SPORTFOTOGRAF AUS LEIDENSCHAFT – MATTHIAS HANGST

Getty Images Fotograf Matthias Hangst ist – immer auf der Jagd nach dem perfektem, unwiederbringlichen Moment – in den Sportarenen dieser Welt zuhause.

VON DRAGANA MIMIĆ

Matthias Hangst zählt zu den besten internationalen Sportfotografen. In den Sportarenen dieser Welt, angefüllt mit Adrenalin, Jubelschreien, Schweiß und manchmal auch zerplatzen Träumen, fühlt er sich wohl. Hält immer Ausschau nach dem perfekten Moment, lässt sich von der Euphorie anstecken, lebt die Emotionen der Sportler mit und ist dabei immer hochkonzentriert. Ein Profi eben. Nicht umsonst hat er bereits unzählige nationale und internationale Awards gewonnen und die Auszeichnung „Sportfoto des Jahres“ in unterschiedlichen Kategorien quasi gepachtet. So scheint es, schaut man sich seine beeindruckende Biografie an. Selbst ein begeisterter, ambitionierter Sportler, kombinierte der Handballer und Leichtathlet Matthias Hangst das Hobby erfolgreich mit seiner zweiten Leidenschaft, der Fotografie. Anfangs fotografierte er nur, um sein Taschengeld als Schüler aufzubessern, indem er zu seinen Textbeiträgen bei einer Lokalzeitung auch gleich das passende Bildmaterial mitlieferte. Schon damals habe er seine Zeit lieber in der Redaktion als in der Schule verbracht. „So haben sich die beiden Hobbys zu einem Job entwickelt“, erzählt er uns im Interview und gewährt uns einen Einblick in seine Welt.

Worin liegt die Herausforderung bei der Sportfotografie? Welche Anforderungen haben Sie an Ihr Equipment? Mit welcher Kameraeinstellung arbeiten Sie am häufigsten?
Es geht bei der Sportfotografie primär um den einen Moment, denn dieser kann nicht wiederholt werden. Es passiert im Bruchteil einer Sekunde und es ist meine Aufgabe als Fotograf, das Ganze in dem einen Foto festzuhalten. Hinzu sollte jede Menge Kreativität kommen. Nur an einem Ort zu sitzen und ein Event „durchzufotografieren“ reicht nicht mehr. Wenn man sich im täglichen Wettbewerb mit vielen anderen Fotografen befindet, muss man sich abheben, neue Ideen und Blickwinkel finden. Dazu braucht es eine Menge Verständnis und Wissen über die jeweilige Sportart.
Das Fotoequipment muss primär funktionieren. Ich liebe meine Nikon Kameras und Objektive, aber am Ende sind es auch nur Werkzeuge, die ihre Aufgabe erfüllen müssen. Ich nutze das, was mir zur Verfügung steht und mache das Beste daraus. In meinem Job ist selbstverständlich auch eine gewisse Robustheit der Ausrüstung wichtig. Ich fotografiere bei Regen, Schnee, Hitze oder arktischen Temperaturen – da muss das Set einfach immer funktionieren. Grundsätzlich gehöre ich zu den Fotografen, die so wenig Kontrolle wie möglich an ihre Technik übergeben wollen. Was bedeutet: Wann immer möglich, wähle ich meine Einstellungen manuell selbst aus. Dies gilt auch für ISO, Blende, Belichtungszeit, etc. Auch hier arbeite ich in 99 Prozent der Fälle mit manuellen Einstellungen. Das ändert sich nur bei extremen Lichtverhältnissen, die vor allem in modernen Stadien immer mehr auftauchen. Der Wechsel zwischen Schatten und Sonne durch hohe Stadiondächer kann da schon manchmal herausfordernd sein.

© 455987622/Matthias Hangst/Getty Images

© 455987622/Matthias Hangst/Getty Images

Wie sieht Ihre Standard-Ausrüstung aus, wenn Sie zu einem Sportevent losziehen?
Das lässt sich schwer sagen. Letztendlich muss man sich für jedes Event Gedanken machen und das Set individuell zusammenstellen. Mein Alltagsgeschäft ist Fußball – speziell die erste Bundesliga. Da sieht die Ausrüstung immer gleich aus und alles passt in zwei mittelgroße Peli Cases und einen Rucksack. Unter anderem sind dort fünf Kameras, insgesamt fünf bis sechs Objektive und jede Menge Zubehör drin. Wir arbeiten bei solchen Events viel mit sogenannten Remote-Kameras. Also Kameras, die wir irgendwo montieren oder aufstellen und dann mit Hilfe von Funk- oder Kabelauslösern fernauslösen. Hierfür braucht es schon einen kompletten Koffer mit Zubehör.

Was macht ein richtig gutes Sportfoto in Ihren Augen aus?
Der Moment. Etwas zu sehen, das ich so noch nie wahrgenommen habe. Das gibt es jedoch leider nicht mehr all zu oft. Die Fernsehbilder liefern schon jeden Moment und jede Szene. Aber alle paar Jahre taucht mal wieder so ein Foto auf – doch sie werden definitiv seltener.

Wie bereiten Sie sich auf sportliche Großereignisse wie die Fußball-EM in Frankreich oder die Olympischen Spiele in Brasilien diesen Sommer vor?
Nicht mehr so intensiv, wie ich es als Freiberufler musste. Viele logistische und planungstechnische Dinge werden mir jetzt durch die Agentur abgenommen. Wir sind ein sehr großes Team in Frankreich und Rio – alles hochtalentierte Fotografen, Editoren, Techniker, usw. Letzten Endes kann ich mich vor Ort voll und ganz auf das Foto konzentrieren. Und da ich in beiden Ländern schon gearbeitet habe, weiß ich auch ungefähr, was mich erwarten wird. Hinzu kommt, dass ich bis dahin nicht zu Hause sitzen und mir ausschließlich darüber Gedanken machen kann. Mein Kalender ist auch zwischen den großen Events gut gefüllt. Ich muss deshalb in der Lage sein, relativ schnell umzuschalten und mich auf neue Situationen einzustellen.

© 482204430/Matthias Hangst/Getty Images

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Haben Sie eine Lieblingssportart, die Sie besonders gerne in Szene setzen und warum?
Leichtathletik. Wenn man den Sport sein halbes Leben selbst recht motiviert betrieben hat, wird man ihn immer lieben.

Gibt es eine Sportart, die Sie bisher noch nicht fotografiert haben, die Sie aber reizt?
Selbstverständlich. Ich habe mir fest vorgenommen, endlich mal ein gewisses Verständnis für Cricket zu entwickeln. Eine der „großen“ Sportarten weltweit, aber bei uns in Deutschland leider kein Thema. Meine englischen Kollegen machen sich da gerne mal lustig, weil wir hier in Deutschland absolut keine Ahnung von diesem Sport haben.

Sie haben alle bedeutenden Preise für Sportfotografen wie beispielsweise das Sportfoto des Jahres oder den Sven-Simon-Preis abgeräumt – und das jeweils schon mehrere Male. Was bedeuten Ihnen solche Auszeichnungen?
Es wäre definitiv gelogen, wenn ich sagen würde, dass sie mir nichts oder nicht viel bedeuten! Für mich ist es am Ende immer eine sehr gute Möglichkeit, meine Arbeit von anderen beurteilen zu lassen und mich zum Jahresende hin nochmal in Ruhe und sehr kritisch mit meinem eigenen Portfolio auseinanderzusetzen. Während der Jobs kommt das durch den Zeitdruck und das hohe Arbeitsaufkommen oft zu kurz.

Ganz aktuell haben Sie den Sven-Simon-Preis mit dem Bild „Wolkenflug“ (Aufmacher des Artikels) gewonnen. Können Sie uns ein paar Sätze dazu sagen?
Das Bild ist in Kazan/Russland bei der FINA Schwimm-Weltmeisterschaft entstanden. Auf dem Bild ist der Spanier Carlos Gimino bei seinem Sprung im „High Diving“ zu sehen – einer Disziplin im Programm der Schwimm-WM 2015. Gimino hat meinen höchsten Respekt für den kunstvollen Sprung aus 27 Metern Höhe! Ich werde auch immer wieder gefragt, ob das Bild wirklich echt ist. Die Dramatik des Bildes entsteht vor allem durch die dicken düsteren Wolken – mit einem blauen Himmel wäre das Bild nicht so eindrucksvoll, wie es jetzt ist.

 

©/Oliver Hurst, Seefeldstraße 46, 76437 Rastatt, info@kunstlicht-fotostudio.de

© Oliver Hurst, Seefeldstraße 46, 76437 Rastatt, info@kunstlicht-fotostudio.de

MATTHIAS HANGST
Der 38 Jahre alte Fotojournalist, gebürtig aus Schramberg im Schwarzwald, begann mit 15 seine Karriere als freier Mitarbeiter bei der Lokalzeitung. Dort lieferte er Text- und Fotobeiträge und hatte freien Zugang zum Schwarzweißlabor und sämtlichen technischen Geräten. Schnell war Matthias Hangst klar, in welche Richtung sich seine berufliche Zukunft entwickeln sollte: Nach dem Praktikum in einer Fotoredaktion, begann er das zweijährige Volontariat bei Pressefoto Baumann in Ludwigsburg bei Stuttgart. Dort arbeitete er anschließend noch drei weitere Jahre, bevor er mit 25 Jahren in die Selbstständigkeit wechselte. Seit Mai 2014 ist der Sportfotograf nun festangestellt bei Getty Images.
www.matthiashangst.com