© Text und Fotos von Wolfgang Baus
Der ein oder andere kann sich noch an die Tipps und Tricks zum Thema Doppelbelichtung in den Fotozeitschriften der 80er- und 90er-Jahre erinnern. Das Ergebnis waren lustige Bildchen, auf denen eine Person sich selber die Hand reicht oder sich auf einer Wippe gegenübersitzt. Macht eine solche Funktion in Zeiten von Photoshop überhaupt noch Sinn?
In den analogen Zeiten der Fotografie wurde versucht, mittels Filmrückspulen oder anderer Kniffe auf einem Negativbild zwei oder mehr Fotos aufzunehmen, die dann später als eine Komposition auf einem Bild erschienen. Dank Photoshop ist das heute gar kein Problem mehr. Mehrere Bilder werden übereinandergelegt, dann maskiert, hier und dort wird etwas wegradiert und schon ist die fotografierte Person in den verschiedenen Situationen und in vielfachen Ausführungen auf einem Bild zu sehen.
Native Lösungen
Trotz dieser Nachbearbeitungsoptionen bauen viele Kamerahersteller die Mehrfachbelichtung nach wie vor in ihre Kameras ein. Einige Modelle bieten hier lediglich die Option, zwei Bilder übereinander zu fotografieren. Bei anderen Kameras besteht die Möglichkeit, die Mehrfachbelichtung immer wieder und nach jeder Aufnahme zu wiederholen. Und wieder andere Kameras erlauben es, die Anzahl der Belichtungen für eine Aufnahme vorzugeben. Zur Unterstützung dieser Funktion bieten viele Kameramodelle auch unterschiedliche Optionen zur Belichtungskontrolle. Um eine Überbelichtung zu vermeiden, ist eine Anpassung der Belichtungswerte ein willkommenes Feature oder die Variante, den Mittelwert der Belichtung mehrerer Aufnahmen zu berechnen. Anders ist es bei der Variante, bei der die Belichtungswerte addiert werden. Einige Kameras bieten auch eine Option an, die den Einzelaufnahmen eine stärkere Dominanz im Bild gebenwährend ansonsten die einzelnen Belichtungen in leichter Transparenz abgebildet werden würden. In jedem Fall sollten Sie aber alle Funktionen, die ihre Kamera hier anbietet einmal ausprobieren, um situationsbedingt die jeweils beste aller angebotenen Möglichkeiten zu verwenden.
Kreatives Werkzeug
Nicht nur die Option auf Bildbearbeitung in Photoshop und Co. wirft die Frage nach dem Warum auf und danach, in welcher Form Mehrfachbelichtungen überhaupt noch wichtig sind. Gerade Motive, die alltäglich sind und oft schon als „abfotografiert“ gelten, kann eine Mehrfachbelichtung so aufpeppen, dass die Betrachter dann doch interessiert sind und genauer hingucken. Solche Bilder sind dann eigene Werke und heben sich deutlich von der Masse ab. Mal ehrlich, wer will schon noch Bilder von Sonnenblumenfeldern sehen? Die sind bekannt und sehen immer gleich aus.
Mit einer Mehrfachbelichtung werden sie dann doch spannender und der Betrachter verweilt eher. Mag der ein oder andere Leser das noch wohlwollend als Kunstfreiheit belächeln, so denke ich, wird eine Mehrfachbelichtung sehr viel greifbarer, wenn es gelingt, auf diese Weise eine kleine Geschichte zu erzählen. Nehmen wir hier das Bild der alten Dampflok. Unendlich viele Details gibt es hier zu entdecken. Warum nicht versuchen, die wichtigsten Elemente eines solchen Motivs in einem Bild zu vereinen und so ganz neue Aspekte in den Vordergrund zu stellen? Oder nehmen wir die Fassade des Maritimen Museums (siehe Titelbild). Eine Schiffsschraube oder eine Hausfassade sind alleine eher unspektakulär. Beides zusammen in einer geschickten Komposition werden zu einem Hingucker und visualisieren das Thema sehr gut auf einem Bild.
Ein gleichmäßiger Hintergrund, wie das Schwarz der Dampflok, kommt uns generell bei Mehrfachbelichtungen gelegen. Je ruhiger und gleichmäßiger der Hintergrund ist, desto einfacher ist eine wirksame Bildkomposition. Dass es aber auch anders sein kann, zeigt die Aufnahme vom Kölner Dom. Unruhiger geht es nicht, und doch fügen sich die beiden Einzelaufnahmen harmonisch zu einem geradezu grafischen Bild zusammen. Bei dieser Aufnahme war vorher nicht absehbar, wie viele Belichtungen ich wohl für das Bild benötigen würde. Nach der ersten Aufnahme habe ich das Ergebnis auf dem Display kontrolliert und so die Kamera für die nächste Belichtung perfekt ausrichten können. Nach der zweiten Aufnahme war dann auch klar: mehr Einzelbelichtungen benötige ich nicht. Hier war die schrittweise Mehrfachbelichtung also genau richtig.
Momente zusammenführen
Ganz anders war es bei den Feuerwerksaufnahmen. Gerade zu diesem Thema erreichen uns immer wieder Fragen, wie man denn ein Feuerwerk optimal aufnehmen kann. Auch mit einer Langzeitaufnahme gelingt es kaum, die Pracht, die Farbenfreude und die Vielfalt eines Feuerwerks mit nur einer Aufnahme abzubilden. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, hierfür die Mehrfachbelichtung mit Vorgabe von fünf Einzelbildern zu verwenden. So nehme ich die verschiedenen Effekte in Einzelaufnahmen auf und erstelle eine Collage, die die einzelnen Effekte in einem einzigen Bild zusammenfasst – und somit die Geschichte des Feuerwerks erzählt. Mit dem automatischen Belichtungsausgleich erreiche ich dann auch, dass die einzelnen Elemente nicht überstrahlen.
Die dritte Variante ist die Doppelbelichtung im wahrsten Sinne des Wortes. Gerade in der oft belächelten Blümchenfotografen versuche ich, einen anderen Bildstil mit speziellen Aufnahmetechniken zu kreieren, um ein etwas anderes und dann doch spannendes Bild zu bekommen. Hierfür fotografiere ich die Blume mit der ersten Aufnahme unscharf und „setze“ eine zweite, scharfe Aufnahme darauf. Die Blumen erhalten einen „Unschärfeschimmer“, der so eher die Brillanz und Schärfe unterstreicht, und werden so zu einem echten Hingucker. Unterstützt wird die Wirkung durch eine manuelle Belichtung der einzelnen Teilbilder, mit Schwerpunkt auf dem zweiten, dem perfekten Bild. Gerade bei solchen Aufnahmen, bei denen es auf Präzision der Bildausrichtung ankommt, ist ein Stativ unbedingt empfehlenswert.
Also liebe Leserinnen und Leser, schauen Sie doch mal, was für Optionen Ihre Kamera für die Mehrfachbelichtung bereithält und fangen einfach mal an zu experimentieren. Nehmen Sie sich dabei auch viel Zeit für die Komposition. Je interessanter die Geschichte, die das Bild erzählt, desto eher wird das Foto zum Hingucker.
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