Reflexionen und Spiegelungen

„Spieglein, Spieglein an der Wand, Requisite für schönste Fotos im Land“ möchten wir angesichts dieser Bilder den Zauberspruch aus dem Märchen abwandeln. Aber nicht nur Spiegel vermögen einzigartige (Spiegel-)Bilder zu erzeugen. Tauchen Sie mit uns ein in die wunderbare Welt der Reflexionen.

von Jamari Lior
© Fotos Jamari Lior

 

Der Blick in eine Fensterscheibe, eine Pfütze, eine Autoscheibe, ein schemenhafter Umriss, ein Bild, das in sein Abbild übergeht: Reflexionen bieten ein wundervoll skurriles Bildthema.

Der Blick über den Spiegel
Eine Person schaut Sie an, jedoch nicht direkt, sondern nur durch den Spiegel. Das Spiegelbild wirkt präsenter und „echter“ als die reale Person vor dem Spiegel. Fast kann hieraus eine philosophische Bildaussage gelesen werden. Für ein solches Motiv benötigen Sie einen möglichst exakt spiegelnden Spiegel, über den sich die Augen des Models gut fokussieren lassen, auch wenn Sie in einer gewissen Schräge fotografieren. Meistens sind das teurere, schwerere Spiegel. Achten Sie beim Fotografieren darauf, dass das Model auch im Raum selbst, also nicht reflektiert zu sehen ist, sonst versteht der Betrachter den Spiegel-Effekt gar nicht. Daher spielt folglich auch das ungespiegelte Bild der Person eine wichtige Rolle. So können Sie je nach Winkel eine Profil- und eine Frontalansicht des Models fotografieren. Sollten Sie eher eine frontalere und eine Rückenansicht aufnehmen, achten Sie darauf, dass Frisur und Kostüm sowohl von vorne als auch von hinten gut aussehen. Bei Modelshootings wird hier oft getrickst: Am Rücken steckt eine riesige Klammer im Kleid, damit es sitzt, und in der Frisur ein dickes Haarkissen sowie unzählige unattraktive Haarklammern.

Das Model schaut bei diesen Aufnahmen über den Spiegel in die Kamera. Sollte sich diese jedoch relativ nah am Spiegel befinden, muss das Model „durch die Kamera hindurchschauen“ oder ganz nah an der Kamera vorbeiblicken und einen Punkt im Hintergrund fixieren, um nicht zu schielen.

 

 

Bezugnahme
Lassen Sie Ihr Model Bezug auf die reflektierende Fläche nehmen: Es kann den Spiegel oder die Fensterscheibe berühren oder die Hand ganz sanft auf die Wasserfläche legen. Auf die Weise entsteht oft eine besondere Spannung im Bild: Der Betrachter gewinnt den Eindruck, dass der Mensch sein Abbild erkennt, Bezug darauf nimmt, selbstverliebt oder sich ablehnend, dass er versteht oder doch nicht so recht begreift. Im Falle von Glasscheiben entsteht eine andere Assoziation: Die Bezugnahme auf das Glas macht dieses noch präsenter und dem Betrachter wird klar: Hier befindet sich ein abgetrennter Raum, eine Grenze, und sei diese noch so unsichtbar. Es kann die Assoziation von einem gläsernen Gefängnis entstehen. Zugleich ergibt sich auch eine witzige Situation, die in der englischen Sprache deutlicher wird als auf Deutsch: Im Englischen würde man wörtlich übersetzt sagen, dass eine Person „im“ Foto ist, nicht „auf dem“ Foto wie im Deutschen. Das „Im-Foto-Sein“ wird durch diese Art von „Glasbildern“ betont. Es wirkt, als würde die Person auf die Trennung zwischen Realtiät und zweidimensionalem Bild aufmerksam machen.

 

Lesen Sie hier weiter …