Kinder zu fotografieren ist gar nicht so einfach – vor allem dann, wenn man ihre Gesichter nicht zeigen möchte. Ania Munkler hat sich auf die Kinderfotografie spezialisiert und verrät unter anderem, wie emotionale Aufnahmen gelingen, die die Identität von Kindern bewahren.
von Benjamin Lemm
© Fotos von Ania Munkler, Ania‘s Photoarts
Eigentlich wollte Ania nur drei Monate in Deutschland bleiben. Als sie 2008 während ihres Germanistik-Studiums aus Polen hierher kommt, um ihre Sprachkenntnisse aufzubessern, weiß sie noch nicht, dass sie 13 Jahre später immer noch hier wohnen wird. Doch spätestens, als sie 2011 ihren Mann kennenlernt, gibt es kein Zurück mehr. Dieser ist dann wenig später auch dafür verantwortlich, dass sie mit der Fotografie anfängt. Und als er ihr die erste Kamera schenkt, ist Ania nicht mehr zu stoppen. In der Fotografie geht sie auf, lernt schnell dazu und schon nach kurzer Zeit bekommt sie die ersten Anfragen von Freunden und Familie für Shootings. Schließlich entschließt sie sich, ein Gewerbe anzumelden und sich neben ihrer Tätigkeit im Autohaus als Fotografin selbstständig zu machen.

Momente festhalten
Mit der Kinderfotografie beginnt sie, als ihr Sohn Mats auf die Welt kommt. Wie viele Eltern möchte sie die schönen Momente des Alltags festhalten, damit sie in Erinnerung bleiben – auch weil sie solche Bilder aus der eigenen Kindheit nicht hat: „Wir haben damals meistens nur gestellte Gruppenfotos auf irgendwelchen Festen gemacht. Was mir fehlt, sind diese alltäglichen Dinge, die weniger großen Momente, die aber so ein Leben ausmachen. Da sind leider viele Erinnerungen verloren gegangen“, blickt sie zurück.
Dabei ist ihr vor allem wichtig, die Situationen so authentisch wie möglich rüberzubringen. Wenn sie ihre Kinder fotografiert, sind das meist keine gestellten Fotos, sondern Alltagsmomente, die sie mit ihrer Nikon 800D festhält. Hierfür hält sie gezielt etwas Abstand, um die Kleinen nicht beim Spielen zu stören und so ihr Verhalten zu beeinflussen. „Authentische Bilder erzählen schöne Geschichten“, beschreibt Ania. „Wenn das Kinderzimmer im Hintergrund chaotisch aussieht, ist das eben so. Echte Emotionen auf Bildern lösen später auch Emotionen beim Betrachter aus – und das sind die Momente, die uns als Eltern im Gedächtnis bleiben.“
Wichtig sei vor allem, die Kamera immer griffbereit zu haben, um in den wichtigen Momenten bereit zu sein. Natürlich kann man die Kamera nicht immer mit sich herumtragen. Deswegen plant Ania gezielt Fototage ein, an denen sie sich vornimmt, den Alltag ihrer Kinder zu dokumentieren. „Man muss oft sehr spontan reagieren, weil Kinder eben oft nicht voraussehbar handeln. Deshalb ist es wichtig, die eigene Kamera gut zu kennen, um nicht noch lange an den Einstellungen schrauben zu müssen – denn dann ist der Moment meist schon wieder vorbei“, beschreibt sie. Serienbilder seien zusätzlich hilfreich, weil sich die Kinder eben viel bewegen und so vieles auf einmal in sehr kurzer Zeit passiert.
Das Kind einbeziehen
Wenn sie für einen Auftrag fremde Kinder fotografiert, zum Beispiel für ein Familienshooting, sei es besonders wichtig, den Kindern ein gutes Gefühl zu geben. „Viele Kinder fremdeln am Anfang und sind mit der Situation überfordert. Deswegen plane ich immer sehr viel Zeit für meine Shootings ein – die Kinder brauchen das eben. Man darf sie auf keinen Fall unter Druck setzen“, beschreibt sie ihr Vorgehen. Also zeigt sie den Kindern die Kamera, geht mit ihnen in den Dialog, bezieht sie in den Prozess mit ein. Auf Augenhöhe mit den Kindern zu gehen sei dabei nicht nur aus fotografischer Sicht wichtig, sondern gebe ihnen mehr Sicherheit und schaffe ein Gefühl von Vertrautheit. „Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Kinder mit mir warm werden; wenn sie mit mir und der Kamera vertraut sind, geht es leichter“, erklärt Ania.
Zum Schutz der Kinder
Wie viele andere Eltern auch steht sie oft vor der Herausforderung, dass sie ihren Nachwuchs nicht öffentlich auf ihren Social Media-Kanälen zeigen möchte. Dennoch ist es für sie gleichzeitig sehr wichtig, ihre Arbeit mit Kindern zu promoten und ihre Kunst mit anderen zu teilen. Doch wie zeigt man die Jungen und Mädchen, ohne sie zu zeigen? „Da muss man schon ein wenig kreativ werden. Detailaufnahmen, zum Beispiel von den Händen oder Füßen, bei denen das Gesicht nicht zu sehen ist, können die Identität des Kindes wahren und trotzdem eine hohe Aussagekraft haben“, beschreibt sie. Eine weitere, relativ leicht umzusetzende Möglichkeit seien Fotos von hinten oder von der Seite. So ist das Gesicht des Kindes nicht zu sehen und es bleibt relativ anonym.
Auch kann man den Bildaufbau so gestalten, dass das Gesicht durch einen Gegenstand oder von einem unscharfen Objekt im Vordergrund verdeckt ist. So hat sie beispielsweise schon ihren Sohn Mats beim Spielen mit dem Gartenschlauch fotografiert und den Moment abgepasst, an dem sein Gesicht von der wasserspritzenden Düse verdeckt ist. Auf diese Weise ist er selbst wie durch Zufall nicht zu erkennen – das Bild bleibt gleichzeitig authentisch und wirkt nicht gestellt.
Eine weitere Möglichkeit ist das Fotografieren der Silhouette im Gegenlicht. Hier schraubt Ania die Belichtungszeit so weit runter, bis das Gesicht im Schatten verschwindet. Man sieht ein spielendes Kind, aber nicht, um wen es sich handelt. Gleichzeitig bekommt das Bild einen künstlerischen Touch. Das Foto wird gerade dadurch interessant und weckt die Neugierde des Betrachters, weil man die Gesichter nicht erkennt. Das klappt natürlich ebenso gut bei Aufnahmen von Erwachsenen. Die Identität eines Mädchens oder Jungen zu bewahren muss aus fotografischer Sicht also nicht unbedingt ein Nachteil sein. //
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