Trip entdeckt und mit zum Shooting gebracht. Neben diesem Foto waren in Katjas Portfolio noch so viel mehr tolle Bilder, die allesamt Titelpotenzial haben, und von denen wir einige hier noch einmal vorstellen wollen.

Echte Fotos, echte Männer

Katja Herrling aus Wesel fotografiert ausschließlich Männer. Authentizität ist ihr dabei besonders wichtig. Sie möchte vor allem echte Menschen vor die Linse bringen und ihren Charakter durch die Fotografie transportieren. Und das sei mit Männern eben wesentlich einfacher: „Man kann Männer einfach so zeigen, wie sie sind und muss keine Photoshop-Figuren erstellen“, erklärt sie. Da sie in der Vergangenheit selbst viel vor der Kamera stand, weiß sie genau, wie es ist, wenn man sich vor der Kamera verbiegen muss.

Rau, direkt, stark

Katjas Bilder sind kontrastreich, rau, teils sehr düster und haben doch irgendwie einen sehr positiven Vibe. Die Männer, die sie zeigt, ähneln sich in gewisser Weise und könnten doch unterschiedlicher nicht sein: Die meisten sind bärtig, viele von ihnen tätowiert und muskulös. Einige entsprechen eher dem Typ „Rocker“ mit Lederjacke und Nieten, andere wiederum präsentieren sich in den Bildern in Hemd und Sakko. Eines aber haben sie alle gemeinsam: Ihre Gesichter sind markant, fallen auf und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.

Und genauso sucht sich Katja ihre Models in der Regel auch aus: „Wenn mich jemand anfragt, sehe ich eigentlich schon nach ein oder zwei Bildern, ob es passt oder nicht. Normalerweise habe ich sofort schon Ideen zur Bildgestaltung, wenn ich ein markantes Gesicht sehe“, beschreibt sie. Dabei ist sie durchaus wählerisch und fotografiert lange nicht jedes Model – wenn es nicht passt, passt es eben nicht. Und auch wenn sie immer wieder Anfragen von Frauen oder Pärchen erhält, schlägt sie diese aus.

Gemeinsame Basis

Am Tag des Shootings setzt sich Katja erstmal mit dem Model zusammen, quatscht ein wenig und versucht, die Person etwas genauer kennenzulernen. Denn ihr ist wichtig, dem Menschen hinter dem Gesicht gerecht zu werden. Außerdem lockert so ein ungezwungenes Vorgespräch die Stimmung auf und erleichtert den Einstieg ins Shooting enorm.

Meist hat Katja schon vorher Ideen im Kopf, die zum jeweiligen Model passen. In anderen Fällen hat das Model selbst auch klare Vorstellungen davon, wie es sich inszenieren möchte. Es kommt aber durchaus auch vor, dass sie alle zuvor gesammelten Ideen verwerfen, weil sich das Shooting spontan in eine ganz andere Richtung entwickelt. Und dann fotografiert Katja, bis ihr und / oder dem Model die Lust vergeht.

Ihren Models macht sie dabei kaum Vorgaben, lässt sie erstmal machen, sich frei bewegen und einfach sie selbst sein. Wenn sich dabei eine interessante Pose oder ein passender Moment ergibt, ruft sie „Stop!“ – und der Porträtierte muss in der gerade eingenommenen Position verharren. So kann ein Shooting bei ihr je nach Laune und Chemie zwischen einer und sechs Stunden dauern. Dabei ist ihr vor allem wichtig, dass beide Seiten Spaß an der Sache haben.

In Gedenken an Heinz Chrom: Katjas besonderer Dank gilt Heinz Chrom, dem Katja sehr nahe stand und der im Mai 2022 unerwartet verstorben ist. „Heinz war der Auslöser für meinen Bildstil und der Grund, warum ich nur noch Männer fotografiere“, hatte sie uns Anfang des Jahres noch über ihn erzählt.

Fotografieren mit Herz

Katjas Herangehensweise an die Fotografie ist vor allem intuitiv. Sie orientiert sich gezielt nicht an anderen Fotografen, sondern achtet vor allem auf ihr Bauchgefühl und ihr eigenes Schönheitsempfinden. Auch hier ist wieder das Stichwort „Authentizität“ ausschlaggebend. „Ich bin sehr direkt und ehrlich – und das sieht man glaube ich auch in meinen Bildern. Ich habe eine klare Linie und der bleibe ich treu; da lass‘ ich mir auch nicht reinreden“, betont sie. Es sei wichtig, seinen eigenen Weg zu gehen und nicht zu sehr darauf zu schauen, was andere machen.

In Sachen Ausrüstung hält sie es möglichst einfach und arbeitet ausschließlich mit Zoom-Objektiven. Allgemein ist der technische Aspekt der Fotografie für sie eher ein notwendiges Übel, dem sie nicht allzu viel Bedeutung beimisst. Lieber konzentriert sie sich auf den kreativen Aspekt, denn das Bild mache immer noch sie selbst und nicht die Kamera: „Mir haben schon oft Leute versucht zu erzählen, ich solle doch dieses oder jenes Objektiv nutzen und mir die neueste Kamera zulegen. Ich sag‘ dann immer: Dir gefallen doch meine Fotos; wo ist also das Problem?!“

Und auch bei der Bildbearbeitung geht sie lieber nach Gefühl vor. „Ich kann oft gar nicht sagen, wie es am Ende zu einem Foto gekommen ist. Das ergibt sich eben im Moment. Ein Foto ist gut, wenn es genau das bringt, was ich wollte.“ Die Ergebnisse sprechen für sich. Fotografie ist eben keine Kunst, die sich immer quantifizieren lässt. Es geht um Ausdruck und Kreativität. Und davon hat Katja Herrling jede Menge. //