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Wer bessere Fotos machen möchte, sollte sich Zeit für eine Analyse nehmen. Denn eine Bildkritik ist immer das beste Mittel, um zu erkennen: Was ist schon richtig gut gelungen? Wo ist noch Luft nach oben? Auch die Analyse der Bilder anderer Fotografen ist ein guter Weg, um Fehler zu erkennen, aus ihnen zu lernen und seine Fotokunst zu verbessern.
von Benjamin Lemm
Geht es Ihnen auch so, dass Sie Ihre Fotos betrachten und mit dem Ergebnis nicht immer ganz zufrieden sind, aber nicht genau sagen können, woran es liegt? Oder bestaunen Sie die Fotos anderer Lichtbildkünstler und fragen sich, wie um alles in der Welt diese Leute es schaffen, so tolle Bilder zu kreieren?
Das muss nicht so bleiben: Eine Bildkritik hilft Ihnen dabei, die Stärken und die Schwachpunkte Ihrer Fotos zu identifizieren und Fehler auszumachen. Und aus diesen Fehlern wiederum können Sie lernen, denn nun wissen Sie, wie Sie es beim nächsten Mal besser machen. Der folgende Leitfaden zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Fotos gekonnt analysieren und dadurch dazulernen, sodass Sie Schritt für Schritt zu einem noch besseren Fotografen werden.

Unklares Motiv: Die fokussierten Blüten sind ein schönes Motiv, gehen allerdings in der Gesamtheit dieses Bildes ein wenig unter. Zwar heben sich die weißen Blüten vor dem grünen Hintergrund recht deutlich ab, sind aber insgesamt zu klein, um den Blick wirklich auf sich zu lenken. Hier hätte man ein wenig näher an das Objekt herantreten können, um die Blüten größer darzustellen. Auch hätte man so die etwas störenden Zweige im rechten oberen Bildrand vermieden.
Gute Fotos, schlechte Fotos
Was ist überhaupt ein „gutes Foto“? Wie Sie sich denken können, ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Tatsächlich gibt es hierauf wahrscheinlich keine zu 100 Prozent richtige Antwort und im Grunde liegt diese ganz im Auge des jeweiligen Betrachters. Fotografischer Geschmack spielt bei der Bewertung sicherlich eine zentrale Rolle. Deswegen ist es auch wichtig, dass Sie sich im ersten Schritt erst einmal bewusstmachen, was Ihnen überhaupt gefällt und was nicht. Vielleicht haben Sie ja schon eine Vorstellung von Ihren fotografischen Vorlieben. Wenn nicht, stöbern Sie einfach mal im Internet, schauen Sie sich die Werke anderer Fotografen an und sammeln Sie, was Ihnen gefällt. Mit der Zeit wird sich ein Muster herauskristallisieren und Sie werden zumindest eine ungefähre Vorstellung davon haben, was gute Fotos für Sie sind. Abgesehen vom subjektiven Geschmack kann man sich aber darauf einigen, dass es gewisse Merkmale gibt, auf die die meisten Betrachter positiv reagieren. Vieles davon hat mit den Regeln der Bildkomposition zu tun. Denn ob ein Foto nun „funktioniert“ oder nicht, lässt sich auch anhand von Gesetzen wie zum Beispiel der Drittelregel oder dem goldenen Schnitt festmachen. Mehr zu den Regeln der Bildkomposition lesen Sie in Ausgabe 3/2022 von Pictures.
Aber auch, wenn der Betrachter diese Regeln nicht kennt, haben wir Menschen doch ein sehr verlässliches Empfinden für Ästhetik. Wenn uns ein Foto nicht gefällt, wissen wir das oft, bevor wir überhaupt sagen können, wieso. Und hier kommt die Bildkritik ins Spiel.

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Vorsicht vor der Bildmitte: Die Person als Hauptmotiv sowie die Dünen und der Himmel im Hintergrund geben ein gutes Bild ab. Allerdings wirkt die Person in der Mitte des Bildes ein wenig verloren und ist im Vergleich zum Rest des Fotos auch recht klein geraten. Spannender wäre hier vielleicht gewesen, wenn der Mann auf einer der Drittellinien, also etwas weiter links oder rechts platziert worden wäre und ein wenig näher an der Kamera stünde, sodass er größer erscheint. Durch die Anwendung der Drittelregel bekommen Fotos zusätzliche Dynamik und wirken insgesamt spannender, als wenn das Motiv genau in der Mitte platziert wird.
Die Bildkritik
Wählen Sie ein paar Ihrer Bilder, betrachten und kritisieren Sie sie. Hier genügt es nicht, einfach nur festzustellen, dass ein Bild „gut“ oder „nicht gut“ ist. Konkretisieren Sie diese Bewertung. Woran liegt es, dass Ihnen ein Foto nicht gefällt? Ist es die technische Umsetzung? Vielleicht ist das Motiv etwas unscharf oder das Foto falsch belichtet. Oder liegt es daran, dass der Bildaufbau in sich nicht stimmig wirkt? Sind es die Farben oder störende Bildelemente, die ein gewisses Unbehagen in Ihnen erzeugen?
Und wenn es ein gutes Foto ist – warum ist das so? Was macht das Bild aus? Warum funktioniert die Komposition? Erst wenn Sie konkret benennen, was in einem Foto funktioniert und was nicht, können Sie daraus die richtigen Schlüsse für Ihre weiteren Werke ziehen.
Nehmen Sie sich in jedem Fall jede Menge Zeit für ein Foto und tauchen Sie intensiv in den Prozess ein. Wie bei allem erfordert eine Bildkritik dabei natürlich einiges an Übung und es kann durchaus anstrengend sein, seine Bilder aktiv zu analysieren, anstatt sie nur auf sich wirken zu lassen. Aber die Anstrengung lohnt sich, denn eigentlich lässt sich aus jedem Foto etwas lernen und am Ende sind Sie wieder ein kleines Stückchen schlauer als zuvor.
Bleiben Sie dabei sachlich und seien Sie ehrlich zu sich selbst. Es nützt nichts, sich ein Bild schönzureden, denn dann lernen Sie nichts dabei.

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Ungerade Linien, starker Farbstich: Verzeichnungen wie hier sind in der Architekturfotografie ein großes Problem. Auf diesem Foto sieht es so aus, als ob sich die Gebäude zur Bildmitte hin neigen, dabei lässt sich dies in Photoshop und Co. im Nachhinein relativ schnell ausgleichen. Stattdessen hat der Fotograf es hier in der Nachbearbeitung mit den Zyan-Tönen in den Schatten des Bildes etwas übertrieben, sodass ein recht künstlicher Look entsteht, der das Bild unnatürlich wirken lässt. Was lernen wir daraus? Bei der Fotografie von Architektur sollte man sich nicht scheuen, ungerade Linien nachträglich zu korrigieren. Auch ist in der Bildbearbeitung weniger oft einfach mehr.
Zeitlicher Abstand
Manchmal sieht man das Bild mit ein bisschen zeitlichem Abstand noch einmal mit anderen Augen. Gerade, wenn man das Foto vor Kurzem erst geschossen hat und die Erinnerung an die Location noch frisch ist, neigt man schon einmal dazu, das Foto vor dem inneren Auge zu ergänzen. Oder man hat (noch) eine zu starke, emotionale Bindung zu ihm. Man will einfach, dass es ein gutes Foto ist. Nach einigen Tagen oder Wochen legt sich dieses Gefühl und Sie können Ihr Werk sehr viel neutraler beurteilen.
Schauen Sie doch auch mal auf die Bilder, die Sie vor einigen Monaten gemacht haben. Sie werden feststellen, dass sie diese jetzt möglicherweise ganz anders wahrnehmen als damals. Vielleicht fragen Sie sich im Nachhinein, was Sie sich bloß bei diesem Foto gedacht haben. Oder Sie sind überrascht, was Ihnen schon damals für eine tolle Aufnahme gelungen ist.
Analysieren Sie auch die Fotos Ihrer Lieblingsfotografen auf diese Art und Weise. Was macht diese Bilder in Ihren Augen so gut? Können Sie dies für sich nutzen und auf Ihre eigenen Aufnahmen übertragen?

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Gelungene Komposition: Ein sehr positives Beispiel für ein gelungenes Bild. Der Schmetterling auf der Astspitze wurde im goldenen Schnitt platziert und kommt so besonders gut zur Geltung. Der Kontrast zwischen dem dunklen Orange der Flügel und den hellen Farben der Blüten und des Himmels verstärkt diesen Effekt zusätzlich. Insgesamt wirkt das Bild sehr harmonisch und angenehm.
Bildkritik in der Gruppe
Um noch mehr Feedback zu bekommen und verschiedene Ansichten und Geschmäcker kennenzulernen, wirkt eine Bildkritik in der Gruppe wahre Wunder. Denn oftmals sehen andere Menschen Dinge, die man selbst in seinen Fotos gar nicht wahrnimmt, weil man sozusagen „betriebsblind“ ist. Auch deswegen sind gemeinsame Bildbetrachtungen zum Beispiel in vielen Fotoclubs Teil der Routine. Man betrachtet die geschossenen Fotos gemeinsam, tauscht sich aus und befruchtet sich so gegenseitig in technischen und kreativen Fragen.
Am besten für eine Bildkritik in der Gruppe eignen sich Gruppen mit anderen Fotografen, denn diese beschäftigen sich eben intensiver mit der Kunst an sich und können wahrscheinlich konkreteres Feedback geben als Nicht-Fotografen. Wenn Sie nicht in einem Fotoclub aktiv sind, haben Sie ja vielleicht Freunde oder Bekannte, die sich ebenfalls mit Lichtbildkunst beschäftigen. Mit ihnen können Sie sich über Ihre Aufnahmen austauschen.
Aber auch Freunde und Familie ohne fotografischen Hintergrund können Ihnen Hinweise darauf geben, ob ein Foto gelungen ist oder nicht. Die subjektive Meinung eines „Laien“ sollte man nicht allzu leichtfertig abtun, denn oftmals ist etwas Wahres dran, wenn eine Aufnahme nicht gefällt. Und mit den richtigen Fragen kann man auch auf die entsprechenden Antworten stoßen.
Achten Sie stets auf einen konstruktiven und sachlichen Austausch, wenn es um die Bildkritik geht. Werden Sie nie persönlich, wenn Sie die Bilder von anderen kritisieren. Und nehmen Sie umgekehrt Kritik nicht persönlich. Es sollte einzig und allein darum gehen, sich zu verbessern und aus seinen Fehlern zu lernen.

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Eine Frage des Bildausschnitts: Es heißt zwar „Vordergrund macht Bild gesund“, in diesem Fall jedoch stört der Vordergrund in der Unschärfe eher, als dass er dem Bild nützt. Auch hält der Fotograf die Kamera ein wenig schräg, sodass Big Ben und die anderen Gebäude nicht ganz gerade stehen – ein eher unangenehmes Gesamtbild. Auch ist das House of Parliament am linken Bildrand ungünstig abgeschnitten, sodass ein Turm nur halb zu sehen ist. Die Lehren aus diesem Bild: 1. Den Vordergrund mit Bedacht wählen. 2. Die Kamera beim Fotografieren gerade halten, sodass die vertikal und horizontal verlaufenden Linien auch im Bild so dargestellt werden. Eine Begradigung ist auch nachträglich in der Bildbearbeitung möglich. 3. Den Bildausschnitt so wählen, dass Objekte am Bildrand entweder komplett zu sehen sind oder gar nicht.
Gelerntes umsetzen
Die ganze Analyse nützt natürlich nichts, wenn Sie die gewonnenen Erkenntnisse bei Ihrem nächsten Fotoausflug nicht auch umsetzen. Informieren Sie sich eingehend über den Bereich, in dem Sie sich verbessern wollen. Suchen Sie im Internet nach entsprechenden Tutorials, schauen Sie sich Youtube-Videos an oder lesen ein Buch zu Ihrem Problembereich. Oder durchstöbern Sie einmal unsere Pictures-Magazine – das eine oder andere Thema haben wir sicherlich schon aufgegriffen. Und wenn Sie wissen, wie Sie es besser machen – setzen Sie es in Ihren nächsten Fotos um.
Nehmen Sie sich aber nicht allzu viel auf einmal vor, sondern arbeiten zunächst einmal an einem Bereich. Stellen Sie sich gezielt Aufgaben und arbeiten Sie Stück für Stück an Ihren Schwächen. Sie wollen zum Beispiel Ihre Fähigkeit in der Bildkomposition verbessern, weil Sie in der Bildkritik diesbezüglich Schwächen ausgemacht haben? Suchen Sie sich eine der Bildkompositionsregeln heraus und üben Sie, diese in Ihre Fotos zu integrieren. Haben Sie Probleme mit der richtigen Belichtung, legen Sie den Fokus vor allem auf diesen Bereich der Fotografie. Erinnern Sie sich beim Fotografieren daran, was Sie bei der Bildkritik gestört hat und machen Sie es besser. So können Sie Ihre Fotografie-Fähigkeiten gezielt verbessern und entwickeln sich mit der Zeit zu einem Meister Ihrer Kunst.

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Störende Bildelemente: Die Mauer im Vordergrund verleiht dem Bild zusätzliche Tiefe und setzt es in einen Kontext: Offensichtlich steht der Fotograf in erhöhter Position auf dem Festland und möchte auch genau das zeigen. Verwirrend ist allerdings das Objekt in der Mitte am rechten Bildrand, das auf den ersten Blick wie eine Insel im Wasser aussieht, aber eigentlich so etwas wie eine Lampe über der Mauer zu sein scheint. Durch eine andere Perspektive hätte man die Lampe aus dem Bild entfernt. Wichtig sind hier vor allem die Mauer im Vordergrund, das Meer und die Felsformation, die das Hauptmotiv des Bildes darstellt. Alle weiteren Elemente lenken ab und stören die Harmonie des Bildes. Das Learning an dieser Stelle: Weniger Bildelemente sorgen für einen klareren Bildaufbau und somit für schönere Bilder.
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