Jamari Lior ist eine Meisterin der Ideenfindung: Wie sie die Bibel zu fotografischen Kunstwerken inspiriert, verrät sie Ihnen hier. Das können Sie auch!

VON JAMARI LIOR
© ALLE FOTOS JAMARI LIOR

LEHMMUSTER Trockener und feuchter Lehm auf der Haut ergibt natürliche Muster.

LEHMMUSTER
Trockener und feuchter Lehm auf der Haut ergibt natürliche Muster.

Der Mensch ist aus Lehm geformt, darf man dem Alten Testament glauben. Und am Ende seines Lebens heißt es dort: „Asche zu Asche, Staub zu Staub“. Lehm und Staub sind auch sehr aussagekräftige Materialien für Fotoshootings. Sie symbolisieren Naturverbundenheit, aber auch Vergänglichkeit, können für den Kreislauf des Lebens stehen. In kulturell-religiösen Kontexten gilt der Mensch als Wesen, das aus Lehm geformt wurde: Neben der Schöpfungsgeschichte der Bibel kennen zum Beispiel Indianermythen diese Version, mit der sie die Hautfarben erklären. Beim ersten Menschen konnte Gott nicht abwarten und holte ihn zu früh aus dem Ofen – so entstanden die Weißen – beim zweiten genau zum richtigen Zeitpunkt, braun gebrannt, und den dritten ließ er zu lange im Ofen, sodass er dunkel wurde.

VORHER-NACHHER

In der Bildbearbeitung kam noch eine Grunge-Ebene dazu.

Bei unserem Lehm-Shooting mit Mister Ez und Model Sylvia ging es zu einer alten Lehmgrube. Hier wurde einst Lehm für Ziegel als Bauputz abgebaut. Wie typisch für solche Locations, konnte man nicht mit dem Auto vorfahren, also stand zuerst ein Fußweg durch Felder und ein Waldstück bevor, dann den Spuren der Bagger folgend in die Senke der Grube. Es war ein warmer Tag – wichtig für ein solches Shooting – und nach dem Fußweg war uns noch wärmer. Für Model Sylvia sollte sich das allerdings später ändern. Die Senke der Lehmgrube zeigte Risse und Spalten, durch den Sonnenschein war sie ausgetrocknet, aber es befanden sich noch einzelne Pfützen hier und da. Den nassen Lehm aus den Pfützen – alternativ selbst angefeuchteter Lehm – kann man gut als Kostümierung verwenden, er lässt sich leicht auf dem Körper verteilen. Wenn kein Akt-Shooting geplant ist, kann man auch möglichst beigefarbene Unterwäsche anlassen und diese mit einer guten Schicht Lehm bedecken. Auch Kleidung bedeckt mit Lehm kann spannend aussehen – jedoch gibt es keine Garantie dafür, dass die Outfits nach dem Shooting und gründlicher Wäsche noch nutzbar sind. In der Sonne trocknet der Lehm relativ rasch wieder und wird dabei heller und rissiger. Soll der Lehm ungleichmäßig aussehen, hell und dunkel, tragen Sie ihn mal dicker, mal dünner auf und/oder zeitversetzt, sodass einzelne Partien schon angetrocknet sind, während andere noch feucht-dunkel erscheinen. Soll die Farbe des Lehms hingegen möglichst überall gleich aussehen, empfiehlt sich ein sehr dünner Auftrag und danach der Gang in die Sonne, um von allen Seiten ähnlich zu trocknen. Der feuchte Lehm kühlt seine Trägerin – schön an heißen Sommertagen – unangenehm, wenn man im Schatten liegt oder einen nicht ganz so warmen Tag erwischt hat.

Um Sylvia nicht zu sehr zum Frieren zu bringen, haben wir sie in der Sonne liegen lassen. Immer, wenn ich für das Foto Schatten benötigte, hat Mister Ez sich mit dem Reflektor, genutzt als Sonnenschutz, in Position begeben. Teilweise habe ich auch mit einem streifigen Schatten gearbeitet, erzeugt von Mister Ez und mir selbst in lustigen Posen. Apropos „Posing“: Ich habe Sylvia bodennah fotografiert, um den Hintergrund, den Lehm, möglichst einheitlich zu belassen. Die Posen sind zum Teil zusammengerollt, „embryonal“ gewählt, um auf das „Werden und Vergehen“ hinzuweisen. Wer mich kennt, findet es vielleicht fast erstaunlich: Es ist kaum Requisite zum Einsatz gekommen. Ein paar Äste haben wir verwendet – das war’s auch schon. Ich finde, ein so inhaltlich starkes Motiv wie „Lehm“ braucht keine weiteren assoziativen Elemente. Sollen doch weitere Elemente das Set abrunden, können Sie neben Ästen und Gehölz auch anderes verwenden, das natürlich anmutet, zum Beispiel Steine, Sackleinenfetzen, grobe Seiten, Knochen und Schädel oder ähnliches. In der Bearbeitung habe ich durch Ebenenüberlagerung versucht, die Bilder flairreicher zu gestalten. In einigen Fotos wurden Staubwolken hinzumontiert. Die Idee hierzu ist in dem geflügelten Wort „Phönix aus der Asche“ zusammengefasst. Beim Phönix handelt es sich um einen mythologischen Vogel. Dieser verbrennt, wenn seine Zeit gekommen ist, und ersteht aus seiner Asche wieder auf – ein sehr hoffnungsvolles Bild. Über die Jahrhunderte wurde er zum Symbol der Unsterblichkeit und bei den Christen später zum Symbol der Auferstehung. Lehm bietet also ein reiches Assoziationsspektrum, kombiniert mit relativ wenig Aufwand in puncto Styling und Requisite – ein empfehlenswertes Thema.

LEHM UND STAUB – Werden und Vergehen. Die Montage macht die Szenerie noch dynamischer.

LEHM UND STAUB –
Werden und Vergehen. Die Montage macht die Szenerie noch dynamischer.