Mit „Trust Your Eyes“ hat die Redaktion Pictures Magazin ein Testinstitut als Partner für Objektiv- und Kameratests gefunden, dessen visuelles Testverfahren perfekt zur Philosophie von Pictures Magazin passt: Traue Deinen Augen.
Autor: Hans-Günther Beer
Wenn man eine Rangfolge der qualitätsbestimmenden Bausteine einer Digitalkamera aufstellt, stehen nicht etwa der Bildsensor oder der Bildprozessor an erster Stelle, wie viele Fotografen immer noch glauben, sondern ganz klar das Objektiv. Diese Erfahrung mussten viele Fotografen machen, als vor Jahren die ersten Pixelboliden mit Sensoren im Kleinbildformat und Auflösungen von 20 Megapixeln und mehr auftauchten. Und die Situation verschärfte sich noch, als die 30-Megapixel-Marke von Nikon und Sony gerissen wurde. Von dem erhofften Zugewinn an Schärfe und Bilddetails war in vielen Fällen nichts zu erkennen. Im Gegenteil, die Fotos wirkten unscharf und matschig. Grund: Die zumeist schon vorhandenen und von der Konstruktion her oft auch recht betagten Objektive – viele Objektivrechnungen stammen heute immer noch aus der Ära der Analogfotografie – konnten die von den hochauflösenden und großformatigen Sensoren geforderte Auflösung nicht mehr erfüllen. Vielmehr zeigten sie zusätzliche Bildfehler wie starke chromatische Aberration und dergleichen.
Verschärft wird die Situation dadurch, dass heutzutage Fotos nicht mehr als Dia auf eine Leinwand projiziert oder auf einem hochwertigen Papierabzug begutachtet werden, sondern am Computerbildschirm – und das meist in 100-Prozent-Ansicht und darüber. Abbildungsfehler sind sofort und eindeutig erkennbar. Vorteil: Jedermann kann sich ein Urteil über Bildschärfe in der Mitte oder in den Ecken, Auflösung oder Vignettierung machen und sich vor der Anschaffung eines neuen Objektivs „Testfotos“ in Foren oder auf Testseiten anschauen und spätere Fehlkäufe und somit Frust minimieren. Nachteil: Die handwerkliche Qualität solcher „Testfotos“ ist manchmal sehr zweifelhaft und die „Testbedingungen“ sind selten identisch, so dass echte Vergleiche gar nicht möglich sind. Da bleiben natürlich die immer wieder reproduzierbaren Objektiv- und Kameratests der etablierten Testinstitute oder einiger Webseiten, die ohne Frage wissenschaftlich fundiert und hinsichtlich der Abbildungsqualität sehr aussagekräftig sind. Allerdings ist die Interpretation von MTF-Kurven schwierig und für „Nicht-Fotoingenieure“ sehr abstrakt und voller Missverständnisse. An dieser Stelle sei auf eine Abhandlung „Wie liest man MTF-Kurven?“ von H. H. Nasse verwiesen, zu finden auf der Webseite von Carl Zeiss (www.zeiss.com). Auf jeden Fall müssen diese Messergebnisse von Fachleuten interpretiert werden.
Wie wäre es aber nun, wenn man das Generieren von Testfotos so standardisiert und nachvollziehbar sowie aussagekräftig macht, dass man sie einfach interpretieren und miteinander vergleichen kann? Eine Beurteilung der wichtigen optischen Eigenschaften von Objektiven wäre so vergleichsweise einfach. Und genau das dachten sich die Fotografen Robin Ochs, Michael Quack und Roland Rittau, tüftelten ein solches Testverfahren aus und starteten Trust Your Eyes, eine Unternehmung, die miteinander vergleichbare Testreihen von Objektiven und Kameras anfertigt und diese auf ihrer Webseite trust-your-eyes.com veröffentlicht. Das Team von Pictures Magazin hat sich sehr intensiv mit dem Verfahren und den Ergebnissen beschäftigt und vor Ort im Fotostudio von Michael Quack den Ablauf der Tests studiert. Das Ergebnis war so überzeugend, dass wir uns entschlossen haben, ab sofort die Testergebnisse in die Objektiv- und Kameratests von Pictures Magazin einzubauen.
Initiator und Ideengeber von Trust Your Eyes ist Robin Ochs, 37, der in Düsseldorf Medientechnik studiert hat, Mitgründer der weltbekannten Pro-Audio-Softwareschmiede Brainworx war und sich mit 3D-Visualisierung sowie 360 Grad-Fotografie für die Immobilienbranche einen Namen gemacht hat. 2013 gründete Robin Ochs das Unternehmen Picture Instruments, das die Software Mask Integrator zum automatischen Freistellen im Workflow mit dem Freemask System des Blitzgeräteherstellers Hensel entwickelt hat und weitere Software-Produkte wie Unlimited Filters oder Look Converter entwickelt und vertreibt. Im November 2013 lernte Robin Ochs Michael Quack und Roland Rittau kennen und begeisterte sie von seiner Idee. Michael Quack, 52, hat E-Technik studiert, arbeitete ab 1985 als Schichtleiter in einem Fachlabor und betreibt heute in Düsseldorf mit seiner Visual Pursuit GmbH ein erfolgreiches und renommiertes Fotostudio, dessen Spezialität unter anderem „komplizierte Lichtsituationen“ sind. Roland Rittau ist Datenverarbeitungs-Kaufmann und einer seiner beruflichen Stationen war die Mitarbeit bei dem unter Audiophilen wohl bekannten Unternehmen Clockwerk-Audio in Köln. Seit Mitte der 1980er Jahre fotografiert Rittau professionell im Sport-, Konzert- und Event-Bereich und arbeitet darüber hinaus als Berater für Fotografie und Marketing.
BEI VIELEN OBJEKTIVEN SIND DIE AUFNAHMEN bei Offenblende (links, Blende 1.4) etwas dunkler und wärmer als abgeblendet (rechts, Blende 4). Die Erklärung finden Sie im Text.
Aber was macht nun das Besondere an der Idee Trust Your Eyes aus? Im Grunde genommen fotografiert das Team im Studio von Michael Quack lediglich ein mit sehr viel Know-how, Sorgfalt sowie Liebe zum Detail aufgebautes Holztafel-Konstrukt, das mit vielen verschiedenen Materialien versehen ist, die das Beurteilen der optischen Eigenschaften von Objektiven und Kameras erleichtern. Diese Idee ist weder neu noch originell, angeblich sollen sogar manche Fotoclubs für ihre eigenen Tests ähnliche „Motive“ konstruiert haben. Neu und vielleicht einzigartig sind jedoch der technische Aufwand und die Akribie, die das Trust Your Eyes-Team betreibt, um die Qualität und die Reproduzierbarkeit der Testaufnahmen sicher zu stellen. Die Testkameras beispielsweise sind auf einem stabilen Dreiwegeneiger auf einem massiven Stativ montiert, das auf einem Schienensystem im richtigen Abstand – abhängig von der Brennweite und dem Bildformat – vor der Testtafel positioniert und arretiert wird. Ganz besonders großen Aufwand investiert das Trio in die Kontrolle der exakt parallelen Ausrichtung und der Schärfeeinstellung. Diese kontrollieren sie mit einem Monitorsystem bei größtmöglicher Vergrößerung. Beleuchtet mittels einer Hensel-Blitzanlage fertigen die Fotografen bei jedem Objektiv Aufnahmereihen mit allen Blendenwerten und je nach (Zoom-)Objektiv drei oder vier unterschiedlichen Brennweiten-Einstellungen. Das Rauschverhalten von Kamerabodys wird ebenfalls getestet, allerdings mit dem „besten verfügbaren Objektiv für jedes Kameramodell“, so Michael Quack, „an Vollformat und APS-C nehmen wir in der Regel Blende 5.6, beim MFT Blende 4“ (siehe auch Test der Nikon D750 im Heft auf Seite 52). Alle Aufnahmen werden im JPEG-OOC- (out of the camera) und im RAW-Format abgespeichert und auf der Webseite angeboten. Hinzu kommen noch JPEG -Files, die mit Adobe Lightroom 5 entwickelt wurden.
Selbstverständlich sind dabei alle „Verbesserungsfilter“ und Objektivkorrekturen in Lightroom abgeschaltet. Dadurch kann man beispielsweise durch das Vergleichen der OOC- mit den Lightroom-JPEGs feststellen, wie stark und an welchen Stellen die Optimierungs-Algorithmen der Kamerabodys greifen. Das Testchart selbst, eigentlich müsste man von einer Testlandschaft sprechen, ist wie gesagt, äußerst aufwändig aufgebaut. Es dominiert der Werkstoff Holz. Das Testteam verwendete vorwiegend alte Holzbohlen mit „viel Charakter“, die aufgrund der feinen und feinsten Strukturen das Beurteilen von Schärfe und Unschärfe einfach machen. Hinzu kamen viele zusätzliche Elemente wie Farbstifte, das beliebte Küchensieb oder Stoffreste. Die unterschiedlichen Segmente der Testtafel eignen sich auch für die Beurteilung unterschiedlicher Eigenschaften der Testkandidaten. So ist beispielsweise die untere rechte Ecke sehr gut für einen Vergleich der Randschärfe mit der in der Bildmitte geeignet. Die Testtafel ist übrigens nicht eindimensional, sondern dreidimensional aufgebaut – was im ersten Augenblick vielleicht etwas irritieren kann. Dies trifft unter anderem beispielsweise auch auf die linke obere Ecke zu. Die eignet sich folglich nicht, um dort bei offener Blende die Randschärfe zu beurteilen. Ist diese Ecke dennoch scharf, hat das Objektiv eine Bildfeldwölbung. Die Punkte mit gleicher Schärfe liegen also nicht auf einer Ebene, sondern diese ist zu den Rändern hin wie eine Schale etwas nach vorne gewölbt. An den Metallteilen der Pinsel oder am Küchensieb lässt sich eindeutig eine eventuell auftretende chromatische Aberration in Form von violetten und grünen Farbsäumen erkennen– abhängig von der Blende natürlich.
Die zum Erstellen der Testaufnahmen verwendeten Blitzköpfe von Hensel weisen abhängig von der abgestrahlten Lichtmenge eine unvermeidbar geringe Farbtemperatur auf.
Auffallend ist bei vielen Objektiven das Phänomen, dass bei offener Blende, beispielsweise 1.4 aber auch wenn einmal abgeblendet wurde, die Aufnahmen selbst in der Mitte dunkler und vor allem insgesamt etwas wärmer wirken, als bei kleineren Blendenöffnungen. Über diesen Effekt haben wir intern ausgiebig diskutiert, unter anderem auch mit Andreas Jürgensen, seines Zeichens Fotoingenieur und Betreiber des Leica- und des Systemkamera-Forums. Als mögliche Erklärung kommen einige Gründe in Frage:
Das entsprechende Objektiv hat in Wahrheit eine geringfügig kleinere Offenblende als angegeben. Deswegen gibt der Blitzbelichtungsmesser, mit dessen Hilfe die Blitzanlage vor jeder Aufnahme einjustiert wird, eine „falsche“ Blende vor. Diese geringfügig kleinere Blende ist nicht außergewöhnlich und spielt in der fotografischen Praxis keine Rolle, denn es ist völlig gleichgültig, ob es nun Blende 1,4 oder Blende 1,5 ist, zeigt aber die Akribie bei den Testaufnahmen. Fachleute begründen diese „kleinere“ Blende mit Transmissionsverlusten im optischen System des Objektivs. Stichwort: Je mehr Glas sich vor dem Sensor befindet, umso höher diese Verluste. Deshalb geben die Hersteller von professionellen Videoobjektiven, wie etwa Zeiss, zwei Werte für die offene Blende an, einen mathematisch errechneten aufgrund der mechanischen Blendenöffnung und einen unter Berücksichtigung der Transmissionsverluste. Abdunklungen in den Bildecken sind allerdings der Vignettierung des Objektivs geschuldet und werden oft bei OOC-JPEGs und bei Aktivierung der Bildkorrektur im RAW-Konverter gar nicht mehr sichtbar, da sie softwaremäßig kompensiert werden.
DER TESTAUFBAU IM STUDIO von Michael Quack (Mitte) erfolgt mit viel Akribie und Präzision. Im Vordergrund links Andreas Jürgensen, Betreiber des Leica-Forums.
Eine visuelle Beurteilung der Abbildungsqualität war das Ziel
Für den wärmeren Bildeindruck bei offener Blende hatten wir sehr schnell die Blitzanlage im Verdacht. Da bei offener Blende die Blitzköpfe nur noch vergleichsweise geringe Lichtmengen abgeben dürfen, könnte darunter die Konstanz der Farbtemperatur leiden. Deshalb haben wir entsprechende Messreihen durchgeführt, die Ergebnisse stellt die Kurve oben dar. Hier ist in der Tat ein geringfügiges Absinken der Farbtemperatur bei geringen Lichtmengen beziehungsweise bei offener Blende festzustellen. Ob dies aber das Phänomen vollständig erklärt, sei dahingestellt. Übrigens: Da ein Expert D500-Blitzkopf von Hensel, wie auch die von anderen Herstellern, nicht alle für die Testreihen geforderten Blendenstufen abdecken kann, verwendet das Trust Your Eyes-Team bei kleinen Blendenöffnungen die Kombination von Blitzkopf EH Mini und Generator Nova DL 2400 von Hensel – daher zwei Kurven.
ENTSCHEIDEND IST NEBEN DEM SORGFÄLTIGEN Aufbau eine pingelige Scharfeinstellung, hier wird mit dem Sechs-Augen-Prinzip gearbeitet.
Pictures Magazin druckt in den Objektiv-Tests pro Objektiv und Brennweite sehr kleine Ausschnitte aus den Originaldateien ab. Diese wurden so ausgewählt, dass trotz der Verluste durch den Offsetdruck eine eindeutige Beurteilung der wichtigsten Eigenschaften eines Objektivs bei Offenblende und abgeblendet möglich ist: speziell die Schärfe in der Bildmitte im Vergleich zur Schärfe rechts unten. Damit sind für alle Leser die Bewertungen der Testredakteure visuell nachvollziehbar, eine Bearbeitung durch künstliches Nachschärfen oder dergleichen erfolgte selbstverständlich nicht. Auf der Webseite www.pictures-magazin.de publiziert die Redaktion von Pictures Magazin darüber hinaus für alle, die weiter ins Detail gehen wollen, alle Ausschnitte bei allen Blendenöffnungen. Dort finden Sie auch einen Link, zu den jeweiligen Testdateien auf der Webseite von Trust Your Eyes, wo Sie sich die kompletten Datensätze gegen ein kleines Entgelt herunterladen können. Die Erkenntnisse aus den Testcharts ersetzen nicht die umfangreichen Praxistests von Pictures Magazin, sondern ergänzen sie. Weiterhin spielen wie gehabt viele andere Aspekte eine große Rolle, darunter die praktischen Erfahrungen im Umgang mit Kameras und Objektiven, Ausstattung, Verarbeitung, Autofokusschnelligkeit und Genauigkeit und vieles mehr.
Freuen Sie sich mit uns auf die noch aussagekräftigeren Tests in dieser Ausgabe und viele weitere in den nächsten Heften.
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