Der Wald ruft … und Sie sollten folgen: Der Wald bietet nämlich zahlreiche interessante Motive. Dennis Wolf nimmt Sie mit auf einen Spaziergang und erklärt, wo es sich lohnt, die Kamera auszupacken.
Der Wald gehört zu Dennis‘ Arbeitsplätzen – nein, er ist nicht Förster oder Waldarbeiter, sondern Fotograf und entführt seine Workshopteilnehmer gerne einmal in den Harz oder in die Sächsische Schweiz, wo sie lernen, stimmungsvolle Waldbilder in den Kasten zu bekommen.
von Jamari Lior
© Fotos Dennis Wolf
Linien und Tiefe
Der Betrachter soll ins Bild geführt werden. Hierfür eignen sich zum Beispiel die knorrigen Äste eines Baums, die ins Bild hineinweisen, ein Weg oder ein Richtungspfeil. Auch die Staffelung der Elemente im Bild spielt eine Rolle – vorne Büsche, weiter hinten Wald, in der Ferne Hügel und Himmel.
„Wir Menschen sehen dreidimensional, Fotografie hingegen kennt nur zwei Dimensionen – und ist damit flach. Also müssen wir Fotografen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln Tiefe ins Bild bekommen“, erläutert Dennis.

Ein knorriger Ast weist den Weg ins Bild. Die Aussicht ergab sich auf dem Ilsestein im Harz.
Diagonalen und goldene Schnitte
Natur ist organisch und damit völlig ungeometrisch? Weit gefehlt! Auf den richtigen Bildausschnitt und die richtige Perspektive kommt es an und Sie werden zahlreiche Linien im Bild finden. Dennis sucht oft lange nach dem passenden Kamerastandpunkt: „Für das Felsenbild, das ich auf dem Schrammstein in der Sächsischen Schweiz aufgenommen habe, bin ich etwa eine Viertelstunde auf dem Boden hin- und hergerutscht, um die beste Position zu finden. Für Tiefe und Führung ins Bild wollte ich den Felsen im Vordergrund haben, außerdem wollte ich die richtige Perspektive auf die kurvenförmige Felslinie im Hintergrund finden. Wichtig war mir außerdem, dass auch der Felsen im Vordergrund gestochen scharf wird.“

Eine Diagonale, ein goldener Schnitt. Um diese Bildgestaltung zu erzielen, musste Dennis länger nach dem richtigen Kamerastandpunkt suchen.
Weg frei!
Sicher kennen Sie das: Da stören Äste, Sträucher oder Blätter Ihren Bildaufbau oder verdecken gar Ihr Motiv. Hier heißt es, neue Perspektiven zu finden: Vielleicht eignen sich die unerwünschten Naturelemente bei offener Blende als Vordergrundunschärfe? Dennis beschritt bei seinem Motiv einen anderen Weg: Er wollte das Wasser sichtbar machen, aber die Bäume versperrten den Blick darauf. So stellte er Selbstauslöser und Schärfe manuell an der Kamera ein, schraubte sie auf ein Stativ, fuhr es maximal aus und hielt es mit ausgestreckten Armen nach oben in die Luft auf etwa vier Meter Höhe. Nach etwa zehn Versuchen war dann das Bild so wie gewünscht im Kasten.

Störende Bäume im Vordergrund? Um einen Blick aufs Wasser zu erhalten, hielt Dennis die Kamera samt Stativ so hoch wie möglich.
Das Wesentliche
Was ist wirklich interessant an Ihrem Naturfoto? Die Antwort auf diese Frage hilft Ihnen, das Richtige zu fokussieren beziehungsweise Unwesentliches auszublenden. Fotografieren Sie wie Dennis einen Wasserfall, ist der Wald im Hintergrund nicht von großer Bedeutung und rückt damit beim Bildaufbau an den Rand. Die Linienführung ergab sich hier durch den Wasserverlauf und den Baumstamm, dessen Linie auch einen wunderbaren Weg ins Bild bietet.

Der Fokus liegt ganz auf dem Wasserfall und dem Ast, der einen perfekten Weg ins Bild öffnet. Der Wald im Hintergrund darf dafür geschnitten werden.
Augen für das Gute
Enttäuschung über schlechtes Wetter machte sich bei den Workshopteilnehmern breit, es war diesig und die Sicht stark durch Nebel begrenzt. „Damit bot sich eine fantastische Lektion für die Teilnehmer“, erzählt Dennis, denn Landschaftsfotografie erfordert nicht nur Geduld, sondern auch Offenheit für Überraschungen: Als die Wolkendecke ein wenig aufriss, ergab sich ein wundervolles Nebel-Panorama – mindestens genauso spannend wie ein goldener Sonnenuntergang.

Schlechtes Wetter? Gibt es kaum – solange Sie offen bleiben für unerwartete Erfahrungen.
Umdrehen!
Es klingt banal, aber Sie sollten es als eine Grundregel beachten: Schauen Sie nicht nur in Ihre Marschrichtung, sondern drehen Sie sich auch immer wieder um – hinter Ihnen könnte ein noch spannenderes Motiv liegen! Dieses Foto entstand beim gleichen Workshop. Während die Aussicht zur einen Seite ein norwegisches Feeling vermittelte, sah man in der anderen Richtung eine große, weiße Decke im Tal. Durch das braun gefärbte Laub vermittelt der Blick trotz fast identischer Kameraeinstellungen etwas ganz anderes.

… und der Blick zur anderen Seite ergibt einen ganz anderen Eindruck.
Die Details
Wie so oft im Leben sind auch die kleinen Dinge einen Blick wert: Ein luftig-elegantes Blattskelett, eine Schnecke, die ihr Köpfchen nach der Sonne reckt, ein winzig kleiner Wasserfall, kaum höher als eine Handbreit. Solche Motive sind nicht nur wunderbar meditativ, sondern ergänzen Ihre Waldspaziergangs-Strecke auch um eine weitere Dimension.

Ein kleiner Wasserlauf mit einem Stöckchen – es wirkt, wie eine Miniaturwelt mit Brücke.
Workshop im Wald
Dennis Wolf gibt auch Workshops in der heimischen und etwas entfernteren Landschaft, zum Beispiel an der Ostsee, im Harz oder am Bode Wasserfall.
www.facebook.com/dennis.wolfphotoart
Interessanter Beitrag, ich habe bei meinen Spaziergängen in aller Regel auch die Kamera dabei (mitunter auch nur das Smartphone als Ersatz)