Die Gegenlichtfotografie bietet viele kreative Gestaltungsmöglichkeiten und somit eine Fülle an künstlerischen Aufnahmen. Wir zeigen Ihnen, wie Sie das Gegenlicht gekonnt für sich nutzen.
von Dragana Mimic
Der Ratschlag „Niemals im Gegenlicht fotografieren!“ ist nun wirklich ein alter Hut. Auch, wenn Gegenlichtaufnahmen technisch gesehen durchaus eine Herausforderung darstellen, birgt diese Art von Fotografie viele Möglichkeiten. Mit unseren wichtigsten Inspirations- und Praxistipps gelingen Ihnen garantiert schnell herausragende Ergebnisse. Sie müssen nur wissen, wie Sie mit dem Gegenlicht spielen können. Lassen Sie sich also zu neuen Fotoprojekten inspirieren.
Tipp 1: Manuelle Einstellungen
Wenn Sie im Gegenlicht fotografieren, stellen Sie Ihre Kamera auf den manuellen Modus oder die Zeitautomatik (A). Fotografieren Sie im Gegenlicht in der Automatikfunktion, orientiert sich die Kamera nämlich automatisch an der hellsten Lichtquelle im Bild, also der Sonne. So werden alle anderen Motive im Bild automatisch unterbelichtet. Setzen Sie des Weiteren den ISO-Wert auf den niedrigsten möglichen Wert, im Idealfall ISO 100. Stellen Sie die Blende zunächst auf f/8 und spielen Sie danach mit einer geschlossenen oder geöffneten Blende. Außerdem sollten Sie den Weißabgleich auf „Sonnenlicht“ stellen.
Tipp 2: Richtige Belichtung
Die richtige Belichtung ist wohl die größte Herausforderung bei Gegenlichtaufnahmen. Sie ist häufig schwer zu ermitteln, da die Helligkeitsunterschiede im Bild meist sehr stark sind. Bei der Belichtungsmessung orientiert sich die Kamera am hellsten Bereich und versucht diesen optimal darzustellen. Dadurch „saufen“ die dunkleren Bildbereiche meist zu sehr ab und es gehen Details verloren. Nutzen Sie die Belichtungskorrektur, um ein Foto heller oder dunkler zu belichten. Um den Vordergrund heller zu gestalten, kann man also die Belichtung ein oder zwei Stufen höher stellen. Folge ist allerdings natürlich auch, dass die helleren Bereiche noch heller werden. Hier muss man sich vorher überlegen, welcher Teil des Bildes einem wichtiger ist.
Tipp 3: Blendenreflexe
Hat man die Sonne direkt im Bild, bricht sich das Licht im Objektiv und wird an den Seiten reflektiert. Diese Reflexionen erscheinen dann als manchmal gewollte – manchmal unschöne – Lens Flares auf dem Bild. Je nach Blendenform können diese Flecken eckig oder rund erscheinen. Als wichtiges Hilfsmittel bei Gegenlichtaufnahmen sollten Sie deshalb unbedingt eine Gegenlichtblende (Streulichtblende) verwenden. Diese schirmt seitlich einfallendes Licht ab und reduziert so das Risiko von Blendenflecken. Außerdem beugt sie auch unerwünschten Kontrastreduktionen bei Streulicht vor, was wiederum der Bildschärfe zugutekommt. Wichtig ist, dass die Gegenlichtblenden an das Objektiv angepasst sind. Sind sie zu klein, können sich Abschattungen (Vignettierungen) an den Bildrändern bilden. Für Kompaktkameras gibt es leider keine derartige Lösung. Hier kann man lediglich versuchen, die Kamera seitlich mit der Hand abzuschirmen.
Tipp 4: Spotmessung
Mithilfe der Spotmessung können Sie die einzelnen Lichtwerte im Bildausschnitt besser ausmessen und gezielt bestimmen, an welchem Lichtwert sich die Kamera orientieren soll. Beim Fotografieren im Gegenlicht sollten Sie die Spotmessung für eine ausgewogene Belichtung an einem mittleren Lichtwert durchführen. Ermitteln Sie dafür einen Mittelwert, indem Sie verschiedene Bildteile einzeln ausmessen. Möchten Sie ein Scherenschnitt-Motiv erzeugen, stellen Sie die Spotmessung auf die hellen Bereiche ein.
Tipp 5: Brennende Baumkronen
Der goldene Herbst ist geradezu perfekt für Gegenlichtaufnahmen geeignet. Die schräg einfallenden Sonnenstrahlen verzaubern das vom Sonnenlicht durchleuchtete Herbstlaub in flammend rote Fackeln. Dichte Wälder sorgen im Gegenlicht für stimmungsvolle Lichtbrechungen, egal in welcher Jahreszeit.
Tipp 6: Detailaufnahmen
Bei Detailaufnahmen von Naturobjekten können Sie im Gegenlicht Strukturen, wie beispielsweise die feinen Adern und Fasern eines Laubblattes, gut herausarbeiten. Auch einzelne Grashalme oder Insekten und vom Tau benetzte Spinnweben entfalten im Gegenlicht eine ganz besondere Wirkung. Außerdem kommen so auch die Farben sehr intensiv zur Geltung, das durchscheinende Licht bringt sie förmlich zum Strahlen.
Tipp 7: Das Element Wasser
Das Element Wasser ist ein tolles Motiv, um Gegenlichtaufnahmen zu üben. Fotografieren Sie beispielsweise einen fließenden Bach oder einen See im schräg stehenden Gegenlicht, entstehen auf der Wasseroberfläche viele glitzernde Wassertropfen. Ebenso mystisch wirken ein vom Dachvorsprung hängender Eiszapfen oder ein sprudelnder Springbrunnen im Gegenlicht. Achten Sie bei Ihren Aufnahmen allerdings darauf, dass die Lichtquelle, gegen die Sie fotografieren, verdeckt bleibt. Fotografieren Sie bitte nicht direkt in die Sonne hinein, hierdurch könnte sogar das Objektiv (und auch Ihr Auge, wenn Sie durch den Sucher schauen) Schaden nehmen.
Tipp 8: Belichtungsreihe
Da die richtige Belichtung bei Gegenlichtaufnahmen je nach Ausgangssituation recht schwierig sein kann, empfehlen wie Ihnen, auch mal eine Belichtungsreihe Ihres Motivs aufzunehmen. Diese können Sie dann in Photoshop oder anderen Bildbearbeitungsprogrammen erstellen. Meistens sind drei RAW-Dateien mit +/- 1 EV ideal für die Erstellung eines HDR-Bildes, welches man auch recht natürlich gestalten kann.
Tipp 9: Silhouetten und Schattenspiele
Silhouetten sind der Klassiker bei Gegenlichtaufnahmen. Die Farben treten bei hohen Kontrasten in den Hintergrund. Dabei können interessante Lichtsäume um die Konturen und Umrisse herum entstehen. Hierbei steht bei sehr hohem Kontrast ein intensives Schwarz häufig einer überstrahlten weißen Fläche gegenüber. Das Foto erhält dadurch eine ganz zauberhafte, dem Alltag entrückte Atmosphäre. Wenn Sie eine scherenschnittartige Wirkung von Umrissen erreichen wollen, sollten Sie auf die hellen Bildbereiche belichten. Bei Gegenlichtaufnahmen entstehen selbstverständlich auch Schatten in Richtung des Fotografen, die Sie zum Beispiel durch eine geschickt ausgewählte Perspektive, künstlerisch in Ihr Bild integrieren können. Wenn Sie die Schatten nicht als künstlerisches Element in Ihren Aufnahmen haben möchten, können Sie beispielsweise mit einem seitlichen Licht, einem Scheinwerfer oder einem externen Blitzgerät versuchen zu eliminieren.
Tipp 10: Vordergrund betonen
Wenn Sie bei einer Gegenlichtsituation ein Motiv im Vordergrund betonen möchten, greifen Sie auf ein Blitzgerät zurück. Das kann der in der Kamera integrierte Aufhellblitz, aber auch ein externes Blitzgerät sein. Dieser Effekt kann insbesondere bei Sonnenuntergängen, diesigen Wetterverhältnissen wie Nebel oder Sprühregen und natürlich Porträtaufnahmen interessant sein. Bei Porträts können Sie auch einen Reflektor zum Aufhellen des Gesichts verwenden. Das kann eine weiße Styroporplatte, die einen sehr natürlichen Aufhelleffekt aufweist, oder, wenn der Effekt stärker wirken soll, auch eine mit Alufolie überzogene Platte sein.
Tipp 11: Mystische Stimmung
Nebel und Rauch bewirken im Gegenlicht eine mystische Stimmung, wenn Sie sie richtig in Szene setzen. So bewirken Staub und andere Partikel in der Atmosphäre eine Streuung des Lichts und erzeugen somit eine Kontrastreduzierung. Gerade im Wald gelingen bei Nebel in den frühen Morgenstunden solch malerische Aufnahmen, wenn die schräg einfallenden Sonnenstrahlen durch die Baumwipfel drängen.
Tipp 12: Durchblick
Bei durchsichtigen Objekten wie beispielsweise Glasgefäßen oder buntem Fensterglas ergeben sich häufig leuchtende Farben, wenn die Lichtstrahlen hindurchscheinen. Aber auch aufgeschnittene Zitrusfrüchte oder farbige Folien eignen sich hervorragend dafür, die Transparenz der Objekte in den Vordergrund zu stellen.
Tipp 13: RAW-Format
Man kann es nicht oft genug sagen: Fotografieren Sie unbedingt im RAW-Format. So haben Sie bei der Nachbearbeitung noch alle Möglichkeiten, um ein auf den ersten Blick misslungenes Foto zu retten. Wenden Sie hier die Belichtungskorrektur an, gleichen Sie den Kontrast etwas aus, passen Sie die Farbsättigung an und hellen Sie zu dunkel geratene Bildbereiche nochmals separat auf. Gehen Sie beim Fotografieren außerdem auf Nummer sicher und machen lieber ein paar mehr Schüsse. So erhöhen Sie die Trefferquote bei diesen extremen Lichtverhältnissen um ein Vielfaches.
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