Die Berliner Fotokünstlerin und Make-up-Artistin Ulrike Burrmann, bekannt unter dem Pseudonym „Rekii“, fotografiert sich immer wieder selbst. Die Palette reicht vom klassisch-eleganten Porträt bis zur spektakulär-fantasievollen Inszenierung. Bei der Entscheidung für die Form der Präsentation spielen ganz unterschiedliche Aspekte eine Rolle.
von Jamari Lior
© Fotos Rekii / Ulrike Burrmann
Narzissmus oder Selbstreflexion? Kritische Auseinandersetzung oder einfache Strategie? Das Selbstporträt kann vieles sein – und es ist keineswegs eine neue Erscheinung: Schon in der Antike stellten Künstler sich selbst dar. So zum Beispiel soll der Bildhauer Phidias sich auf dem Schild der Statue der Athena Parthenos selbst abgebildet haben. Spätere Künstler haben auf ihren Gemälden ihr Gesicht oft in die Gesichtszüge namenloser Personen geschummelt. Genug Selbstbewusstsein für ein eigenständiges Porträt hatte als erster Albrecht Dürer, der sich selbst in Jesus-Manier darstellte. Auch der Maler Rembrandt wurde unter anderem durch Selbstporträts bekannt – und natürlich für eine bestimmte Art der Lichtsetzung, durch die ein Lichtdreieck unter dem lichtabgewandten Auge und damit besondere Spannung entsteht. Rembrandt porträtierte sich nicht nur, sondern inszenierte sich in verschiedenen Rollen, so zum Beispiel als Apostel Paulus.
Auch die Fotografie kannte von Beginn an das Genre des Selbstporträts: Eine Daguerreotypie von Robertus Cornelius aus dem Jahr 1839 gilt als erstes fotografisches Selbstporträt. Besonders bekannt für dieses Genre wurde die Amerikanerin Cindy Sherman, die sich selbst in zahlreichen Rollen inszeniert und deren Bilder zum Teil wie Filmstills wirken. Sie wurden häufig als Gender-Statement interpretiert. Sherman selbst aber betont, dass sie Freude an dieser Art der Fotografie habe und gerne die Kontrolle über den Entstehungsprozess und sein Ergebnis behalten möchte. In diese Fußstapfen tritt auch Rekii mit ihren Werken.
Mehr als ein Selfie
Wenn Rekii über ihren fotografischen Werdegang spricht, haben Selbstporträts in dieser Geschichte einen besonderen Stellenwert. Zu Beginn waren sie für Rekii, die auch fantastische Make-ups erstellt, ein sinnvolles Mittel, ebendiese Looks festzuhalten. „Es war manchmal einfach zu mühsam für mich, dafür Shootings zu organisieren, zumal meine Kreativität oft sehr impulsiv funktioniert“, erläutert sie. „Meine damaligen Stammfotografen waren meistens nicht so spontan und wohnten auch nicht in meiner näheren Umgebung. Da musste ich mir was einfallen lassen.“
Später ging es Rekii nicht mehr nur darum, Ästhetik festzuhalten. Kreativität wird maßgeblich beeinflusst durch Lebensumstände und durch alles, was den Menschen emotional beschäftigt. So kam es, dass Selbstporträts auch immer öfter ein Mittel für Rekii wurden, um sich mit bestimmten Themen auseinanderzusetzen. „Das Schöne dabei ist, dass es für den Betrachter nicht immer eindeutig ist, worum es in einem Selbstporträt geht“, erklärt die Fotografin. „Es kann für die Künstlerin zutiefst persönlich sein, aber das muss sich nach außen nicht immer zeigen.“
Wie alle Bilder beinhalten Selbstporträts eine gewisse Ambiguität: Spielt die Künstlerin eine Rolle? Zeigt sie ihr wahres Ich, ihre Träume oder Ängste? Der Betrachter kann diese Fragen nie mit Sicherheit beantworten. Stets eröffnet sich ein großer Interpretationsspielraum. Ein Selbstbildnis, das für die Künstlerin einen bestimmten Abschnitt in ihrem Leben versinnbildlicht, kann für den Betrachter einfach ein hübsches Foto sein oder eine ganz andere Bedeutung tragen. So kommuniziert sie einerseits sehr stark über sich selbst, lässt aber andererseits auch vieles im Geheimen …
Mehr Selbstbewusstsein durch Selbstporträts
Nicht jeder mag sich für ein geborenes Model halten – warum sollte man sich dennoch vor die Kamera stellen? „Ich weiß, dass nicht jeder so viel Selbstbewusstsein hat, um sich vor eine Kamera zu werfen – auch wenn es die eigene ist“, meint Rekii. „Natürlich kenne ich das auch! Aber genau da können wir ansetzen, denn: Schöne Fotos von sich selbst sind Balsam für die Seele! Und da will ich auch direkt ganz ehrlich sein. Fotos, die mich so darstellen, wie ich wirklich aussehe, mit allen Ecken und Kanten, haben keinen besonders großen Reiz für mich! Ich möchte meine Vorzüge hervorgehoben sehen, also das, was ich an mir selbst schön finde. Ich möchte in andere Rollen schlüpfen. Und ich möchte ein idealisiertes Bild von mir selbst sehen, denn das ist schließlich auch das, was die inszenierte Fotografie ausmacht und warum ich mein Herz an sie verloren habe.“
Was nicht schön ist, wird schön gemacht: Bei Selfies können natürlich das Make-up, besondere Kostüme und Bearbeitungs-Apps sowie Filter helfen, das Bild näher an die Vorstellung zu rücken. Rekii scheut sich nicht, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen: „Das ist auch keine Schande, denn wir sprechen hier ja auch von künstlerischen Stilmitteln. Ich weiß natürlich, dass ich in echt nicht so perfekt aussehe wie auf den Fotos. Aber: Ich bin mit mir im Reinen! Und zwar genau aus folgendem Grund: Ich weiß, dass ich auf meinen Fotos so aussehen KANN, wie ich es mir vorstelle! Und ich bin überzeugt: Das kann jeder für sich erreichen.“
Ein Wechsel der Perspektive
Wie fühlt sich eigentlich die andere Seite an, wie ist es, vor der Kamera zu stehen? Gerade als Fotograf im Bereich Menschenfotografie ist es viel wert, zu wissen, wie man sich als Modell, also auf der anderen Seite der Kamera fühlt. Rekii ist überzeugt davon, dass sie dieses Wissen auch zu einer besseren Dienstleisterin macht. Das Gefühl, das man spürt, sobald man quasi „nackt und verletzlich“ vor der Kamera steht, wie unsicher man beim Posing ist, wieviel Sorge man hat, ungünstig getroffen zu werden – dies zu wissen stärkt das Einfühlungsvermögen des Fotografen und hilft dabei, dem Model mehr Verständnis entgegenzubringen und bessere Anweisungen zu geben: „Deshalb sollte wirklich jeder Fotograf diesen Perspektivwechsel zumindest ausprobiert haben.“
Ulrike Burrmann / Rekii
© Photogravity Milena A.rt
Rekii arbeitet als selbstständige Fantasy-Fotografin in Berlin und ist spezialisiert auf fantasievolle Verwandlungen mit Fokus auf Make-up und Kostüme. Der Weg dorthin war keineswegs vorgezeichnet. „Von einem kreativen Beruf kann man nicht leben, mach‘ was Vernünftiges“ hatte sie sich als junge Frau oft anhören müssen und fühlte sich bei der Berufswahl lange recht verloren. Im Nachhinein entpuppte sich das aber als Glück, denn so konnte sie in ihrem Leben schon vielfältige andere Berufserfahrung sammeln, beispielsweise im Sozial- und Gesundheitswesen, in der Gastronomie, im Verkauf und in vielen weiteren Bereichen, die ihr heute in der Selbstständigkeit nützen.
Die Liebe zur Fotografie begann jedoch früh: Durch Zufall landete Rekii mit 18 Jahren als Model vor der Kamera eines Bekannten. Daraus wurde ein Hobby. Rasch arbeitete sie sich in die Bildbearbeitung ein, da ihre damaligen Fotografenkollegen oft kein Interesse an diesem Feld hatten. Durch ihre Erfahrung im Styling wurde sie immer häufiger gefragt, ob sie auch andere Modelle schminken und frisieren könnte. So begann die Arbeit hinter der Kamera. Bald kam auch die praktische Fotografie hinzu.
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