Bei allen großen Sportereignissen, ob Bundesliga, Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele, sind sie allgegenwärtig: die Profifotografen mit den langen Tüten. Warum Teleobjektive auch für ambitionierte Fotoamateure ein Must-have sind, beleuchten wir in diesem Beitrag ein wenig näher.

von Wolfgang Baus © Fotos Wolfgang Baus

Seitdem ich mich für die Fotografie interessiere, faszinieren mich die Profifotografen bei Großsportereignissen – mehr sogar, als die Akteure auf dem Rasen. Sie sitzen dort in der ersten Reihe direkt am Spielfeldrand und halten die „Ofenrohre“ mit den Logos der Kamerahersteller werbewirksam in die Fernsehkameras, während sie ihrer Arbeit nachgehen. Meistens waren es die Schriftzüge von Canon und Nikon, die dort zu sehen waren, denn vor allem diese beiden Unternehmen buhlten – und tun das heute noch – um die Gunst der akkreditierten Fotografen, indem sie ihnen eben genau jene Superobjektive zur Verfügung stellen, die sie für ihre Arbeit brauchen. Inzwischen hat sich ein Unternehmen wie Sony zu den Anbietern von Superteleobjektiven gesellt und buhlt seinerseits. Allerdings werden Amateurfotografen eines jener 10.000 bis 15.000 Euro Objektive wohl nie in die Hand bekommen, denn diese sind im besten Fall mal auf einer Messe zu sehen, aber beim Händler nur auf Bestellung zu bekommen.

Für unsereins und den Hausgebrauch reichen meistens aber auch die günstigeren Varianten oder die oft sehr universellen Zoomobjektive. Um die richtige Auswahl zu treffen, sollten wir aber erst einmal überlegen, wofür wir ein solches Tele überhaupt einsetzen wollen. Dabei sei eines vorweggeschickt: Der Appetit kommt beim Essen.

Vom Studio bis zur Safari

Die Einsatzbereiche von Teleobjektiven sind recht vielfältig. Sie werden gern genutzt, entfernte und dadurch kleine Motive heranzuholen und vergrößert abzubilden oder Perspektiven gerafft abzubilden. Oder auch, um Bilder mit besonders geringer Schärfentiefe aufzunehmen – Stichwort: freistellen.

Und damit sind wir bei den Porträtbrennweiten im unteren Telebereich. Diese liegen zwischen 70 mm und 105 mm, meistens bei 85 mm. Sie sind leicht an der Größe zu erkennen, denn für einen geringen Schärfentiefenbereich bei Porträtaufnahmen benötigen wir eine große Anfangsblende, die typischerweise bei f/1.4 liegt. Es gibt derzeit recht viele solcher Hochleistungsobjektive, die bei Porträtfotografen gerade sehr in Mode sind.

Bei der Porträtfotografie geht es meist darum, mit minimaler Schärfentiefe den Fokus dem Motiv entsprechend punktgenau zu setzen. Der Fokuspunkt muss dann hundertprozentig auf den Augen des tierischen oder menschlichen Models liegen – und nicht etwa auf der Augenbraue oder auf den Wimpernspitzen. Hier zeigt sich die hohe Kunst der Porträtfotografie und wie präzise die Fotografen arbeiten müssen. Auch wenn Autofokussysteme der Kameras mit Augenerkennung und Hochpräzisions-AF ausgestattet sind und mehr als beachtliche Trefferquoten erzielen, verlassen sich viele Fotografen dann doch lieber ganz alleine auf ihr Auge und stellen die Entfernung manuell ein.

Aber 85 mm kann nicht nur Porträt. Ich bin der Meinung, es passt auch gut in die Tasche von Reportagefotografen. Zusammen mit einem 28 mm und einem 50 mm Objektiv ist es eine perfekte Ausstattung für viele Situationen. Dabei muss es dann nicht so lichtstark sein, und der Schärfentiefenbereich darf auch ruhig etwas ausgedehnter sein. Die Wichtigkeit dieser Brennweite zeigt sich auch bei der Konstruktion von Zoomobjektiven, die als Weitwinkelzoom meist in diesem Bereich enden oder als Telezoom in diesem Bereich beginnen.

Viele Fotografen benutzen Teleobjektive aber, um Objekte „heranzuholen“. Und da sind 85 mm mit einer knapp zweifachen Vergrößerung oft nicht wirklich ausreichend. Ich will hier gar nicht so sehr in Richtung Paparazzi gehen, aber durch Teleobjektive lassen sich Distanzen überbrücken und daher Motive fotografieren, die so sonst nicht fotografiert werden könnten. Ich nutze eine lange Brennweite auch gern, wenn es mir rund um mein Motiv zu voll ist. Durch die lange Distanz kann ich störende Elemente ausblenden und somit den Hauptteil meines Motivs einfangen und besser in Szene setzen. Je größer die Abbildung dabei ist, desto besser ist meist die Wirkung. Zur Berechnung des Vergrößerungsfaktors wird die Normalbrennweite (43 mm bei KB-Vollformat) in das Verhältnis zur Telebrennweite gesetzt. Bei einer Brennweite von 135 mm ist das dann schon mal eine dreifache Vergrößerung, bei einem 200 mm Objektiv eine circa 4,7-fache Vergrößerung.

Und damit sind wir schon in dem großen Bereich der mittleren Telebrennweiten. Verschiedene Aufgaben und Motivsituationen erfordern halt unterschiedliche Brennweiten. Ob es 135 mm, 200 mm oder 300 mm werden, hängt vom Einsatzbereich ab. Verschiedene Distanzen und die Ausmaße der Motive sind Parameter, die über die notwendige Brennweite entscheiden. Aber auch die Lichtsituation spielt eine große Rolle. Die Physik sagt uns, dass die Brennweite im Verhältnis zum wirksamen Frontlinsendurchmesser die größte Blende am Objektiv ergibt. Wenn wir also Sport- oder Naturfotografen sind, die bei eher wenig Licht und mit einer langen Brennweite fotografieren müssen, geht kein Weg an den eingangs erwähnten „Riesentüten“ vorbei. Wenn wir aber eine Kamera mit hoher ISO-Leistung haben oder wenig Licht benötigen, können wir gern auch auf meist lichtschwächere Zoomobjektive zurückgreifen. Und diese gibt es in einer Riesenauswahl. Es sind oft Universalobjektive mit den Bereichen 28-200 mm oder gar 28-300 mm, die für Urlaubsbilder allemal ausreichen. Aufgrund des großen Brennweitenbereichs gehen Hersteller hierfür oft mehr oder weniger Kompromisse bei der Bildqualität ein. Wer aber höhere Ansprüche stellt, sollte eher Richtung spezielle Telezooms mit 70-200 mm oder 80-300 mm gehen. Diese Objektive sind einfacher zu konstruieren, da der Weitwinkelbereich wegfällt, und recht vielseitig einsetzbar. Sie eignen sich sehr gut für Aufnahmen im Tierpark, für Alltagssituationen oder auch für die verschiedenen Interessensgebiete.

Speziell für das Thema Spotten ist der Brennweitenbereich bis 300 mm eine gute Wahl. Egal ob bei der Schiffs- oder Flugzeugfotografie – das ist der Brennweitenbereich, der sinnvoll nutzbar ist. Die Motive sind entsprechend groß und können mit dem Bereich gut abgebildet werden.

Viel Brennweite benötigt auch viel Aufmerksamkeit

Für die Qualität gilt: je mehr Brennweite, desto schwieriger und aufwendiger in der Konstruktion. Manchmal kommt es dann zu Farbsäumen – den chromatischen Aberrationen. Besonders an kontrastreichen Stellen, wie beispielsweise Abrisskanten bei Dächern gegen den hellen Himmel, bilden sich rote oder blaue Schatten an den Kanten. Sicher, Photoshop ist auch hier das Werkzeug unserer Wahl, aber im besten Fall ist das gar nicht notwendig, denn viele moderne Objektive sind mit teuren ED-Gläsern versehen. Dies sind spezielle Linsenelemente, die das Licht anders brechen, präziser fokussieren und somit eine Aufnahme frei von Farbfehlern ermöglichen.

Ebenfalls mit zunehmender Brennweite müssen wir auch auf die Belichtungszeit achten. Denn je kleiner der Bildwinkel ist, desto stärker macht sich Wackeln oder Zittern bemerkbar. Vielleicht hat der ein oder andere Leser schon mal eine Fernsehübertragung vom Biathlon gesehen. Die Schützen wackeln enorm, was im übelsten Fall ein Verfehlen des Ziels nach sich zieht. Beim Fotografieren hat dies eine Verwacklungsunschärfe zur Folge. Um dies zu vermeiden, sollte mit möglichst kurzer Verschlusszeit ausgelöst werden. Diese sollte idealerweise mindestens den Kehrwert der Brennweite nicht unterschreiten. Bei einer Brennweite von beispielsweise 200 mm sollte die Belichtungszeit also nicht unter 1/200 Sekunde und bei einem 500 mm Objektiv nicht unter 1/500 Sekunde liegen. Bei den zunehmend höher auflösenden Bildsensoren aktueller Kameramodelle sollte man den Wert allerdings lieber verdoppeln, also 1/400 oder 1/1000 Sekunde wählen. Ein Einbeinstativ ist immer empfehlenswert, besser jedoch ist ein stabiles Dreibeinstativ.

Auch wenn dem Auslösevorgang meist nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist er ein wichtiges Mittel gegen Unschärfen. Es ist schon rund ein halbes Jahrhundert her, dass die Firma Agfa ihren „roten Punkt“ als wirksames Gegenmittel gegen Verwacklungen propagierte. Egal ob Pocket-, Kompakt- oder SRL-Kamera: Der rote Sensorauslöser erlaubte einen besonders leichtgängigen Auslöserdruck, um die Kamera nicht unnötig zu bewegen. Einige Hersteller bieten auch heute noch besonders schnell und leicht ansprechende Auslöser an. Ein probates Mittel, Verwacklungen nicht sichtbar werden zu lassen und knackscharfe Aufnahmen auch bei vergleichsweise langen Belichtungszeiten zu erhalten, sind Shake Reduction Systeme, wie sie fast alle modernen Systemkameras anbieten.

Mal befindet sich der aufwendig konstruierte Mechanismus im Objektiv, mal im Gehäuse (IBIS) und im besten Fall in beidem. Viele Kameras bieten eine Belichtungssicherheit von bis zu 5,5 Lichtwerten, die durch entsprechende Objektive noch mal erweitert werden. Im Klartext heißt das: Bei einer eigentlich notwendigen Belichtungszeit von 1/1000 Sekunde gleicht die Shake Reduction 5,5 Belichtungsstufen aus und ermöglicht im besten Falle eine scharfe Aufnahme trotz einer Verschlusszeit von nur rund 1/20 Sekunde aus der Hand. Allerdings schließt die Verwacklungs- nicht die Bewegungsunschärfe aus.

Bei der Relation von Objektivbrennweite zu Baugröße und Gewicht sind die User des MFT-Systems von Panasonic und Olympus eindeutig im Vorteil. Der kleine Sensor (Cropfaktor 2) bei diesem System macht es möglich, lange Brennweiten deutlich kleiner und kompakter zu bauen. Wie oben erwähnt, haben wir bei einer Brennweite von 400 mm schon fast eine zehnfache Vergrößerung. Ein Motiv in 100 Meter Entfernung würde also abgebildet als wäre es gerade mal zehn Meter entfernt. Für Flugzeugfotografie klar überdimensioniert, aber bei der sehr beliebten Vogelfotografie immer noch nicht ausreichend, denn hier kann man nicht genug Telebrennweite haben. Mit dem neuen Olympus 100-400 mm beispielsweise erreichen wir ohne Konverter eine Brennweite von 800 mm, die trotzdem noch klein und kompakt und für viele Naturfotografen ein nahezu ideales  Werkzeug ist.

Für viele Fotografen mag der größere APS-C Sensor aber eine gute Alternative zu 35 mm Vollformat und MFT sein. Es gibt zahlreiche Objektive im Bereich von 55-300 mm. Durch die Brennweitenverlängerung um den Faktor 1,5x würde dies eine ganz respektable Telebrennsweite von 450 mm ergeben. Das entspricht circa einer zehnfachen Vergrößerung  und ist damit ein guter Kompromiss aus Kompaktheit, Abbildungsqualität und Vergrößerungsfaktor.

Und wenn wir dann schon bei der  vergrößerten Abbildung sind, sei unbedingt die Nutzung als Makroobjektiv empfohlen. Jetzt in der Frühlingszeit ist die beste Möglichkeit, sich auch mal um die Blumen und Insekten zu kümmern. Nutzen Sie die maximale Brennweite und schauen sich mal im Nahbereich um. Sie können zwar selten dichter als ein bis zwei Meter an die Motive herangehen, aber die Größe der Abbildung spricht für sich. Und im Nahbereich ist auch der Schärfentiefenbereich eher gering. Je größer die Distanz wird, desto ausgedehnter ist dann auch die Bildschärfe.

Wir alle kennen diese Fotos, die Gedränge und Menschenmengen abbilden. Aber mal ganz ehrlich: Da ist auch viel Fototrickserei dabei. Die gleiche Aufnahme mit Weitwinkel aufgenommen, ergibt ein Bild, welches viel mehr Platz zeigt, als die geraffte Aufnahme eines Teleobjektivs. Wenn Sie aber mit der Staffelung in die Tiefe und Stauchung von Motiven gestalten wollen, ist das Teleobjektiv eine gute Wahl.

Sie sehen: Egal ob Blümchen, Porträts, Spotting, Safari oder all die vielen verschiedenen Naturmotive – Teleobjektive sind megaspannend. Und die Anerkennung im Freundes- und Bekanntenkreis ist Ihnen gewiss, denn solche Perspektiven sind in Zeiten der Handyfotografie eher die Ausnahme und machen Sie zum Topfotografen.