Zwischen Stahl und Chitin

Adam Neuba hat sich der Fotografie der kleinen Dinge veschrieben. In seiner Serie „Nature & Technics“ kombiniert er Insekten mit formstarken Artefakten aus Stahl.

von Benjamin Lemm, © Fotos Adam Neuba

Lieber Adam, Deine Fotos zeichnen sich durch die Kombination von Insekten und Metallelementen vor schwarzem Hintergrund aus. Wie hat sich dieser Stil entwickelt?

Zunächst einmal ist es in der Fotografie für mich wie in meinem Beruf als Chemiker: Ich experimentiere viel herum, scheitere, probiere etwas anderes. Es ist eine hoch explorative Angelegenheit. Gleichzeitig frage ich mich immer, was ich aus meinem Umfeld in die Makrofotografie einbauen kann. Meistens sind es Komponenten aus Edelstahl, die ich häufig aus defekten Geräten ausbaue. Inzwischen arbeite ich aber auch mit anderen Werkstoffen wie zum Beispiel Aluminium, Glas oder HPL-Platten, , wie den Trespa-Platten auf dem Bild Seite 47. (Bild Seite 47, Trespa-Platten). Ich habe mir vorgenommen, in der Fotografie etwas Neues, Außergewöhnliches zu machen, das man so noch nicht gesehen hat. Dafür muss man bereit sein, neue Wege zu gehen und vieles auszuprobieren.

Angefangen habe ich damit, Blätter und Baumfrüchte auf schwarz-mattem Edelstahl abzulichten. Der Kontrast aus Natur und Technik gefiel mir dabei sehr gut – das kalte Metall, das im starken Gegensatz zu den organischen Stoffen steht. Dann habe ich mir eines Tages einen Marienkäfer aus dem Garten geschnappt, ihn auf ein Stück Metall gesetzt und fotografiert. Das war gar nicht so einfach, aber am Ende war ich begeistert und habe mir gedacht: Das könnte meine Nische sein!

Wie bist Du zur Fotografie gekommen?

Das hat sich vor circa 14 Jahren mit der Geburt meiner Kinder ergeben. Ich habe natürlich viel fotografiert und Freude an der Fotografie gefunden. Auch im Urlaub hatte ich die Kamera immer dabei und habe Landschaften und Architektur fotografiert. Allerdings hat mich an dieser Art der Fotografie gestört, dass man dafür immer unterwegs sein muss, um gute Motive zu finden. Das hat mich eingeschränkt und so bin ich irgendwann zur Makrofotografie gekommen, mit der ich mich, wann immer ich will, in meinen eigenen vier Wänden beschäftigen kann.

Welche Schwierigkeiten bestehen bei Deiner Art der Fotografie?

Es ist mit Sicherheit zunächst der Zeitfaktor. Der Prozess der Bildentstehung von der ersten Idee bis zur praktischen Umsetzung und der anschließenden Bildbearbeitung kostet einfach sehr viel Zeit. Die Arbeit mit den Tieren ist aufwendig, sie machen ja, was sie wollen und lassen sich nicht anleiten. Außerdem bin ich ein Pedant, achte auf kleinste Details – beispielsweise die Körperhaltung des Tieres oder wie zum Beispiel die Fühler oder Beine stehen. Dafür braucht man unglaublich viel Geduld und Fingerspitzengefühl, denn ich möchte das Tier nicht verletzen und kann ihm nur den Weg zeigen – den Rest muss es von selbst tun. Edelstahl ist aus fotografischer Sicht außerdem besonders heikel, weil er oftmals harte Lichtreflexe erzeugt und in Abhängigkeit vom Lichtsetting unterschiedliche Erscheinungsformen aufweist.

Es kommt auch sehr stark auf die Perspektive an und es kostet viel Zeit, den richtigen Blickwinkel zu finden, um die Edelstahlkomponente und das Tier als harmonische Einheit abzulichten. Licht und Perspektive sind also auch in meiner Art der Fotografie die wichtigsten Gestaltungsmittel. Elementar ist hierbei das Arbeiten mit (teilweise auch hintereinander gestellten) Diffusoren, um ein weiches Licht zu erhalten und um die harten Reflexe zu minimieren. Das kann zum Nachteil werden, weil die Lichtmenge auf dem Motiv erheblich reduziert werden kann. Auch hier muss man einen guten Kompromiss mit anderen fotografischen Parametern finden. Manchmal sind harte Reflexe aber auch von Vorteil und ich verwende sie gezielt als formgebendes Gestaltungsmittel in einem Bild.

Wie sieht Dein fotografischer Prozess aus – von der Idee bis zum Bild?

Es fängt meist mit einer Inspiration aus meinem Alltag an. Hin und wieder stoße ich auf ein interessantes Stück Metall, das ich zunächst einmal einsammle und liegen lasse, bis ich es brauche. Zu Hause habe ich mittlerweile ein ganzes Sammelsurium an Metallkomponenten für meine fotografischen Projekte. Umgekehrt geht es auch: Ich entdecke zuerst ein neues interessantes Insekt beim Spaziergang, das ich mitnehme.

Vieles spielt sich dann zunächst im Kopf ab. Ich plane das Foto genau, überlege, wie ich es realisieren kann, und sehe bereits vor mir, wie das Bild am Ende aussehen könnte. Alles Weitere ist Handwerk wie in einer Manufaktur: planen und umsetzen! Im Keller habe ich mir dafür eigens eine Ecke eingerichtet. Das ist das Schöne an der Makrofotografie: Man braucht nicht viel Platz! Dort baue ich das Setting auf, leuchte es so aus, wie ich es mir vorgestellt habe und dann muss nur noch das passende Insekt dazukommen. Ist alles fertig, mache ich das erste Shooting, taste mich langsam heran, platziere das Insekt und fotografiere es aus verschiedenen Perspektiven.

Danach schaue ich mir die ersten Ergebnisse an und entscheide, was ich noch verändern oder optimieren muss. Da sich einige Insekten viel bewegen und nicht so sitzen bleiben, wie ich mir das als Fotograf vorstelle, kann es je nach Insekt schon mal mehrere Abende dauern, bis ich das gewünschte Foto habe. Auch hier muss man Strategien entwickeln, wann der beste Zeitpunkt ist, die Tiere zu fotografieren. Dabei achte ich darauf, dass ich nicht zu lange am Stück mit den Insekten arbeite, denn auf Stress reagieren sie sehr empfindlich und gute Bilder gelingen dann kaum noch. Wichtig ist es, sich ausgiebig mit dem Projekt und dem Setting zu beschäftigen und viel Geduld in die Vorbereitung und Planung zu legen. Jedes auch noch so kleine Detail kann am Ende entscheidend sein. Je intensiver man sich mit dem Hintergrund eines Werkes beschäftigt, umso ausdrucksstärker wird das fertige Bild.

Im Jahr gestalte ich so vielleicht zehn bis 13 Kompositionen. Für mehr habe ich als Familienvater von drei Kindern auch keine Zeit. Von der Idee bis zum fertigen Bild muss alles sehr effizient ablaufen. Immer versuche ich, Unikate herzustellen. Ich kann nicht ein und dasselbe Motiv immer und immer wieder fotografieren – das ist ein Tabu für mich und würde mir auch keinen Spaß machen. Ich brauche stets eine neue Herausforderung. Der Stil soll erhalten bleiben, aber es soll dann doch immer ein neues Werk entstehen. Am Ende erhalte ich bei jedem Shooting meist eine Auswahl von circa 20 bis 25 Bildern, von denen ich mir eines aussuche und es dann später am Computer finalisiere.

Wie kommst Du an die Insekten?

Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal stoße ich durch Zufall darauf – beim Spazierengehen oder Wandern. Manchmal gehört aber einfach auch Glück dazu, wie zum Beispiel bei meinem Bild mit der Fliege: Die Fliege lief in unserer Wohnung umher, war ziemlich altersschwach und sogar handzahm, sodass ich sie einfach mit der Hand platzieren konnte. Ein anderes Mal ist mir im Garten ein Grashüpfer in den Schoß gesprungen, sodass ich ihn für ein Bild verwenden konnte. Hier wusste ich sofort, dass das ein spannendes Foto werden würde, weil er so wunderbar grün war und der Kontrast zum Edelstahl und dem schwarzen Hintergrund eine besondere Wirkung auf den Betrachter entfaltet. Sehr häufig ist das passende Insekt aber nicht da, also muss ich es suchen oder ein Projekt erstmal ruhen lassen. Oft arbeite ich daher parallel an zwei bis drei Projekten. Im eigenen Garten werde ich manchmal fündig und hin und wieder bringen mir meine Kinder auch das ein oder andere Exemplar mit. Zu Hause habe ich ein kleines Terrarium, in dem ich Tausendfüßer pflege – eines meiner Lieblingsmotive. Ich habe aber auch schon selbst Schmetterlinge und Marienkäfer gezüchtet. In dem Terrarium kann ich die Insekten ablegen, bis der Aufbau für das Shooting fertig ist.

Welche Rolle spielt die Bildbearbeitung für Dich?

Bildbearbeitung ist allgemein ein wichtiges Thema und auch bei meiner Art der Fotografie von großer Bedeutung. Durch sie entsteht erst die endgültige Form meiner künstlerisch-fotografischen Vision des Werkes. Auch hier probiere ich viel, werkle an dem jeweiligen Foto, bis die einzelnen Elemente einer Komposition miteinander verschmelzen und harmonieren. Es kann schon mal zwei bis drei Wochen dauern, bis ich zu einem zufriedenstellenden Ergebnis komme. Das Wichtigste ist dabei, die Formensprache weiter aus dem Foto herauszuarbeiten und Linien und Strukturen noch deutlicher zu betonen. Dabei spielen die Klarheit und Ordnung der einzelnen Bildelemente oft eine besondere Rolle. Hauptsächlich nutze ich dafür Lightroom, aber auch Photoshop kommt in der letzten Zeit immer häufiger zum Einsatz.

Welche Rolle spielt die Ausrüstung für Deine Art der Fotografie?

Ich habe jede Menge Ausrüstung für die praktische Umsetzung meiner Ideen wie beispielsweise diverse Stative, Hebevorrichtungen und selbstgebaute Diffusoren, aber auch simple Dinge wie Holzkeile, Pinzetten sowie kleine und große Wasserwaagen gehören dazu. Wichtig ist vor allem aber die Beleuchtung. Manchmal arbeite ich mit bis zu vier LED-Lampen gleichzeitig. Bei meiner Art der Fotografie muss immer genügend Licht vorhanden sein, zum einen, um alle Elemente einer Szene auszuleuchten. Zum anderen darf man gewisse Belichtungszeiten nicht unterschreiten, weil das Bild sonst unscharf wird. Daher ist es von Vorteil, die Insekten in ihren Ruhepausen oder abends zu fotografieren. Hier entstehen meistens die schönsten Bilder.

Um die Tierchen zurechtzurücken, verwende ich lange, dünne, spitz zulaufende Holzstäbchen oder klassisches Zahnarztbesteck, mit dem ich sie hier und da ein wenig anstupse und so in die richtige Position bringe. Die meisten Insekten sind da erstaunlich kooperativ!

Wie wird man ein besserer Fotograf?

Ich glaube, „learning by doing“ ist schon eine der besten Möglichkeiten, sich selbst zu verbessern. Dazu gehört aber natürlich der Mut, seine eigenen Bilder und Fähigkeiten stets kritisch zu analysieren. Das führt zu einem empirischen Prozess, bei dem die eigenen fotografischen Fähigkeiten immer ein Stück verbessert und am besten auf einen bestimmten Stil fokussiert und optimiert werden. Geduld und natürlich eine hohe Frustrationstoleranz sind ebenfalls essenziell. Auch heute noch betrachte ich die Bilder meiner ersten Jahre und überlege kritisch, was ich hätte besser machen können. So eine analytische Vorgehensweise ist auch sehr nützlich, um einzelne Arbeitsabläufe effizienter zu gestalten oder die Bildbearbeitung zu optimieren.

Was hast Du in Zukunft noch vor?

Meinen kreativ-experimentellen Stil werde ich beibehalten und versuchen, neue Werkstoffe in die Fotografie zu implementieren. Mal sehen, wohin das führt! Ich erschaffe gerne minimalistische Stillleben in Schwarz-Weiß und habe noch einige Ideen, die ich gerne umsetzen würde. Wenn Menschen von meiner Kunst begeistert sind, freut mich das natürlich. Also versuche ich, meine Bilder entsprechend zu präsentieren, nehme an Wettbewerben teil oder bin in Foren unterwegs. Irgendwann mal eine eigene Ausstellung zu haben, wäre natürlich toll. Ansonsten ist mein oberstes Ziel immer, Spaß an der Sache zu haben, auch wenn es manchmal viel Arbeit ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

Adam Neuba

Als experimenteller Chemiker beschäftigt sich Adam Neuba (44) tagtäglich mit den kleinsten Bestandteilen unseres Lebens. Kein Wunder also, dass er seinen Weg in die Makrofotografie gefunden hat, bei der er ähnlich experimentell vorgeht wie in seinem Job.

https://adams-artgallery.com