„Einfarbig“ klingt für einen Fan der Farbfotografie vielleicht etwas befremdlich – und doch kann sich die Farbfotografie gerade in diesem Genre besonders entfalten. Lassen Sie sich von monochromen Bildern inspirieren.

von Jamari Lior

Dieser Herbstwald bietet sich perfekt für ein Bild in einem Farbton an

Dieser Herbstwald bietet sich perfekt für ein Bild in einem Farbton an

Eine Farbe, was ist das Besondere daran? Ganz einfach: Im Alltag sieht man selten Einfarbigkeit.

Es gibt sie durchaus, nur dadurch, dass wir einen weiteren Ausschnitt der Realität wahrnehmen, erkennen wir sie meistens nicht. Wir sehen nicht nur das blaue Fahrrad vor der blauen Wand, sondern auch die weiße Bank daneben, auf der ein Mann im rotkarierten Hemd mit brauner Hose sitzt. Wir sehen nicht nur die weiße Vase auf dem weißen Regal, sondern auch die bunten Bücher daneben, die pastellfarbenen Gardinen, den schwarzen Sessel und den grünen Teppich. Monochromes ist für uns also recht ungewohnt im Alltag. Umso mehr können Sie das Prinzip „eine Farbe“ künstlerisch nutzen – sowohl in der dokumentarischen als auch in der inszenierten Fotografie.

Dokumentation

Passend zu Jana Lenas roter Mähne wurde ein rötliches Tuch arrangiert und der Hintergrund, vormals grün, umgefärbt Support: Fred Göllesch

Passend zu Jana Lenas roter Mähne wurde ein rötliches Tuch arrangiert und der Hintergrund, vormals grün, umgefärbt Support: Fred Göllesch

Suchen Sie gezielt nach Bildausschnitten, die monochrom erscheinen. Besonders gut eignen sich hier Hauswände, an die etwas gelehnt ist, das in der gleichen Farbe erstrahlt. Aber auch das Grün der Natur macht es Ihnen oftmals leicht: Zwischen Blättern und Büschen steht eine grüne Bank, auf der Wiese liegt ein grüner Ball – selbst so einfache Motive können sehr effektvoll wirken, gerade, wenn Sie mehrere davon zusammenstellen. Vielleicht finden Sie auch einzelne Farben, die Sie mit bestimmten Orten assoziieren, sodass Sie mit den Fotos auch Botschaften transportieren können. Die Stadt Marrakesch beispielsweise ist berühmt für ihre rötlichen Gebäude, de facto darf man dort sein Haus auch in keiner anderen Farbe streichen. Wegen seiner vielen ebenfalls rötlichen Häuser  wurde dem indischen Jaipur der Beiname „Rosafarbene Stadt“ verliehen. In Venedig sehen Sie eher gelbe, beige oder ockerfarbene Bauwerke. Und welche  Farbe hat Ihre Stadt? Auch in stylisch eingerichteten Räumen – Hotelzimmern, Bars, Kneipen und vielleicht auch Ihrem Wohnzimmer – finden sich häufig  kleine Ton-in-Ton-Arrangements. Gute Chancen für monochrome Fotos haben Sie auch in der Makrofotografie, wenn Sie etwa grüne Gräser und  Heuschrecken oder braunrote Herbstblätter und Tannenzapfen fotografieren. Achten Sie hier darauf, das Objekt perfekt freizustellen, damit das Bild trotz des mangelnden Farbkontrasts gut dechiffrierbar ist. Neben tollen Fotografien verspricht die Suche nach derartigen Bildausschnitten eine Chance, die Umwelt auf  eine ganz neue Art und Weise wahrzunehmen und mehr Freude am Sehen selbst zu gewinnen. Probieren Sie es aus.

Inszenierung

Natürlich können Sie monochrome Fotografien auch wunderbar inszenieren. Dafür stellen Sie in erster Linie Gegenständein einer bestimmten Farbe  zusammen. Das darf durchaus völlig skurrile Kombinationen ergeben. Wichtig ist es, einen Hintergrund in der entsprechenden Farbe zu finden. Hier bietet es sich zum Beispiel an, ein Tuch, eine Decke oder einen Papierhintergrund in dem Farbton zu besorgen oder gezielt nach einer passendfarbigen Wand zu suchen.  Eine andere Möglichkeit besteht darin, verschiedene Elemente zunächst nach ihren Formen oder Funktionen zu arrangieren und dann alles in einer Farbe anzusprühen. Auch wilde Zusammenstellungen von Objekten, die eigentlich gar nicht zusammengehören, sind absolut erlaubt. Die Sprühfarbe ist allerdings unter Umständen schwer zu entfernen. Nutzen Sie daher in diesem Fall am besten ausrangierte Gegenstände. Übrigens lassen sich auch Menschen  sehr schön in monochrome Szenarien integrieren. Ganz monochrom wird  es dann meistens nicht – das Augenweiß, unterschiedliche Farben von Haut- und  Haarfarbe ergeben gewisse Störer im monochromen Arrangement – doch als Fokuspunkt im Bild ist es durchaus vertretbar, dass sich hier gewisse  Farbunterschiede befinden. Wie wäre es mit einem Model im knallroten Kleid vor einer roten Wand? Oder einem Mann im schwarzen Anzug mit schwarzem  Hemd und dunkler Sonnenbrille vor einer dunklen Gasse?

Auch „Mengenthemen“ eignen sich gut. Damit es nicht zu langweilig wirkt, können Sie verschiedene solcher Bilder zusammenstellen.

Auch „Mengenthemen“ eignen sich gut. Damit es nicht zu langweilig wirkt, können Sie verschiedene solcher Bilder zusammenstellen.

Möchten Sie so monochrom wie möglich bleiben, bietet sich natürlich noch ein einfarbiges Bodypainting an, zum Beispiel in guter alter James-Bond-Manier ganz in Gold, wie in unserer letzten Ausgabe beschrieben. Und wenn es doch nicht so monochrom gelingt wie geplant, hilft Photoshop oder Affinity: Malen Sie auf einer  neuen Ebene in der gewünschten Farbe und stellen Sie den Ebenenmodus auf „Farbe“. Wenn Sie diese Art von Bildbearbeitung einplanen, sollten Sie mit  Farben arbeiten, die in der Helligkeit zur Wunschfarbe passen. Alternativ können Sie auch schon in einem Entwicklungsprogramm wie Lightroom beispielsweise  alle Rottöne in Richtung Pink oder Orange ziehen. So ist es also für ein Shooting nach dem Motto „monochrom Orange“ durchaus okay, auch etwas andere  Farbtöne zu nutzen, die sich entsprechend korrigieren lassen.