Als People-Fotografin ist der zwischenmenschliche Aspekt für Lea Pöll besonders wichtig. Im Interview verrät sie, wie sie ihre Models anleitet und gibt Tipps für das richtige Posing und bessere Porträts.
von Benjamin Lemm
© Bilder von Lea Pöll
Liebe Lea, als People-Fotograf muss man zwangsläufig mehrere Sachen gleichzeitig koordinieren. Wie schaffst du den Spagat zwischen der Kommunikation mit dem Model und der Fotografie?
Das hat vor allem mit Übung zu tun. Irgendwann hat man die Abläufe so drin, dass man nicht mehr darüber nachdenken muss. Wenn man sich als Anfänger noch nicht so ganz sicher mit dem fotografischen Teil ist, kann es helfen, mal ein echtes Modell zu buchen oder sich eine Person zu suchen, die weiß, wie sie sich bewegen muss. Dann kann man sich auf Kamera und Licht konzentrieren und muss das Model nicht noch zusätzlich anweisen. Wenn der fotografische Teil sitzt, kann man sich dann mehr auf die Person konzentrieren.
Wie vermittelst du deinen Models, was sie tun sollen?
Ich mache die Posen oft erstmal selbst vor. Das ist der einfachste Weg, dem Model zu zeigen, was man von ihr oder ihm will. Manchmal gebe ich auch konkrete Anweisungen, zum Beispiel „Überkreuz mal die Füße“. Ich sage allerdings auch immer dazu, dass sie sich frei bewegen sollen. Sonst wird das Ganze schnell zu steif und das wiederum kommt dann auf dem Bild nicht gut.
Außerdem ist Storytelling sehr wichtig. Man muss in seinen Models echte Emotionen wecken, sonst wirkt das Foto später aufgesetzt und hölzern. Wenn ich zum Beispiel möchte, dass die Person authentisch lacht, sage ich statt „Lach mal!“ lieber „Denk an eine lustige Situation“. Oder ich erzähle selbst etwas Witziges. Will ich einen starken, ernsten Gesichtsausdruck, fordere ich sie auf, an jemanden zu denken, den sie absolut nicht leiden können. Das klappt immer!
Inwiefern hilft es dir dabei, dass du selbst viel vor der Kamera gestanden hast?
Es hilft mir natürlich dabei, die Models beim Posing richtig anzuleiten, weil ich weiß, wie sich das anfühlt. Das ist sowieso ein guter Tipp für alle People-Fotografen: Probiert die Posen, die ihr von euren Models sehen wollt, vorher vielleicht selbst mal vor dem Spiegel aus. So könnt ihr auch mal sagen: „Ich weiß, das fühlt sich jetzt vielleicht doof an, aber es sieht super aus!“
Wie gehst du mit kamerascheuen Menschen um?
Eigentlich nicht anders als mit anderen Menschen auch. Das Wichtigste ist, dass sich die Leute bei mir wohlfühlen, denn das sieht man dann später auch auf den Fotos. Deswegen lege ich großen Wert auf eine entspannte Atmosphäre und das hilft dann natürlich auch Menschen, die weniger geübt vor der Kamera sind.
Um bei Outdoor Shootings warm zu werden, mache ich immer gerne erst einmal Bilder in der Bewegung. Dazu dürfen meine Kunden anfangs ein wenig auf mich zu spazieren, während ich sie fotografiere. In dieser Alltagssituation können sie sich viel leichter entspannen und verhalten sich natürlicher, sodass das Ganze am Ende nicht so gestellt aussieht.
Während ich im Studio das Licht vor dem Shooting einstelle, fordere ich die Leute auf, sich schon einmal ganz locker hinzustellen. Dabei schaue ich mir genau an, wie die Leute sich bewegen und stehen, ohne von der Kamera unter Druck gesetzt zu werden. Sie wissen oft gar nicht, dass für mich das Shooting zu diesem Zeitpunkt schon begonnen hat.
Wie erzeugst du diese entspannte Atmosphäre?
Zunächst einmal duze ich alle meine Klienten. Das baut die erste Distanz ab und bringt das Ganze auf eine freundschaftliche Ebene. Im Vorfeld des Shootings kläre ich ab, was sich die Person vorstellt und erkläre den Ablauf. Am Tag des Shootings quatschen wir dann erstmal ein wenig und lernen uns kennen. Wichtig ist, dass man miteinander redet und die Leute mit in den Prozess einbezieht. Ansonsten: Immer locker bleiben und Spaß haben.

Gibt es Unterschiede bei der Inszenierung von Männern und Frauen?
Bei Männern nimmt man gerne eine harte Lichtsetzung und macht das Ganze ein bisschen düsterer und rauer. Bei Frauen hingegen will man einen etwas zarteren und weicheren Look. Außerdem sind natürlich die Posen sehr unterschiedlich.
Welche Posen kannst du generell empfehlen?
Verschränkte Arme funktionieren bei Männern immer. Ansonsten kommt es sehr auf die Situation an. Frauen lasse ich gerne mit Accessoires spielen, zum Beispiel mit ihrem Kleid. Aber eigentlich sollte man sich nicht so auf feste Posen fokussieren, sonst wirkt das Bild später unter Umständen zu gestellt. Man kann sich aber durchaus daran orientieren!
Was sollte man in der People-Fotografie unbedingt vermeiden?
„Unschöne Füße“ kommen nie gut – das heißt, wenn die Füße keine Linie mit den Unterschenkeln bilden, sondern zur Seite abstehen. Ansonsten sollte man den Kopf nicht zu weit nach hinten nehmen, sondern ihn im Gegenteil wie bei einem Schildkrötenhals leicht nach vorne strecken. Sonst bekommt man allzu schnell ein Doppelkinn.
Wie oft machst du Shootings?
Das kommt auf die Nachfrage an. Am Wochenende shoote ich eigentlich immer. Wenn ich nicht gebucht bin, suche ich mir jemanden für ein TFP-Shooting. Aktuell habe ich auch unter der Woche vor allem Familienshootings. Nachdem im letzten Jahr unter Corona nicht so viel möglich war, haben viele Familien glaube ich, ein Nachholbedürfnis. Die Leute wollen Erinnerungen festhalten – deswegen sage ich auch oft: Wir machen hier keine Fotos, sondern wir schaffen zusammen Erinnerungen.

Model: Alexandra Lindner. „Normales Make-up war gestern. Hier habe ich Theaterschminke mit einer Zahnbürste aufgetragen, damit dieser coole Look entsteht.“
Wo findest du Models für deine TFP-Shootings?
Mittlerweile fast ausschließlich über Instagram. Ich schreibe Leute an oder sie schreiben mir und wir treffen uns zum Shooting. Instagram ist da nach wie vor die wichtigste Plattform für mich.
Was macht deine Bilder aus?
Für mich ist der kreative Aspekt sehr wichtig. Die Kulisse drum herum oder ein schönes Kleid sollen den Bildern einen kleinen Wow-Effekt geben. Ansonsten entsteht mein Stil vor allem in Photoshop.
Apropos Photoshop – wie bearbeitest du deine Bilder im Nachhinein?
Ich nehme ein paar Grundänderungen vor, pudere die Haut ein wenig digital ab und optimiere die Farben. Ansonsten bin ich vor allem ein großer Fan von Dodge and Burn.
Was kannst du Anfängern in der People-Fotografie sonst noch mit auf den Weg geben?
Das wichtigste ist, Spaß zu haben. Versteif dich nicht auf irgendwelche Posen und schnapp dir jemanden, der schon ein bisschen Erfahrung hat. Probier dich aus. Hab keine Angst vor Fehlern. Wenn ein Bild nicht gut ist, lösch es einfach. Das ist ja das Schöne an der digitalen Fotografie!
Wie geht es für dich weiter?
Ich möchte mich weiter verbessern und neue, kreative Ideen umsetzen. Allerdings möchte ich keine Vollzeitfotografin werden, sondern das Ganze weiterhin nebenbei betreiben. Fotografie soll mein Hobby bleiben. Ich möchte nicht darauf angewiesen sein und mir den Spaß an der Sache bewahren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lea Pöll
Lea Pöll (28) stand früher als Modell eher vor statt hinter der Kamera, bevor sie ihre Leidenschaft für die People-Fotografie entdeckte. Heute ist sie im Dialogmarketing tätig und arbeitet nebenbei als selbstständige Fotografin.
Instagram: lpfotografie
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