Auf Abwegen ist Günter Floeck gerne unterwegs, konkret: beim Urbexen, also dem Erkunden verlassener Locations, wo sich ihm zauberhafte Motive eröffnen. Wir haben mit dem umtriebigen Fotografen gesprochen.
von Jamari Lior © Bilder von Günter Floeck
Bekannt ist uns Günter Floeck als Konzertfotograf. Hier trifft man ihn bei Rock- und Pop-Konzerten in der ersten Reihe.
Wie kommen Sie als Konzertfotograf zur Urbex-Fotografie?
Aufgrund der Corona-Krise liegt die Musikfotografie ja gerade am Boden. Also was macht ein Fotograf, der gewohnt ist, immer unterwegs zu sein? Er nutzt die Zeit, um das Bildarchiv auf Vordermann zu bringen. Dabei aufgetaucht sind doch tatsächlich einige Bilder von sogenannten Lost Places. Und schon hatte ich Lust auf Lost Places-Fotografie und die Bearbeitung dieser Aufnahmen. So war zumindest bei mir der Weg vom Konzertfotografen zum Urbexer …

Ein altes Pförtnerhaus, das ein fast monochromes Bild ergibt, in dem nur zwei Farben vorhanden sind: blau und grün. Der Baum bringt etwas Auflockerung in dieses triste Bild.
Was genau sind Lost Places und wie spürt man sie auf?
Lost Places sind verlassene, vergessene Orte und – das wird oft vergessen – auch ebensolche größeren Objekte wie etwa Maschinen. Lost Places sind schaurig, schön und oft geheimnisvoll – ein super Motiv für Fotografen. So kommt es, dass viele Fotografen dafür um die halbe Welt reisen. Ich gehöre eigentlich nicht dazu. Tatsächlich ist es nicht leicht, neue Plätze zu finden: verlassene Krankenhäuser, Tschernobyl, verrostete Kriegsschiffe, Flugzeugfriedhöfe – das alles gibt es im Netz zu bestaunen. Es ist alles abgeknipst, wie die Löwen in Afrika. Tipps für Spots in der näheren Umgebung gibt es im Internet, zum Beispiel in Facebook-Gruppen, oder man macht sich selbst auf die Suche. Dafür muss man nicht einmal unbedingt in die Ferne schweifen: Lost Places kann man nämlich, wenn man die Augen richtig offenhält, überall finden, auch in der näheren Umgebung. All meine Bilder hier sind im näheren Umkreis meiner Heimatstadt Graz entstanden.
Worauf muss man achten, wenn man in und um Lost Places fotografiert?
Sollte man einen Lost Place entdeckt haben, sind einige Regeln zu beachten:Jedes Areal oder Objekt hat immer einen Besitzer. Das Betreten ist meistens verboten, aber wenn sich kein Hund bemerkbar macht, ignoriert man das Betretungsverbot. Man sollte natürlich keine Türen aufbrechen oder Fenster einschlagen. Warnhinweise jedoch sind immer zu beachten. Nicht jedem Gebäude sieht man an, ob es akut einsturzgefährdet ist. Aber nicht immer gibt es Warnschilder. Daher muss man selbst die Fußböden und Decken genauer betrachten. Weder möchte man einstürzen, noch gilt hier der Spruch: Alles Gute kommt von oben …
Solch „Expeditionen auf Abwegen“ sollte man übrigens nicht allein durchführen. Zumindest sollte man eine Nachricht hinterlassen, wo man sich aufhält, falls doch einmal etwas passiert.
Und das Wichtigste: Man darf nichts zerstören oder entfernen. Was man mitnimmt, sollten nur der Eindruck, die Erinnerung und die Fotos sein. Der Ort wird so verlassen, wie man ihn betreten hat.

Ein Traktor im Gegenlicht – nur ein kleines Fenster diente als Beleuchtung.
Haben Sie Angst, wenn Sie einen neuen Lost Place betreten?
Na ja, eine gewisse Spannung ist schon vorhanden, wenn man so ein altes, baufälliges Gebäude betritt. Schon der Geruch lässt einen ein wenig zögern – zumindest ist das bei mir so. Man weiß ja nie, was einen erwartet. Ist der Boden morsch oder fällt die Decke schon herunter? Oder kommt einem ein Rudel Ratten entgegen? Verlassene Gebäude werden auch oft als Nachtlager von Obdachlosen und als Location für illegale Partys von Jugendlichen benutzt. Sind Feuerstellen, Matratzen und Flaschen vorhanden, waren oder sind sicher Gäste anwesend. Aus hygienischen Gründen berühre ich keine Gegenstände in Lost Places.
Welche Lichtquellen nutzen Sie?
Meine Bilder entstehen eigentlich immer spontan und mit dem vorhandenen Licht. Kunstlichtquellen waren bisher nie im Einsatz, der Aufwand wäre mir einfach zu groß – dafür sind meine Bilder aber eben auch nicht perfekt

„Mein Name ist LEOPOLD, ich war von 1979 bis 2003 im Schwersteinsatz in einen Tagebau und habe hier an einem schönen Platz, wo alle Menschen mich bewundern können, meine Ruhestätte gefunden.“ Bevor man ans Fotografieren geht, sollte man sich dieses Ungetüm einmal länger ansehen. Auch die Details bieten interessante Motive.
Welche Motive suchen Sie?
Die große Entdeckung einer geheimen Flugzeugfabrik werde ich wohl kaum machen – danach suche ich auch nicht. Für mich muss es nichts Großes sein: Ein dunkler Raum, das harte Licht aus einem zerbrochenen Fenster, Spinnweben im Gegenlicht – es gibt immer schöne Motive für Detailaufnahmen. Bücher oder Kleinzeug eignen sich ebenso wie geschwungene Rohre oder zerbrochene Fensterscheiben. Die Schönheit liegt oft im Detail.
Ich genieße so einen Anblick und stelle mir oft vor, wer mal hier gearbeitet oder gelebt hat und wieso das Gebäude dem Verfall überlassen wurde.
Was beeindruckt Sie an der Fotografie alter Industrieanlagen?
Alte Industrieanlagen sind ein Wunderwerk der alten Technik. Sie sind nicht nur wunderschön, sondern sie wurden auch – im Gegensatz zur heutigen Zeit – fast für die Ewigkeit gebaut. Die Konstrukteure dieser Maschinen leisteten auch ohne Computer ganze Arbeit – faszinierend. Der Schaufelbagger mit seinen 565 Tonnen ist ein beeindruckendes Beispiel dafür. Der Bagger ist frei zugänglich und jeder kann ihn besichtigen. Das Gerät ist riesengroß, die Raupen allein sind drei Meter breit. Der Blick wandert von den Raupen zum Schaufelrad, man kann sich nicht sattsehen an diesem Monster. Aber es sind die vielen kleinen Details, die dieses Ungetüm erst zum Leben erwecken. Der Bagger wurde übrigens nicht wegen Betriebsunfähigkeit in Pension geschickt, sondern weil der Tagebau in dieser Region aus wirtschaftlichen Gründen eingestellt wurde.

Ein Zufallsfund – das Fahrzeug stand eingezwängt in diesem offenen Schuppen. „Ich wollte den Opel unbedingt als Ganzes fotografieren“, berichtet Guenter Floeck. „Leider ist mir das nicht so gelungen, wie ich es mir vorgestellt habe. Der Innenraum als Müllablageplatz – welch ein Frevel. Wie viel Zeit wird der neue Besitzer investieren, um diesen Opel wieder fahrbereit zu bekommen?“
… und der Opel GT?
Der Opel GT war ein Zufallsfund bei einen Spaziergang – ein bezahlbarer Sportwagen mit Kultstatus für die Ewigkeit. Sein Wahrzeichen waren die Klappscheinwerfer, gebaut wurde er zwischen 1968 und 1973, hatte 90 PS unter der Motorhaube und war bis zu 190 km/h schnell. Von diesen Sportwagen wurden circa 10.000 Exemplare verkauft – das Sportfahrzeug für den kleinen Mann.
Das Fahrzeug war leider sehr eingezwängt in einer offenen Scheune abgestellt, kein optimaler Standort für einen Fotografen – und ein wahrhaft trauriger Anblick für jeden Opel- und Oldtimerfan. Aber Ende gut, alles gut: Der Besitzer des Opels meinte, er habe einen Käufer für den Wagen, der ihn wohl irgendwann restaurieren werde.
Günter Floeck
Günter Floeck ist fotografisch breit aufgestellt: Er hat ein Faible für Konzertfotografie, ist früher der Sportfotografie nachgegangen und mag Street- sowie Urbexmotive.
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