Von Wolfgang Baus
© Fotos Wolfgang Baus
Immer, wenn wir es am dringendsten benötigen, fehlt es. Und wenn man es so gar nicht brauchen kann, gibt es zu viel davon – und macht uns das Leben unnötig schwer. Aber wir wären ja keine Fotografen, wenn wir das Licht nicht zu bändigen wüssten.
Wenn wir über Licht und Schatten sprechen, müssen wir auch von Kontrast sprechen. Ganz einfach ausgedrückt ist dies die Helligkeitsverteilung im Motiv zwischen grellem Licht und dunklem Schatten. Schauen Sie doch mal durch den Sucher Ihrer Kamera und messen mit der Spotmessung die Belichtungswerte in den hellen und den dunklen Bildteilen. Je heller es ist, desto höher ist der LW (oder EV – englisch für Exposure Value).
Wie in unserem Bild von der nächtlichen Industrieanlage (siehe oben) besteht die Herausforderung darin, die grellen Lampen nicht überstrahlen zu lassen und gleichzeitig Zeichnung in den dunklen Bildpartien zu erhalten.
Das Geheimnis besteht also darin, einen möglichst hohen Motivkontrast mit der Kamera einzufangen. Moderne Sensoren der meist höherpreisigen Kameras können durchaus 13 Blendenstufen (=LW) abbilden. Das Mittelfeld der Kameras schafft aber eher zehn Blendenstufen und erreicht damit knapp die Werte von analogen Filmen, die zwischen circa acht und zwölf LW liegen.
In der Anfangszeit der Digitalsensoren waren die heutigen Dynamikwerte kaum erreichbar, und so waren DRI (Dynamic Range Increasement) oder HDR (High Dynamic Range) Zauberbegriffe vieler Fotografen. Bei dieser Technik werden mehrere Einzelbilder so aufgenommen, dass letztlich alle Bildbestandteile korrekt belichtet waren und in Spezialprogrammen zu einem einzigen Hochkontrastbild verrechnet wurden.
Wollte man diese Bilder später zeigen, musste jedoch der Kontrast wieder reduziert werden, weil weder Papier noch Monitore diese Bilder, die durch besonders starke Farben auffielen, darstellen konnten. Für das menschliche Auge waren sie ungewohnt und sorgten für viel Aufmerksamkeit, verschwanden aber genauso schnell wieder vom Markt, wie sie aufgetaucht waren.
Die Technik des erweiterten Dynamikumfangs durch mehrere Aufnahmen an sich ist aber geblieben. Photoshop bietet hierfür ein extra HDR-Tool an und Kamerahersteller bauen diese Funktion in ihre Kameras ein. Der Fotograf bestimmt die Korrekturstufen der einzelnen Bilder, nimmt mehrere Bilder auf und die Kamera errechnet daraus ein Hochkontrastbild, wie es sonst nur sehr aufwendige Aufnahmesysteme oder Sensoren bieten. Die Vorteile dieser Technik sind offensichtlich: Wie in dem Bild der Industrieanlage sind alle Details gut zu erkennen. In den dunklen Partien sind Einzelheiten erkennbar und die Lichter fressen nicht aus.
Filtern für beeindruckende Landschaftsfotografie
Aber auch für Landschaftsaufnahmen und viele andere Situationen ist diese Technik besonders wertvoll. Denn wie schon erwähnt, überall wo Licht ist, ist auch Schatten, und diese Technik bringt Fotografen Zeichnung auch in die schwierigen unter- oder überbelichteten Bildbereiche.
Ein gutes Beispiel dafür ist das Bild vom Leuchtturm. Die Farben erscheinen richtig schön plakativ, obwohl diese Bereiche eher im Schatten lagen. Das Geheimnis ergibt sich aus drei einzelnen Belichtungen: Einmal optimal belichtet auf den Leuchtturm, einmal auf den Himmel und einmal auf den Wald – und später zu einem einzigen Bild verrechnet. Und da inzwischen leichte Verwackler kompensiert werden können, kann diese Aufnahmetechnik überall mühelos angewendet werden.
Eine weitere Möglichkeit zum Kontrastausgleich bieten sogenannte Grau-Verlaufsfilter (GND). Diese bestehen aus einem grauen, lichtreduzierenden Bereich, der über einen Verlaufsbereich in einen klaren Bereich ohne Lichtreduzierung übergeht. Ich persönlich nutze aufgrund der einfacheren Anwendung sogenannte Flächen-, Platten- oder Einschubfilter, die in vielfacher Ausführung von verschiedenen Anbietern erhältlich sind. Es gibt sie in unterschiedlichen Qualitäten in allen Preislagen. Nicht immer ist der Preis ein verlässlicher Indikator, aber die Unterschiede in der Qualität können beträchtlich sein. Speziell einige Kunststofffilter fallen durch falsche Farbwiedergabe negativ auf. Ich verlasse mich da auf Haida und NiSi, die mir gute Dienste leisten und eine gute Farbneutralität bieten. Analog zum Objektiv entscheide ich mich auch hier für eine hochwertige Qualität. Denn was nützt die beste Objektivqualität mit perfekter Vergütung, wenn ein billiger Filter 50 Prozent des Lichtes reflektiert und nicht durchlässt und somit kontrastarme und matschige Bilder verursacht.
Diese GND-Filter gibt es in verschiedenen Stärken, die ich je nach Lichtbedingungen für die Landschaftsfotografie einsetze. Gerade bei grellem Himmel und Lichtbedingungen, wie wir sie bei dem Wasserfallfoto vorfinden, ist es unter normalen Bedingungen oft nicht möglich, die Wolkenformation parallel zum Restmotiv so abzubilden, dass sie auch als solche wirkt. Je nach Lichtbedingungen benötige ich einen Ausgleich zwischen vier und acht Blendenstufen; entsprechend habe ich eine kleine Kollektion an Filtern mit unterschiedlichen Stärken angesammelt.
Plattenfilter bieten den Vorteil, in einem Filterhalter frei bewegt werden zu können. So bin ich bei der Bildgestaltung frei, kann den Horizont beliebig in der Höhe oder auch schräg setzen. Die Filterhalter lassen sich per Adapterring an die meisten Objektive ansetzen. Auch wenn ich gern Optionen kaufe und möglicherweise auch mal ein Objektiv mit großem Filterdurchmesser einsetzen möchte, nutze ich das 100 x 100 mm System, weil es kompakt ist. Daneben gibt es auch Spezialgrößen. Und so bietet der Hersteller NiSi entsprechende Systeme sogar für Kompaktkameras wie beispielsweise Fujifilm oder Ricoh GR.
Lange Belichtungszeiten auch bei viel Licht
Ein weiterer Vorteil der Filterhalter ist die Option, mehrere Filter zu kombinieren – und davon mache ich gern Gebrauch, wenn ich längere Belichtungszeiten erreichen will.Es gibt verschiedene Meinungen unter den Fotografen, wenn es um die Abbildung von fließenden Gewässern oder ziehenden Wolken geht. Ich liebe diese weiche Anmutung von Wasser und Himmel, die durch Langzeitbelichtungen entstehen, wie etwa in dem Bild aus dem Hamburger Hafen. Und auch für die Aufnahmen von der Nordseeküste habe ich lange Belichtungszeiten durch den Einsatz von Graufiltern in verschiedenen Stärken erreicht. Die Fließgeschwindigkeit entscheidet dabei über die Belichtungszeit, bei der ich darauf achte, dass ich Strukturen habe und diese auch erhalte. Wolken sollen als solche erkennbar bleiben, und auch fließende Gewässer werden umso interessanter abgebildet, je mehr erkennbar ist, dass es sich um Gewässer handelt. Besonders eindrucksvoll werden Bilder mit einer Dünung oder mit Wellen. Vielfach nutze ich bei solchen Aufnahmen eine Kombination aus Verlaufs- und Graufilter, um den Helligkeitsunterschied auszugleichen.
Langzeitbelichtungen sind für mich ein beliebtes Stilmittel auch für viele Motive. Egal ob in der Streetfotografie oder bei Aufnahmen mit beweglichen Motiven, wie Volksfeste oder Verkehrsmittel – die Bewegung in den Bildern gibt den Aufnahmen eine besondere Dynamik, die Bildern einen eigenen Stempel aufdrückt und Bestandteil der individuellen Bildersprache sein kann.
Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich nicht immer Lust habe, das große Besteck mitzunehmen. In jedem Fall habe ich aber immer einen „Standard“-Verlaufs- und Graufilter in meiner Tasche. Denn es ist immer mal notwendig, den Motivkontrast auszugleichen oder eine unscharfe Aufnahme zu machen – und sei es für das DSGVO-konforme Streetfoto.
Ich halte den Filter während der Belichtung einfach vor die Linse und erreiche so den gewollten Effekt. Langzeitbelichtungen von mehreren Sekunden sind so zwar nicht möglich, es gelingt aber ein Kontrastausgleich und mit der Shake Reduction der Kameras auch eine etwas längere Verschlusszeit.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich eine Sonderfunktion bei Kameras aus der Olympus OM-D E-M1-Serie, die mit der Live ND-Filter Option, einen elektronischen Graufilter bis fünf LW simuliert. Zusammen mit der Bildstabilisierung der Kamera gelingen so beeindruckende Aufnahmen, beispielsweise von Wasserfällen, direkt aus der Hand.
Es gibt also viele Möglichkeiten, mit dem Licht zu spielen und es für unsere Zwecke so zu bändigen, dass wir beeindruckende und spannende Fotos bekommen, die man eben doch nur als Fotograf mit richtiger Kamera aufnehmen kann.
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