Viele Kameras bieten Funktionen, um Fotografien einen eigenen Bildstil zu verleihen. Sind dies überflüssige Funktionen für den Knipser oder Hilfsmittel für die Bildgestaltung anspruchsvoller Fotografinnen und Fotografen?

von Wolfgang Baus, © Fotos Wolfgang Baus

Seit der Einführung der ersten Digitalkameras wird der „digitaltypische Bildlook“ diskutiert. Vielfach schworen sich Fotografen in den einschlägigen Foren, nie diese „neuartigen“ Kameras zu benutzen, deren Bilder doch stark den Eindruck von Scherenschnitten vermitteln und deren Bildergebnisse zu weit entfernt waren von dem, was sie nicht zuletzt durch eine große Auswahl an Filmen mit unterschiedlichen Charakteristiken gewohnt waren.

Aufgrund der zunehmend hohen Auflösung und verbesserter Sensoren hat sich das digitale Bild aber dann doch dem gewohnten Look angenähert, der in der „Filmfotografie“ geschätzt wurde. Heute erfreuen sich analoge Kameras einer gewissen Renaissance, und Filmtypen von vor 20 Jahren sind wieder verfügbar, jedoch sind die Auswahl und die Verbreitung geringer, während der Preis stark gestiegen ist. Aber damals wie heute gibt es eine große Auswahl verschiedener Filmsorten, die sich durch ihre Eigenarten, als Farb- und SW-Negativfilme oder Dia-Positivfilme, in der Art der Wiedergabe von Farben, Kontrasten und dem individuellen Filmkorn – dem Filmlook – unterscheiden.

Zu den Hoch-Zeiten der Filme gab es für die Gelegenheitsfotografen, die vergleichbar mit den heutigen Smartphonefotografen einen Marktanteil von rund 80 % ausmachten, ein großes Angebot. Am beliebtesten waren die Filme von Agfa mit den typischen eher warmen Farben, die von Kodak mit meist kalten und Fujifilme mit bunten und knalligen Farben.

Für die anspruchsvolle Amateur- und Profifotografie gab es hingegen eine sehr viel umfangreichere Auswahl an Filmen. Diese waren oft speziell auf die Verwendung abgestimmt und wurden für die verschiedenen Aufträge und Ansprüche entsprechend ausgesucht. Hier waren es hauptsächlich Kodak und später auch Fuji, die Filme anboten, die spezielle Farbcharakteristiken aufwiesen und beispielsweise für die Porträt-, Food-, Landschafts- oder Architekturfotografie sensibilisiert waren.

Gelegenheitsfotografen haben sich meist für den universellen Farbnegativfilm entschieden. Diese Farbnegativfilme haben allerdings den Nachteil, dass sie „maskiert“ sind und kaum jemand in der Lage war, die spätere Bildqualität anhand der (orangefarbenen) Negative zu beurteilen. Das war wesentlich einfacher bei den Diapositivfilmen. Auf einer Leuchtplatte betrachtet konnte die Qualität der Aufnahme perfekt kontrolliert werden. Fotografen, Redaktionen und Agenturen konnten so ohne großen Aufwand Bilder für die verschiedenen Projekte selektieren.

Es gab unter den Filmen einige legendäre Marken, und auch Nicht-Fachleute konnten Bilder dieser Filme erkennen. Einer dieser Filmtypen war der „Kodachrome“. Die Farben und der Bildlook waren einzigartig und wurden gleichermaßen von Profis und anspruchsvollen Amateuren geschätzt. Allerdings war die Entwicklung aufwendig und konnte nur in einem speziellen Labor in Deutschland erfolgen. Der ebenfalls legendäre Agfa CT war hingegen preiswerter und einfacher in der Verarbeitung. Er war wohl der meistgenutzte „Amateur-Diafilm“. Filme dieser Art waren für die anspruchsvolle Fotografie unverzichtbar. Ein wichtiger Grund dafür war auch die Möglichkeit, die Farben in der Entwicklung der Abzüge zu kontrollieren. Farbfilter konnten so zur Bildgestaltung benutzt werden, während bei Farbnegativfilmen annähernd jeder kreative Farbeffekt bei der automatisierten Entwicklung der Bilder herausgefiltert wurde.

Auch wenn es spezielle Schwarz-Weiß-Diafilme gab, so waren es dann doch die SW-Negativfilme, die speziell von Pressefotografen und Fotoamateuren mit Fotolabor verwendet wurden. Die Verarbeitung war sehr einfach und wohl fast jeder Schüler machte Erfahrungen mit der Film- und Bildentwicklung in den Schullabors. Filme, wie der Ilford HP5, FP4 oder der Kodak Tri-X gehörten zu den meistverwendeten Filmen in der Schwarz-Weiß-Fotografie.

Waren es lange Zeit die traditionellen europäischen Filmhersteller, die den Markt beherrschten und auch Filme für Handelsmarken herstellten, so wurden zunehmend Produkte japanischer Hersteller immer beliebter. Und speziell Fuji kam nach und nach mit einer wachsenden Palette an Filmen auf den Markt und verdrängte aufgrund der Bildqualität der verschiedenen Filme alteingesessene Hersteller, die infolge der Digitalisierung schließlich vom Markt verschwanden.

Sensoren statt Silberkristalle

Mit Sicherheit war auch das nachlassende Angebot an Filmen und deren aufwendige Verarbeitung ein Grund dafür, dass die anfängliche Skepsis gegenüber Digitalkameras zunehmend schwand. Nicht nur die steigende Auflösung sorgte für eine Aufnahmequalität, die inzwischen nicht mehr typisch „digital“ aussieht.

Auch wenn die Bilder alle digital, in Nullen und Einsen, erfasst werden, gibt es eine Vielzahl von Unterschieden in den „Bilder-Looks“. Grund hierfür sind nicht nur die Sensoren von unterschiedlichen Herstellern, sondern auch die verschiedenen „Bildprozessoren“, die bei den verschiedenen Kameraherstellern unterschiedliche Interpretationen der Datensätze liefern, auch wenn die Sensoren oft baugleich aus einer Sensorfabrik stammen.

Für Fotografen, die eine spätere Bildbearbeitung scheuen, sind der kamerainterne Bildprozessor und die individuellen Sensoreigenschaften häufig unterschätzte Parameter bei der Kameraauswahl. Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert, auf einem der Fotofestivals Kameras verschiedener Hersteller miteinander zu vergleichen, um den optimalen Sensor für die eigenen Bedürfnisse zu finden.

Für diese Gruppe von Fotografierenden sind auch ursprünglich die Bildlooks, Filter oder Filmsimulationen gedacht, die in verschiedenen Kameras angeboten werden und eine tolle Möglichkeit bieten, Bilder kreativ zu gestalten. Amateurkameras, wie zum Beispiel von Olympus oder Pentax, verfügten schon sehr früh über kreative Tools für die Bildaufnahme. Heute gibt es kaum eine Kamera, auch gehobener Preisklassen, die nicht ein breites Angebot an unterschiedlichen Kreativfunktionen anbietet.

Angeboten werden, je nach Hersteller Miniatureffekt (Diorama), HDR, Monochrome, Popart, Retro, Fisheyeeffekt, Bleach Bypass, Crossentwicklung und was es nicht sonst noch alles gibt. Nicht zuletzt dienen diese Tools dazu, den Bildstil der klassischen Filme zu simulieren. In der Spitze sind es zum Beispiel die Olympus OM-1 oder die Nikon Zfc, die fast 30 unterschiedliche Bildstile zur Verfügung stellen.

Bei vielen Herstellern sind die Bildstile zusätzlich individuell anpassbar. Pentax bietet sogar eine „Sonderedition“ mit jahreszeitlichen Eigentümlichkeiten in Verbindung mit speziellen Objektiven. So gab es rechtzeitig zum Sommer den Bildstil „Katen“ (japanisch für Sommerhimmel), der in Verbindung mit ausgesuchten Weitwinkelobjektiven des Systems einen Bildstil erzeugt, der das Blau des Sommerhimmels besonders stark betont.

Aber so speziell müssen wir gar nicht werden. Schauen Sie doch mal in die Anleitung Ihrer Kamera, was Sie dort unter „Bildstil“ oder „Filter“ finden.

Ich bin ein Freund davon, diese direkt bei der Aufnahme anzuwenden, damit ich ein Gefühl für den Moment und die Auswirkungen der Filter bekomme. Zumal es auch Bildstile gibt, wie beispielsweise die Schwarz-Weiß-Simulation bei der Ricoh GR III, die nur schwer in der Nachbearbeitung am Computer herausgearbeitet werden können.

Viele dieser Optionen für Kreativfilter oder für verschiedene Bildlooks sollen die gute alte Filmwirkung simulieren und sind darauf ausgelegt, die Wirkung analoger Filme auch mit der Digitalkamera zu erzielen.

Eine Besonderheit bieten die Kameras von Fujifilm. Wie geschrieben, hat sich Fujifilm zu einem Filmhersteller für höchste Ansprüche entwickelt. Wenn alle anderen Kamerahersteller „einen Diafilm“, „einen Farbnegativfilm“ oder „einen SW-Film“ simulieren, so sind es die Fujifilmkameras, für die Filme aus eigener Fertigung mit einem hohen Maß an Vergleichbarkeit zum Original als Filmsimulation angeboten werden. Und so finden sich, neben den Universaleinstellungen, im Menü Spezialsettings für die Filme Velvia, Provia, Astia, Acros oder dem speziellen Eterna für Kinoaufnahmefilm.

Die Profis unter den Lesern werden jedoch mit dem Kopf schütteln, denn Bilder mit solchen Voreinstellungen werden im JPEG-Format gespeichert. Später können sie kaum noch beeinflusst werden. Speichern Sie die Bilder als RAW-Datei. Das eröffnet Ihnen später viele Möglichkeiten der „Bildentwicklung“, zum Teil sogar in der Kamera oder durch Programme wie zum Beispiel Lightroom.

So bieten die aktuelle Adobe Light-room-Version, mehrere Kamerahersteller und auch viele verschiedene Fotografen auf ihren Web- oder Blogseiten eine große Menge an Presets an, um den Bildern einen eigenen und individuellen Bildstil in der „Bildentwicklung“ zu geben.

Darüber hinaus werden verschiedene Plug-ins (integrierte Bildbearbeitungswerkzeuge), wie zum Beispiel NIK oder Lumina, angeboten, die ohne den großen Aufwand eines Bildbearbeitungsprogramms mittels eines Tastendrucks dem Bild einen besonderen Stil geben und – wie im Falle von Nik Silver Efex Pro – viele der traditionellen Schwarz-Weiß-Filme simulieren können. Dabei ist bei den meisten Bildgebungswerkzeugen eine weitere individuelle Feinanpassung möglich. Hier sollten die Optionen für die Nutzung von Farbfiltern (orange, grün, gelb, blau, rot) bei der Schwarz-Weiß-Fotografie nicht unerwähnt bleiben. Denn diese spielen auch bei der Digitalfotografie eine große Rolle.

Jetzt kommen Sie – entdecken Sie die Möglichkeiten

Bildstile, Art-, Kreativ- oder Farbfilter, Filmsimulation, Presets oder Plug-ins bieten eine Vielzahl von Optionen, den Fotografien eine eigene Bildwirkung zu geben. Nehmen Sie sich unbedingt einmal die Zeit und erforschen die Optionen anhand Ihrer bevorzugten Motivwelt. Lernen Sie dabei die Filter und deren Wirkung bei Ihrer Kamera kennen und entdecken so – oder später mit den Pre-sets Ihrer Bildbearbeitungssoftware – eine Vielzahl neuer Ausdrucksmöglichkeiten Ihrer Fotografie. Ich bin mir sicher, egal wie legendär und unverwechselbar einige Filme auch gewesen sein mögen: Mit ein wenig Suchaufwand im Internet und auf Fotografenwebseiten wird keiner mehr auf die Bildanmutung der Helden aus der analogen Fotografie verzichten müssen.