von Judith Caspers
© Fotos Judith Caspers
Das Meer hat diese besondere Eigenschaft, uns Menschen immer wieder in seinen Bann zu ziehen. Selbst bei Wind und Wetter strahlt es seine ganz eigene Gemütlichkeit aus. Die Wellen sind laut, und trotzdem ist es ruhig.
Seit Wochen freue ich mich darauf, endlich wieder an der Nordsee zu sein, das Salzwasser zu riechen und mir den Wind um Nase und Ohren pusten zu lassen.
Es ist Mitte September und der Herbst längst angekommen. Nur noch vereinzelt traut sich jemand, baden zu gehen. Die Wellen sind hoch und der Wind tut sein Bestes, möglichst von allen Seiten gleichzeitig zu wehen. Genau das ist mein Lieblingswetter an der See.
Auf der Suche
Auf den ersten Blick gibt es nur Sand und Meer und mir fällt es anfangs etwas schwer, die passenden Motive zu finden. Oft schaue ich einfach zu, wie die Wellen vor- und zurückschwappen. Ich beobachte die Insel ein paar Tage lang und schäle mich ab und an etwas früher aus den Decken, um den Strand für mich zu haben. Ein paar Spaziergänger sind schon unterwegs und die Möwen ziehen seelenruhig ihre Kreise. Die Strandkörbe sind leer, die Sonnenschirme eingeklappt. Ich entdecke ein Fischerboot, das von unzähligen Möwen umflogen wird. Drei Tage lang halte ich morgens am Strand Ausschau und laufe dem Schiff hinterher, weil es ständig seinen Kurs ändert. Endlich gelingt mir dann das Bild, das ich mir vorgestellt habe; Das Boot in seiner vollen Pracht mit hochgezogenen Netzen und natürlich den Möwen drumherum. Am Ende wird es eines meiner Lieblingsbilder, und ich bin ein bisschen stolz.
Dann gibt es da noch diesen 60 Meter hohen Leuchtturm. Er ist das höchste Bauwerk der Insel. Noch heute weist er Schiffen den Weg und warnt vor dem Eiland. Da er sich mitten auf der Insel befindet, ist es einfacher, ihn bei Tag zu besichtigen. Es ist strahlend blauer Himmel und die Sonne steht perfekt, um ihn auch am Tag leuchten zu lassen.
Die Fauna
Möwen sind wie Tauben – nur in cool. Sie sehen etwas schöner aus und können definitv eleganter fliegen. Ich fotografiere ungefähr so viele Möwen wie Sandkörner. Mit ihren dünnen Beinchen stehen sie in den Wellen und blicken aufs Meer hinaus – oder auf Spaziergänger, in der Hoffnung, ein paar Brotkrümel abstauben zu können. Sie haben sich schon so sehr an uns Menschen gewöhnt, dass man ihnen problemlos nahekommen kann.
Zu Norderneys Fauna gehören auch Meeresbewohner. Selbst mit meinen 27 Jahren freue ich mich wie ein Kind, wenn ich die Seehunde sehe. Mit einem Schiff machen wir einen Ausflug zu den Seehundbänken vor der Insel und haben ein Riesenglück: Wir sehen Seehunde und Kegelrobben, große und kleine. Mit dem 100 mm Objektiv komme ich nah genug ran, um ein paar schöne Fotos zu machen. Als ich die Bilder nachher durchsehe, entdecke ich, dass ein Seehund ziemlich aufgequollen aussieht und etwas um seinen Hals gewickelt ist, das ihm die Luft zum Atmen nimmt. Ich schicke das Bild an die Seehundstation Nordfriesland, die sich für den Hinweis bedankt. Ich hoffe, sie konnten den Seehund finden und das Netz entfernen.
Karge Landschaft
Die Seite der Insel, die zum Festland zeigt, wird durch einen Deich geschützt und sieht völlig anders aus als die Seite, die zur hohen See blickt. Zwischen den Dünenlandschaften, die teilweise die komplette Breite der Insel einnehmen, stehen verdrehte Bäume, die schon fast ein bisschen märchenhaft aussehen. Wir erkunden die Insel mit dem Fahrrad. Auf dem Rückweg ist der Gegenwind so stark, dass wir schieben müssen, weil es so anstrengend ist, gegen den Wind anzutreten. Weil wir ja im Urlaub sind, gönnen wir uns die nächsten Tage mal den Luxus eines E-Bikes. Da man damit um einiges schneller und entspannter fährt, kann man auf einer Tour viel mehr entdecken.
Unterwegs im Ort
Der Ort an sich ist relativ klein, und alles sieht gleich aus. Ich verlaufe mich ein paar Mal und mache einige Umwege, aber ich freue mich auch immer wieder, Neues zu entdecken. Viele Wohnhäuser stehen unter Denkmalschutz, sie wurden bereits im 19. Jahrhundert in der Bäderarchitektur erbaut und geben dem Ortskern seinen ganz eigenen Charakter. Auf der Nordseite der Insel jedoch, direkt am Strand, wurden in den 60er-Jahren Hochhäuser errichtet, die so gar nicht gemütlich und einladend aussehen – ganz anders als die kleinen Häuschen ein paar Meter weiter.
Faszination Sonnenuntergang
Ich habe schon unendlich viele Sonnenuntergänge am Meer gesehen, trotzdem fasziniert es mich immer wieder aufs Neue, wenn das Meer am Ende des Tages das Licht verschluckt. Es sieht jedes Mal anders aus und ist ein ganz besonderes Spektakel. Zuerst taucht die Sonne die Welt in warmes Licht, bis sie allmählich verschwindet, nur ein Schimmer übrig bleibt und sie schließlich Platz macht für die Nacht.
Die meisten Bilder entstehen ungeplant und scheinen anfangs eher Schnappschüsse und bedeutungslos zu sein. Ich bin froh, dass ich eine Reise machen kann und ein paar nicht ganz alltägliche Motive vor die Kamera bekomme. Mir wird wieder mehr bewusst, wie viel Spaß das Fotografieren machen kann, wenn man die Erwartungen an das Ergebnis aufgibt und sich wieder auf das „einfach machen“ besinnt. Ich genieße die Zeit am Meer in vollen Zügen, habe Spaß mit der Kamera, bin am Ende dann doch sehr begeistert von den Ergebnissen und habe meine Erwartungen vielleicht auch übertroffen.
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