Christina Brinkmann mag Musik – und sie fasziniert nicht nur die Akustik, sondern auch die Optik. Bei einem Instrumentenbauer ging sie der Frage nach, wie solch schöne Klänge eigentlich entstehen.

von Jamari Lior

© Fotos Christina Brinkmann

Fotografie, Musik, aber auch das Handwerk faszinieren Christina. Alles drei lässt sich wunderbar zusammenführen: Fotografie beim Instrumentenbauer. Uns verrät Christina Brinkmann, wie man eine dokumentarische Strecke am besten in Angriff nimmt.

 

Liebe Christina, wie kamst Du auf die Idee, Instrumentenbau zu fotografieren?  

Bei einem gemeinsamen Konzert habe ich den Geigenbauer Jörg Teibach kennengelernt. So kam eins zum anderen und die Idee, das Geschehen in einer Werkstatt fotografisch festzuhalten, war geboren. Nach einer Weile war ein passender Termin gefunden und ich durfte ein paar Stunden bei ihm verbringen. Nachdem ihm die entstandenen Bilder sehr gut gefallen haben, erzählte er mir von dem Klavier- und Cembalobauer Roland Heinz – bei ihm könne ich bestimmt auch nachfragen. Motiviert durch das positive Feedback und um ein paar Erfahrungen reicher, habe ich schließlich bei Herrn Heinz angerufen und durfte auch seine Werkstatt und Arbeit fotografieren.

Bei solchen dokumentarischen Strecken passiert mehr als das reine Fotografieren: Ich höre Geschichten zu einzelnen Instrumenten, kann im Detail sehen, wie die verschiedenen Instrumente aufgebaut sind und welche Feinheiten und spezifischen Anpassungen eingearbeitet werden können. Der Fotografie eröffnet sich so eine neue Welt.

Herausforderungen in der Werkstatt

Das Setting:

Die Werkstatt ist kein Fotoatelier. Sie ist nicht mit Hinblick auf Optik eingerichtet. Da sind Fantasie und ein Blick für Details und Bildaufbau gefragt, um dem Raum interessante Perspektiven zu entlocken.

Der laufende Betrieb:

Meist fotografiert man im laufenden Betrieb. Folglich muss man sich Gedanken machen, welche Technik trotz des begrenzten Raumlichts und Raumangebots zum Ziel führt und wie man den Betrieb möglichst wenig stört.

Technik:

Optimal sind oft lichtstarke Objektive, eine Kamera mit guter Leistung bei wenig Licht, ein kleines, batteriebetriebenes LED-Panel und ein Stativ. Wer die Weitwinkeloptik, also gewisse Verzerrungen, mag, kann so etwas einfacher arbeiten. Für Details eignen sich Makroobjektive.

Dadurch, dass die verschiedenen Arbeitsplätze teils künstlich beleuchtet sind, kann es auch zu Mischlicht-Situationen kommen, die in der Nachbearbeitung eine Herausforderung darstellen, sofern man nicht mit Schwarz-Weiß-Fotos arbeiten möchte.

Erzähle uns etwas zum Gegenstand: Wer ist heute Instrumentenbauer und was muss der-/diejenige von Musik verstehen? Wer kauft handgefertigte Instrumente? Sind sie besser als maschinengefertigte?

Es gibt ganz unterschiedliche Wege zum Instrumentenbau. Manche lieben die Musik, spielen schon immer ein Instrument und schauen sich um, was es neben der Konzerttätigkeit und Musikpädagogik an anderen Berufsfeldern mit Musik gibt. Bei manchen liegt das Handwerk, etwa das Tischlern, in der Familie und man orientiert sich mit der Zeit um. Natürlich gibt es auch Werkstätten, die über mehrere Generationen bestehen. Daneben existieren industrielle Werkstätten, in denen auch Musikunerfahrene ihren Beruf erlernen.

Arbeitet man in einer industriellen Fertigung, muss man nicht unbedingt das Instrument spielen können. Bei einer eigenständigen Werkstatt allerdings spielt der Instrumentenbauer meistens auch das jeweilige Instrument. Der Vorteil an der Beherrschung des hergestellten Instrumentes liegt auf der Hand: Man kennt Schwachstellen von Instrumenten aus eigener Erfahrung, kann diese verbessern und sofort beim Spielen die Ergebnisse beurteilen – die Bespielbarkeit kann besser eingeschätzt werden.

Allerdings hat möglicherweise ein Nicht-Spielender ganz andere und neue Ideen für die Verarbeitung des Instruments. Baut beziehungsweise restauriert man historische Instrumente sollte man natürlich um deren besondere Klangfarben und Eigenschaften wissen und diese bewusst (wieder) herstellen können. Auch muss man wissen, welche Anforderungen an das Instrument in der Praxis gestellt werden.

Da der Beruf des Instrumentenbauers nicht auf den reinen Bau beschränkt ist, sondern auch die Restaurierung, Reparatur und Instandhaltung beinhaltet, ist der Kundenstamm entsprechend weit gefasst – vereint durch die Liebe zum Musizieren. Berufsmusiker, aber auch passionierte Laien bestellen sich Instrumente, die genau ihren Vorstellungen oder Anforderungen entsprechen. Spielstätten investieren in neue oder restaurierte Instrumente. Und natürlich sind immer wieder Reparaturen erforderlich. Familien lassen ihre Instrumente instand setzen, um sie weiterhin zu bespielen oder sie zu vererben.

Auch „Zubehörteile“ wie Bögen werden von manchen Menschen in Auftrag gegeben. Jörg Teibach berichtete mir von einer Kundin, die mit den Schweifhaaren ihres eigenen Pferdes zu ihm kam und einen Bogen mit diesen Haaren bespannen ließ, damit ihr Pferd auch beim Spielen bei ihr sei.

Auf die Frage, ob handgefertigte Instrumente besser seien, kann ich mit einem klaren „Ja“ antworten. Zwar sind Instrumente im Laden ab einer gewissen Preisklasse durchaus brauchbar, wahre Meisterstücke entstehen aber doch nur per Hand. Die Verarbeitung und die Materialien sind hochwertiger. Der Kunde bekommt ein individuelles Instrument, das an seine anatomischen Merkmale, seine Klangvorstellungen und sogar an seine Spieltechnik angepasst wird, soweit das möglich ist. Der größte Unterschied ist aber der emotionale Wert eines handgefertigten Instruments und der Prozess der individuellen Anpassung. Das Gefühl, sein Instrument von einem Menschen persönlich überreicht zu bekommen, der Stunden seines Lebens damit verbracht hat, es herzustellen, liebevoll zu restaurieren oder zu reparieren, ist ohne Zweifel ein anderes, als im Geschäft etwas Fertiges zu kaufen.

Wie ergibt sich trotz beispielsweise unterschiedlicher Bildausschnitte ein Seriencharakter?

Für mich ist Holz ein warmer Werkstoff und die Tatsache, dass es sich um Musikinstrumente handelt, die dort gebaut werden, lässt an Tradition, Herzblut und Kreativität denken. Dementsprechend zieht sich der Werkstoff als roter Faden durch die Bilder. Die Werkzeuge und auch die Menschen werden immer im Zusammenhang mit Holz gezeigt. Nicht zuletzt trägt die warme Färbung der Bilder – auch als Ausdruck der Assoziationen zu den Instrumenten – zum Seriencharaker bei.

Welche Tipps gibst Du dem Anfänger für die Fotografie eines Prozesses?

Man sollte sich die Zeit nehmen, den Prozess zu verstehen und ihn zumindest ansatzweise mitdenken können. Man muss wachsam sein, die entscheidenden Augenblicke herausfiltern und entspannte Momente nutzen, um die verborgenen Schönheiten zu finden.

Natürlich gibt es auch oft zeitlich kritische Augenblicke im Herstellungsprozess, die man respektieren sollte. Außerdem gilt, dass es leichter wird, wenn man dem Prozess mehrfach beiwohnen darf.

Wie werden die Bilder nachbearbeitet?

Die RAW-Dateien passe ich im Schnitt und Kontrast an und nehme Abstimmungen der Gradationskurve vor. Dann geht es an die Details. Diese arbeite ich gerne per Pinsel heraus. Ich versuche, in den Bildern die Atmosphäre der Werkstatt herzustellen. Das geht gut über die Farbtemperatur und Farbanpassung (Luminanz, Sättigung) und manchmal experimentiere ich mit der Farbkalibrierung.

So hebe ich die Gebrauchsspuren im Werkzeug und die Strukturen der Holzmaserung hervor. Mein Ziel bei der Bearbeitung ist, die Bilder natürlich, aber spannend zu gestalten, sodass auch alltägliche Dinge in ein besonderes Licht gerückt werden.

Generell fotografiere ich aber von vornherein so, dass ich so wenig wie möglich am Rechner optimieren muss.

Konntest Du selber bei dieser Strecke etwas wertvolles Neues lernen?

Das Einnehmen von nötigem Raum ist ein wichtiger Aspekt, den ich dabei erfahren habe. Die Herausforderung: Man möchte einerseits den Arbeitsprozess nicht stören, andererseits muss man genau das manchmal tun, um gute Perspektiven zu bekommen. Je enger der Raum, desto mehr Kommunikation ist gefragt.

Technisch gesehen habe ich einmal mehr lichtstarke Objektive und eine gute ISO-Performance zu schätzen gelernt. Ein paar Bilder haben mich daran erinnert, beim nächsten Mal bei Langzeitbelichtungen nicht nur auf die eigene Regungslosigkeit zu achten, sondern auch auf die der Mitmenschen im Raum, besonders bei Holzfußböden. Ein weiterer Aspekt war die Beachtung von Mischlicht. Die Bilder sollten warm sein, daher habe ich einen Warm-Filter in das LED-Panel gesteckt. Auf dem Display fiel es mir nicht auf und ich war zufrieden mit der Optik. In der Bearbeitung, vor allem der blumenförmigen Farbschale, stellte ich fest, dass das einfallende Fensterlicht und insbesondere seine Schatten überhaupt nicht mit der warmen LED harmonierte. Zwar ließ sich das nachträglich anpassen, aber ich habe für mich mitgenommen, bei ähnlichen Situationen auf dem Warm-Filter zu verzichten oder ganz auf available light zu setzen. Die Bilder in der Klavierwerkstatt entstanden ganz ohne Zusatzbeleuchtung.

Vielen Dank für das Gespräch!