Wo Licht ist, ist auch Schatten – zum Glück. Denn mit kunstvoll gestaltetem Schatten können Sie wunderbare Formen und Muster erschaffen.

von Jamari Lior | © Fotos Jamari Lior

Gestreift und skurril. Model: Lani.

Gestreift und skurril. Model: Lani.

Ein hartes Licht, ein Schattenelement und jemand, der vor Ihrer Kamera stehen möchte – tatsächlich braucht es nicht mehr, um ganz besondere, künstlerisch wirkende Bilder in den Kasten zu kriegen.

Das geeignete Licht
Betrachten wir zuerst das oben genannte „harte Licht“: Am einfachsten ist es, bei hellem Sonnenlicht zu arbeiten. Das bedeutet nicht nur, dass Sie einen möglichst sonnigen Tag aussuchen, sondern auch, dass Sie ein Zeitfenster wählen, das auch hartes Licht ermöglicht, dass Sie das Shooting beispielsweise nicht in die Abendstunden verlegen. Außerdem müssen Sie selbstverständlich darauf achten, dass das Sonnenlicht auch da landet, wo Sie es gebrauchen können. Was so trivial klingt, geht oft genug daneben: Man hat sich ein wundervoll geschwungenes Metallgitter ausgesucht und antizipiert schon grandiose Schattenmuster – aber zur Shootingzeit fällt der Schatten in die falsche Richtung. Prüfen Sie also vorher, wie der Schatten wann fällt.

Natürlich gibt es auch Möglichkeiten, sich etwas unabhängiger vom Sonnenlicht zu machen. Optimal wäre eine starke Leuchte, die sehr hartes Licht gibt. Leider gestaltet sich dies aber relativ schwierig: Die meisten Leuchten sind entweder nicht hell genug oder ihr Licht ist zu weich, um passende, harte Schatten zu erzeugen. Auch die typischen Fotolampen sind hierfür ungeeignet, denn in den allermeisten Fällen möchte man mit ihnen ja allzu hartes Licht vermeiden, um porträtschmeichelnd auszuleuchten. Auch Studioblitze ohne passables Einstelllicht sind eher ungeeignet, weil man nicht erkennen kann, wohin exakt der Schatten fällt. Infrage kommen Spots als Dauerlichter oder Blitze, die eine besonders geschliffene Linse nutzen, um das Licht zu bündeln.

Aber es geht auch einfacher – und billiger: Viele moderne LED-Taschenlampen bieten ein sehr hartes Licht. Schon Kindertaschenlampen, die kleine Goboeinsätze besitzen, kommen infrage und bringen sogar schon Schatteneffekte mit, sofern man bereit ist, die ISO sehr hoch zu regeln – gerade diese Taschenlampen sind nämlich verhältnismäßig schwach. Eine weitere Option stellen Handytaschenlampen dar: Sie geben meist Licht, das hart genug und etwas stärker ist als das von Kindertaschenlampen. Ein weiterer Vorteil: Die Handytaschenlampe ist eigentlich immer griffbereit, selbst dann, wenn die Idee zu einem Foto mit Schatteneffekt spontan aufkommt. Wenn Sie Feuer für das Thema gefangen haben, lohnt sich auch die Suche nach einer entsprechenden LED-Version von beispielsweiese Led Lenser, Fenix oder dergleichen – am besten probieren Sie sie gleich im Laden oder im Baumarkt aus. Bei hellem Umgebungslicht können Sie gut beurteilen, ob Helligkeit und Härte/Bündelungsgrad ausreichen.

Styling zum Schatten
Der nächste Gedanke gilt, wie so oft in der inszenierten Menschenfotografie, dem Outfit und Make-up. Meistens soll es hier etwas ganz Besonderes sein, ein aufwendiges Styling, spezielles Make-up, ausgefallene Kleidung. Beim Thema Schatten sieht das aber plötzlich ganz anders aus, hier ist weniger mehr. Tolle Musterprints oder Faltenwürfe werden von den Schatten meistens überdeckt und kommen nicht gut zur Geltung. Auch eine auffällige Schminke, etwa mit aufgeklebten Pailetten, buntem Lidschatten oder Bemalungen harmoniert in aller Regel nicht mit dem Schatten. Das Bild wirkt dann schnell überfrachtet. Bleiben Sie also ganz schlicht und wählen ein einfaches Beauty-Make-up, einen schlichten Zopf und als Kostüm am besten ein einfarbiges, helles, beiges oder weißes Kleid, das wenig eigene Struktur mitbringt. Natürlich ist auch Akt eine gute Option, vor allem, wenn die Haut Tattoo-frei ist. Allerdings lassen sich kleinere Tattoos auch einfach mit Camouflage überdecken, so dass das eine oder andere Körperkunstwerk in den meisten Fällen kein Hindernis darstellt.

Wichtiger ist gerade bei enger geschnittenen Porträts die Haut des Models: Während man für gewöhnlich Unreinheiten leicht mit dem Ausbesserungstool eliminieren kann und unerwünschte Fältchen einfach wegstempelt, funktioniert dies mit einem Schattenelement schlechter. Durch das harte Licht werden Pickelchen leider auch stärker betont, selbst, wenn sie abgedeckt sind. Falls Ihr Model aber nun einmal unreine Haut aufweist oder Fältchen hat, die sie gerne wegretuschiert beziehungsweise gemildert haben möchten, achten Sie auf Folgendes: Der filigrane Schatten sollte nicht auf einen Bereich des Gesichts fallen, in dem sich Strukturen befinden, die größerer Bearbeitung bedürfen.

Schattenelemente
Nun braucht es selbstverständlich noch ein Schattenelement, also das Element, das den Schatten wirft. Generell ist der richtige Grad an Filigranheit entscheidend. Auch der Abstand zur Lichtquelle beziehungsweise zum Model spielt eine Rolle. Bei größeren Mustern ist es natürlich wichtig, dass sich das Model möglichst nah an dem Schattenelement befindet, damit das Muster überhaupt noch sichtbar wird. Im Folgenden stellen wir Ihnen einige geeignete Schattenelemente vor.

Jalousie
Jalousien sind echte Klassiker: Sie bieten einen streifigen Schatten, der zwar nicht ohne Zerstörung der Jalousie unterbrochen werden kann, aber in seiner Dicke durch Einstellen der Lamellen variabel ist. Jalousienschatten sind in der Regel kaum positionierbar, weil Jalousien an Fenstern fest angebracht sind. Da sie aber sehr günstig sind, können Sie auch einfach eine Jalousie kaufen, diese an einem Rahmen befestigen – seine Optik spielt keine Rolle, da es ja ohnehin nur um den Schatten geht – und sich so ein transportables und individuell positionierbares Schattenelement basteln.

Unser Beispielbild hingegen entstand recht spontan: Eigentlich war ein normales Homeshooting geplant. Das Badezimmer sollte nur zum Umziehen dienen – aber dann sahen wir den tollen Schatten …

 

Ketten
Ketten, vor allem Perlenketten oder, weniger aus dem Schmuckbereich, Metallketten, bieten ebenfalls einen sehr gleichmäßigen Schatten. Da man den Kettenschatten gut identifizieren kann, lassen sich damit ganz einfach Aussagen einbringen, etwa die Assoziation von „in Ketten liegen“, ohne dass tatsächliche Ketten oder Fesseln gezeigt werden. Eine Schwierigkeit von Ketten besteht darin, dass sie natürlich senkrecht hängen und damit bei leicht schrägem Licht oder schräger Pose des Models auch einen Schatten bilden, der schräg ist und unterschiedlich groß wirkt. Auch kann die Platzierung des Schattenelements erschwert werden – bei einem liegenden Model etwa kann es recht kompliziert werden, mit einer senkrecht baumelnden Kette als Schattenelement zu arbeiten – in dem Fall benötigen Sie einen Assistenten, der die Kette waagerecht(er) hält.

In unserem Beispiel kam eine besondere Kette zum Einsatz, und zwar eine Kette mit einem Schmetterlinganhänger. Wichtig war uns, dass der Anhänger recht filigran gestaltet war. Die Kette wurde nah an das Gesicht des Models gehalten. Besondere Beachtung verdient hier auch das Licht-Set-up: Aus dem Hintergrund wird das Model von einem warmen Licht getroffen, das von einem Baustrahler stammt. Ein wenig Tageslicht hellt das Bild insgesamt auf. Der Schatten wird durch eine Handytaschenlampe gestaltet.

 Model: Renée. Make-up-Artist: Eva Hinsken-Ebbing.

Model: Renée. Make-up-Artist: Eva Hinsken-Ebbing.

 

Untersetzer und Tortenböden
Tortenspitzen – meist sehr filigrane und reichlich verzierte ausgestanzte Papierunterlagen für Tortenböden – haben gleich mehrere Vorteile: Sie sind schön gemustert, sehr leicht und einfach positionierbar. Allerdings gibt es auch zwei Nachteile: Schräge Positionierungen funktionieren oft nicht gut, dafür ist das Papier zu dünn und klappt um. Außerdem lassen Tortenspitzen oftmals auch an den Stellen, die schattig sein sollen, zuviel Licht durch. Sie können dem Problem folgendermaßen entgegentreten: Ziehen Sie dünne Tortenspitzen nicht auseinander, sondern benutzen Sie sie mehrlagig. Kleben Sie sie gegebenenfalls zusammen. Auf diese Weise können Sie auch einen Stab oder einen Draht an der Tortenspitze befestigen und kreieren so ein wunderbar vielseitig einsetzbares Schattenelement. In manchen Dekoläden finden Sie auch gerüschte Untersetzer, gehäkelt oder aus Plastik. Auch diese bieten sich gut als Schattenelemente an. Wer den Schatten individueller gestalten möchte, kann natürlich auch selbst aus Pappe ein Muster ausschneiden. Am besten funktioniert das mit einem scharfen Skalpell, nicht mit der Schere. Achten Sie darauf, möglichst ordentlich zu arbeiten: Im Schatten fällt es sehr viel stärker auf, ob Ränder ausfransen oder ob sie exakt gearbeitet sind.

In unserem Bild kam ein Untersetzer zum Einsatz. Wir haben ihn so platziert, dass seine Mitte das rechte Auge des Models rahmt.

Model: Svenna. Make-up-Artist: Eva Hinsken-Ebbing.

Model: Svenna. Make-up-Artist: Eva Hinsken-Ebbing.

 

Metallgitter
Geschwungene Metallgitter finden Sie zum Beispiel an besonderen Zäunen oder Toren, oftmals auch im öffentlichen Raum, so etwa in Parks oder als Eingangspforten von Museen oder Schlössern, die besichtigt werden können. Ein Nachteil besteht natürlich in der senkrechten Fixierung. Allerdings lassen sich zumindest Tore durch Öffnen und Schließen ein wenig flexibler nutzen. Meistens muss sich das Model nahe am Metallgitter platzieren, damit der Schatten zur Geltung kommt. Da aber auch die Metallgitter selbst durchaus attraktiv wirken können, lässt sich hier gut aus der Not eine Tugend machen und das Gitter ins Bild integrieren. Vielleicht kann das Model sogar darauf Bezug nehmen, etwa indem es danach greift oder sich dagegen lehnt.

In unserem Bildbeispiel fällt der Gitterschatten auf eine Glasscheibe vor dem Model. Auch unser Model Chira bekommt etwas Schatten ab, allerdings ist er ein wenig zu weich, als dass der Effekt alleine ausreichen würde.

 Model: Chira Tane. Styling: Shalisari.

Model: Chira Tane. Styling: Shalisari.

 

Papier oder Pappe
Eine besonders einfache Variante für ein Schattenfoto: Ein Stück Pappe dient als Schattenelement und kann, wie in unserem Bildbeispiel, auch gleich als visuelles Element eingebunden werden. Der Schatten über dem Gesicht unseres Models ist nicht einmal sonderlich hart und akzentuiert – dafür fehlte beim Shooting eine geeignete Lichtquelle –, sondern stammt von einem Blitz, ausgestattet mit einem Fresnel-Lichtformer. Die Raffinesse gewinnt das Foto durch einen Regelverstoß: Anders, als eingangs empfohlen, wird der Schatten hier mit einem ausgefallenen Make-up kombiniert. Dies funktioniert allerdings nur, weil der Schatten sehr einfach gehalten ist, eine schlichte Halbmondform, die im Make-up wieder aufgegriffen wird.

Model: Esther. Support: Hans Blumenthal.

Model: Esther. Support: Hans Blumenthal.

Dekoration
Eine Vielzahl an Deko-Objekten eignet sich ausgezeichnet als Schattenelemente. Hierzu zählen zum Beispiel Weihnachtsdekorationen in Form von filigranen Schneeflocken oder Sternen, aber auch aus Draht gebogene Rosen, kunstvoll ausgeschnittene Fensterbilder, metallene Gartenstecker, Rankgitter, Windräder oder Deko-Käfige ergeben interessante Schatten. Kurz, alles, was einigermaßen leicht und durchbrochen wirkt, optimalerweise aber stabil genug ist, um in jeder Position seine Form zu behalten und zugleich leicht genug, um ohne Hilfsmittel positioniert werden zu können. In unserem Bildbeispiel kam ein Schmetterling aus Draht zum Einsatz. Er wurde so zwischen Model und Lichtquelle gehalten, dass seine Form nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist.

Model: Icethy. Support: Helmut Willmann.

Model: Icethy. Support: Helmut Willmann.

Lampe
Auch so funktioniert das Spiel mit Licht und Schatten: Wählen Sie eine Lampe, die selbst einen besonderen, spannenden Schatten produziert. Solche Lampen gibt es beispielsweise für Kinderzimmer, oft mit Dreheffekt. Auch orientalische Lampen, wie etwa die auf unserem Beispielbild, eignen sich sehr gut. Meistens muss das Model nah an der Lampe positioniert werden, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Im Falle einer schönen Lampe muss das aber kein Nachteil sein – auf diese Weise erschließt sich dem Betrachter sofort, woher der Schatten stammt und man hat zudem noch eine attraktive und atmosphärische Requisite im Bild. Lampenlicht weist oft eine etwas wärmere Farbtemperatur auf als das Umgebungslicht. So erklärt sich die leichte Blautönung in unserem Beispielbild: Der Weißabgleich war auf das Lampenlicht eingestellt. Auf Wunsch kann man den Blaustich eliminieren, etwa indem man in der selektiven Farbkorrektur aus den Grautönen ein wenig Blau entfernt und ein wenig Gelb, Rot und Schwarz beimischt. Alternativ kann man das Bild natürlich auch in Schwarz-Weiß konvertieren, sollte der Farbstich allzu auffällig sein und sich etwa bei sanften Farbübergängen schwer entfernen lassen.

 Model: Isabelle. Make-up & Hair: MounArt. Kostüm: Caftan Du Maroc. Support: Frank Aderhold.

Model: Isabelle. Make-up & Hair: MounArt. Kostüm: Caftan Du Maroc. Support: Frank Aderhold.