Neues Leben für alte Familienfotos

Immer noch Winter und es ist ungemütlich beim Fotografieren. Die perfekte Zeit, um sich nochmal alten Fotos zu widmen. Wie Sie schwarz-weiße Familienfotos ganz einfach mit Gimp neu kolorieren können, haben wir für Sie ausprobiert.

von Paul Schulz

Der staubbedeckte Karton mit den Familienfotos wird bei uns jedes Weihnachten aufs Neue vom Schrank gewuchtet. Zwischen den unsortierten Urlaubsfotos blicken uns von den Bildern immer wieder Menschen an, die ich nicht mehr kennenlernen konnte; Urgroßeltern oder Tanten und Onkel dritten Grades sowie deren Freunde.  Ganz schön trostlos sehen die Fotos meistens aus: Schwarz-Weiß oder Sepia, immer mehr verblassend. Was wäre schöner, als die Menschen von den Fotos nochmal in Farbe „kennenzulernen“ oder den Urlaub, der schon so lange zurückliegt, noch einmal zu erleben?

Was früher in aufwendiger und langwieriger Handarbeit gemacht werden musste, geht mit manchen Programmen, die mit Künstlicher Intelligenz arbeiten, inzwischen mit wenigen Mouseclicks. Auch Adobe Photoshop bietet einen „Neuralen Filter“ mit dem Namen „Farbe“, um alte Schwarz-Weiß-Fotos einzufärben. Per Mouseclick erkennt Photoshop automatisch Bildelemente, wie Kleidung, Gesichter oder Landschaften und fügt ihnen entsprechende Farben zu, die sich im Nachhinein noch anpassen lassen. Neben Photoshop gibt es auch noch Programme, die allein zu dem Zweck, alte Fotos zu kolorieren, entwickelt wurden.

Doch nicht jeder möchte ein Abonnement bei Adobe abschließen oder sich ein Kolorierungsprogramm kaufen. Wie Sie auch mit kostenlosen Programmen wie GIMP (www.gimp.org) alten Fotos neuen Glanz verleihen können, haben wir für Sie ausprobiert.

Schritt 1: Digitalisieren

Als Erstes sollten Sie die Bilder, die Sie kolorieren wollen, einscannen oder einfach abfotografieren. Dabei können auch die Negative von Bildern problemlos eingescannt werden und später, in GIMP, zu Positiven umgewandelt werden. Je höher die Auflösung des eingescannten Bilds, desto mehr Freiheit haben Sie in der Bearbeitung.

Zwar ist das Kolorieren der Fotos nicht annähernd so aufwendig wie früher, wenn Sie aber kein Programm haben, das die Bilder automatisch einfärbt, sollten Sie bereits jetzt eine Bildauswahl treffen. Für den Start eignen sich Porträts vor einem einfachen Hintergrund am besten. Häufig gibt es in diesen Aufnahmen relativ wenige Farben. So können Sie schneller Ihr erstes Ergebnis bestaunen.

Schritt 2: Bilder bereinigen

Öffnen Sie das Bild in GIMP. Nun sollten Sie, falls vorhanden, Kratzer oder Staubkörner von dem Bild entfernen. Das erledigen Sie mit dem Klon-Stempel-Werkzeug in wenigen Schritten. Hierzu wählen Sie das Werkzeug aus und stellen die Größe ein. Ein Pinsel mit mittlerer Härte (zwischen 50 und 75) stellt sicher, dass keine harten Kanten um den Stempel sichtbar sind.

Wählen Sie jetzt mit durchgedrückter STRG-Taste eine Region, die als Quelle dienen soll. Wenn Sie die Taste nun loslassen, können Sie Staubkörner und Kratzer auf dem Bild übermalen und diese so entfernen. Zoomen Sie mit dem Mouserad und gedrückter STRG-Taste näher an das Bild heran, wenn Sie kleinere Details bearbeiten wollen. Perfekt wird das Ergebnis allerdings nie werden – damit die alten Aufnahmen Ihren Charme behalten, sind einige Makel nicht weiter schlimm.

Schritt 3: Referenzfoto

Damit Sie beim Kolorieren nicht lange nach den passenden Farben suchen müssen, können Sie sich, zum Beispiel im Internet, ein Referenzfoto suchen. So können Sie später über die Pipette die richtigen Farbtöne direkt aus anderen Bildern übernehmen. Achten Sie hierbei darauf, dass die Referenzfotos bei ähnlichem Licht geschossen wurden, sodass die Farbtöne realistisch aussehen. Öffnen Sie das Referenzfoto dafür in GIMP und wählen Sie aus dem Referenzfoto mit dem Werkzeug „Pipette“ beispielsweise einen Hautton. Sobald Sie per Linksklick auf das Bild klicken, wird die Farbe als Vordergrundfarbe gespeichert.

Schritt 4: Farbebenen

Öffnen Sie nun das Foto, das Sie kolorieren wollen und erstellen Sie eine neue Ebene. Es öffnet sich ein kleines Optionsfenster: Wechseln Sie hier den Modus (dritte Einstellung von oben) zu „HSL-Farbe“. Für die Füllung (unterste Einstellung) wählen Sie die Option „Vordergrundfarbe“.

Jetzt sehen Sie den vorher gewählten Hautfarbton, der über Ihr Bild gelegt ist. Das Ergebnis sollte mit dem Hautton somit sepiafarben aussehen.

Schritt 5: Ebenenmasken

Damit allerdings nur die Haut den entsprechenden Farbton erhält, müssen Sie die Farbe vom Rest des Bildes „entfernen“. Dazu nutzen Sie die Ebenenmasken. Um diese zu aktivieren, klicken Sie mit der rechten Mousetaste auf die grade erstellte Farbebene und wählen Sie die Option „Ebenenmaske hinzufügen … “. Im erschienenen Dialogfenster wählen Sie die Funktion „Schwarz (volle Transparenz)“ und klicken „hinzufügen“ – die Farbe verschwindet aus dem Bild.

Schritt 6: Farbe malen

Klicken Sie auf Ihrer Tastatur auf die Taste „D“. Die Primärfarben von GIMP werden sich auf Schwarz und Weiß zurückstellen. Mit diesen werden Sie nun auf der Ebenenmaske der Farbebene „malen“. Schwarz bedeutet dabei „Unsichtbar“ und Weiß bedeutet „Sichtbar“. Malen Sie also mit dem Pinselwerkzeug (Tastaturkürzel: P) und der Farbe Weiß alle Hautpartien der Person aus. Verstellen Sie dabei ruhig die Pinselgröße (Tastaturkürzel: STRG + ALT + Mouserad) sowie die Härte des Pinsels nach Belieben. Wenn Sie Fehler machen und sich „vermalen“, können Sie den Fehler einfach mit der Farbe Schwarz übermalen, diese funktioniert auf der Ebenenmaske wie ein Radiergummi. Lassen Sie sich für diesen Schritt ruhig viel Zeit, da auch kleine Details eine große Wirkung haben können.

Schritt 7: Wiederholen

Wiederholen Sie die Schritte 4 bis 6 für Hintergrund, Augen, Kleidung und allem, das sich noch auf dem Bild befindet. Auch hier kann es helfen, wenn Sie Referenzbilder nutzen, beispielsweise für die Farbe von Bäumen, Blumen oder Wänden. Besonders hilfreich kann es sein, wenn man ein Kleidungsstück von den Urgroßeltern im Schrank entdeckt und mit dem kolorierten Bild dann der Realität einen Schritt näherkommt. Fürchten Sie sich aber auch nicht davor, einem Kleidungsstück selbst die Farbe zuzuschreiben. Bei der Farbauswahl sind Ihrer Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Schritt 8: Exportieren

Am Ende sollten Ihre Ebenen etwa so aussehen (Beispielbild). Falls es im Bild besonders viele Farben gibt, kann es helfen, den Ebenen bestimmte Namen zuzuschreiben, damit Sie den Überblick nicht verlieren. Klicken Sie oben links auf „Datei → Exportieren nach … “; als Dateityp wählen Sie am besten „JPG“.

Falls es die Qualität des Fotos erlaubt, können Sie die exportierten Bilder noch etwas nachbearbeiten und kleine Sättigungs- und Schärfeneinstellungen vornehmen. Die fertigen Bilder sind nicht nur digital auf Ihrer Festplatte gesichert und zerknicken nicht beim nächsten Umzug, sondern sind ein echter Hingucker bei der nächsten Familienfeier. Statt den staubigen Karton, holen Sie dann vielleicht Ihren Laptop hervor und präsentieren farbige Erinnerungen.

Der einfache Weg – Adobe Photoshop

Wenn Sie eine aktuelle Version von Photoshop nutzen können Sie es sich etwas bequemer machen. Denn Photoshop bietet inzwischen einen eigenen „Neuralen Filter“ für die Kolorierung von Schwarz-Weiß-Fotos. Öffnen Sie dafür Ihr Foto in Photoshop und wählen Sie unter „Filter“ die Option „Neural Filters“. Es öffnet sich ein kleines Fenster, indem Sie verschiedene Filter downloaden können. Downloaden Sie den Filter „Färben“ aus der Adobe Cloud und legen Sie den Schalter um. Nach einem kleinen Moment präsentiert Ihnen Photoshop das kolorierte Bild – zusätzlich können Sie direkt im Filtermenü einige Farbkorrekturen durchführen, um das Bild zu verbessern.

Falls ein Kleidungsteil nicht korrekt gefärbt ist und Sie eine andere Farbe wünschen, können Sie auch eigene Farben für von der Photoshop-KI erkannten Objekte setzen. Klicken Sie dafür im Färben-Menü in das Vorschaufenster, dann setzt Photoshop sogenannte „Fokuspunkte“. Unter dem Bild können Sie dann die Farbe bestimmen.

Hinweis: Sollte das nicht klappen, stellen Sie sicher, dass der Bildmodus auf RGB-Farben gestellt ist, und nicht auf Graustufen.