Keine Angst vor erschlagenden Datenmengen und langweiligen Ordnen: Sie werden bestimmt Spaß haben, sich hier und da amüsieren und das ein oder andere Schätzchen finden.

Wir kennen es alle: Unmengen alter Fotos, die auf unseren Festplatten oder in Fotokartons schlummern. Bilder, die wir seit Urzeiten nicht mehr angeschaut haben. Weg damit? Wir sagen „Nein“ und geben Ihnen Tipps, wie Sie Schätze aufspüren und die Spreu vom Weizen trennen.

 von Jamari Lior

© Fotos Jamari Lior

Sie lagern in dunklen Ecken versteckt, tief im Schrank, im hintersten Fach im Regal. Ungern geht man da heran, als sei es ein wenig unheimlich. Verstaubte Festplatten. Man hat schon zwanzig Mal darüber nachgedacht, sie einfach ohne einen Blick auf ihren Inhalt zu formatieren. Und danach auf dem Flohmarkt zu verkaufen. Aber nein, das bringt man dann auch nicht übers Herz, lagern doch darauf die Erinnerungen, die ersten Fotoversuche, Reisen, Modelle, Tiere, all das, was man mal eines Bildes wert befunden hat. Was soll man nun damit tun?

Vielleicht werden Sie feststellen, dass manche Themen Sie schon über Jahre begleiten, ohne dass Ihnen das so bewusst war. Mit den neuen und alten Bildern können Sie eine Serie zusammenstellen, vielleicht sogar die zeitliche Dimension eines Themas illustrieren.

Abstauben

Staub tut Festplatten gar nicht gut, also versuchen Sie sie so zu lagern, dass möglichst wenig „verstauben“ kann. Auch sollte die Position nicht gewechselt werden: Wurde die Festplatte liegend verwendet, sollte sie auch so liegend bleiben, gerade, wenn es sich um eine externe Festplatte handelt, die ein eigenes Netzgerät erfordert, also keine der lediglich via USB eingestöpselten Reisefestplatten. Und dann sollten Sie die Festplatte anschließen und schauen, was sich auf ihr noch „abstauben“ lässt.

Ein alter Schatz, der zu neuen, formbetonten Arbeiten inspirieren könnte. Grund für die Pose war damals ein etwas misslungenes Make-up, das der große Hut verdecken sollte. Model: Sevy.

Lerneffekte

Vielleicht finden Sie Ihre alten Bilder recht grausig. Schlechte Ausleuchtung, Unschärfe, da wo sie nicht hingehört, fragwürdige Bildausschnitte. Kein Grund, sich zu schämen: Sie haben offenbar dazugelernt. Nichts zeigt Ihnen das so deutlich, wie die damaligen Fehler. Andererseits, so merkt man doch immer wieder, waren die alten Fotos oft frischer, unkonventioneller, manchmal sogar interessanter. Eine freudige Naivität schimmert durch diese Aufnahmen hindurch, eine spontane Begeisterung, die man im Laufe der Zeit oft ein wenig verliert. Vielleicht erinnern Sie sich, wie sehr Sie sich über den ersten halbwegs gelungenen Mitzieher eines Rennautos oder eines galoppierenden Pferdes gefreut haben. Wie spannend Sie Ihr erstes Urbex-Shooting fanden. Wie aufgeregt Sie beim ersten Model-Shooting waren.

Vielleicht ist es an der Zeit, nicht nur zu analysieren, was Sie heute besser machen, sondern auch das Mind-Set von früher noch einmal wiederzubeleben, bevor man alles für „normal“ hielt, bevor man sich mehr über Likes freute als über eine tolle Foto-Erfahrung.

Makeover

Vielleicht sind aber auch wirkliche Schätzchen unter den Bildern verborgen, die Sie früher nicht als solche erkennen konnten. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Sie hatten damals vielleicht noch weniger den Blick für ein außergewöhnliches Foto und haben eher das Bild ausgesucht, das sie besonders „nett“ fanden. Dies ist zum Beispiel in der Menschenfotografie typisch: Anfänger tendieren dazu, einen besonders engen Bildausschnitt zu wählen, mit Fokus auf die Augen. Natürlich können auch so fantastische Bilder entstehen, aber vielleicht waren ja auch bei den Ganzkörperaufnahmen, die die Person in einer Location zeigen, interessante Aufnahmen dabei?

Außerdem orientieren sich Anfänger oft an bestimmten Vorbildern: Man wollte ein Bild „so ähnlich wie Fotograf XY“ machen und hat später auch mit dieser Vorgabe die Fotos ausgesucht. Dabei sind beim Shooting eigentlich Bilder entstanden, die vielleicht nicht dem Vorbild entsprechen, aber viel besser gelungen sind. Dies merkt man mit einigen Monaten oder Jahren Abstand meist viel eher, einfach, weil man sich von dem Vorbild mittlerweile stärker gelöst hat.

Es sind nur Kleinigkeiten – der Kopf wurde etwas nach oben gerückt, der Kontrast etwas erhöht – ein wenig Bildbearbeitung verhilft diesem Foto zu einem interessanteren Look. Model: Sayuri.

Ganz wichtig sind natürlich auch neue Möglichkeiten der Bildbearbeitung. Als Anfänger ist den meisten Fotobegeisterten die Bearbeitung ein Buch mit sieben Siegeln: Man hat zum Beispiel keine Ahnung, wie man Farben intensiviert oder austauscht. Passen die Farben auf dem Ausgangsbild nicht, kann man es also nicht gebrauchen. Wenn in einer Gruppe eine einzige Person gerade ungünstig erwischt wurde, ist das Bild nicht nutzbar – vermeintlich, denn mit etwas Bearbeitungs-Skills könnte man den Kopf austauschen. Und ein Foto, das man vormals als „langweilig“ bewertet hat, könnte heute eine perfekte Grundlage für ein spannendes Layout darstellen. Selbst die Bilder, die man früher für „gut“ befand und auch heute noch interessant findet, lassen sich oft noch verbessern, sei es, dass man mittlerweile der fotografierten Person Hautunreinheiten wegzaubern kann oder im Sinne des derzeitigen Trends dem Bild ein kräftiges „Dodge-and-Burn“ verpasst.

Wer sich also in der Zwischenzeit in der Bildbearbeitung weitergebildet hat, kann so manchem alten Bild einen Feinschliff verpassen. Oder haben Sie mittlerweile Foto-Freunde, die sich auf die Bearbeitung spezialisiert haben, kennen Sie Bildbearbeiter, die fremde Werke professionell retuschieren? Hier tun sich mit neuen Connections auch weitere Möglichkeiten für Ihre alten Fotos auf.

Vielfalt

Aber warum sollten Sie Ihre Zeit nicht mit neuen Bildern verbringen, sondern mit alten? Auch hierfür gibt es vielfältige Gründe: Zunächst erzielt eine gute Durchmischung alter und neuer Bilder mehr Abwechslung – nicht nur für Ihre Rezipienten, Ihre Fans und Freunde in den sozialen Netzwerken oder im Fotoclub, sondern auch für Sie selbst. Außerdem sparen Sie so auch Zeit: Ein neues Shooting zu planen ist oft recht aufwendig. Für frische Architekturbilder müssen Sie wahrscheinlich in eine andere Stadt reisen, auf passendes Wetter und auf den richtigen Sonnenstand warten, für neue Modelbilder muss erst einmal ein Termin koordiniert, eine Location gefunden, ein Outfit organisiert werden, und ein neues Makro-Shooting hängt unter Umständen davon ab, ob derzeit überhaupt Pflanzen verfügbar sind, die Sie visuell ansprechen. Braucht man also rasch ein neues Foto, ist es häufig viel einfacher, alte Fotos zu durchsuchen, als ein neues Shooting zu planen.

Praktische Tipps für alte Fotos

  • Während Sie die „A-Auswahl“ eines jeden Shootings vermutlich bearbeiten, sollten Sie auch die B-Auswahl, zwischen zwei und zehn Fotos etwa, separat in einem „Wiedervorlage-Ordner“ speichern. Damit Sie später noch durchblicken, um welches Shooting es sich überhaupt handelte, macht es Sinn, die Dateinamen der Fotos entsprechend zu ändern, beispielsweise in „Susi-in-Hamburg-2018-1“.
  • Ab und zu eine Collage von zwei oder drei Fotos, die Ihre persönliche Weiterentwicklung zeigt, ist auch für Ihre Freunde und Fans auf den sozialen Medien sehr spannend. Dabei geht es nicht immer nur um eine klare „Verbesserung“, manchmal sieht man auch einfach einen Wandel im Stil oder den fotografische Präferenzen.
  • Das gleiche Shooting ein paar Jahre später: Probieren Sie einmal aus, ein Shooting, das Ihnen einmal gut gelungen ist, nochmal neu aufzulegen. Vielleicht wird es nicht besser, aber sicher anders …
  • Lernen Sie Bildbearbeitungstechniken wie Farbaustausche oder Layout beziehungsweise den Einsatz von Text in Bildern, um vermeintlich langweilige Fotos aufzupeppen.