Mike Kreiten ist ein wahrer Meister der architektonischen Abstraktion. Er spielt mit Formen und Licht und reduziert Gebäude dabei auf einzelne interessante Aussagen.
Von Alena Schmidt
© Fotos Mike Kreiten
Die Darstellung von abstrakten Formen, die manchmal nur noch entfernt an die ursprünglichen Strukturen der Gebäude erinnern – das könnte man als Mike Kreitens persönlichen Stil beschreiben. Ab und an findet man unter seinen Fotos jedoch auch Abbildungen von ganzen Gebäuden, oft geprägt durch Symmetrie. Ähnlich gegensätzlich verhält es sich auch mit dem Einsatz von Farbe bei dem Fotokünstler: Reduzierte Farben und Schwarz-Weiß dominieren seine Bilder; manchmal setzt Mike auch gezielt knallige, explosive Farben ein. Und trotzdem wirken alle seine Aufnahmen untereinander sehr harmonisch, wie aus einem Guss. Doch wie gelingt ihm das?

Das gewaltige Dach des Messezentrums in Basel – 30 Meter Durchmesser. Nikon D3s, 17 mm, f/13, 1/320 s, ISO 250.
„Mein Genre nenne ich architektonische Abstraktion“, erklärt Mike Kreiten. „Das Spielen mit Formen und Licht. Wie bei jeder Abstraktion versuche ich, typische oder beschreibende Elemente zu isolieren, um den Betrachter das Ganze nur erahnen zu lassen. Das kann mal die Hälfte eines Gebäudes sein, mal viel weniger, selten zeige ich mal das Ganze. Das Gehirn eines Betrachters mag Aufgaben, so meine Theorie. Dieser rote Faden zieht sich durch die meisten meiner Bilder, daher passen sie gut zusammen – egal ob in Farbe oder Schwarz-Weiß.“ Außerdem erzählt der Fotograf, dass er ein gespaltenes Verhältnis zu Farben hat. „Mich interessieren Formen, Symmetrien, vor allem Verläufe, Muster und Kurven. Das ist auch etwas, was die Fotos vereint – sie sind sehr grafisch. In der Regel fotografiere ich in Schwarz-Weiß. Das hilft mir, mich mehr auf die Formen, das Layout und das Licht zu konzentrieren. Farben dürfen dann bleiben oder aus dem RAW wieder hervortreten, wenn sie dazu beitragen; dann aber oft auf zwei Töne reduziert. Reduktion ist nie verkehrt.“
Kritik zur Weiterentwicklung
Zu seinem ganz persönlichen Stil gefunden hat Mike auf einem eher ungewöhnlichen Weg. Als Leiter einer Gruppe internationaler Bildkritiker auf 1x.com nimmt der IT-ler sich in seiner Freizeit die Werke vieler guter, meist abstrahierender Architekturfotografen vor, die ihn maßgeblich in seinem Stil beeinflusst haben. Mike beschreibt 1x.com als eine anspruchsvolle Mischung aus kuratierter Online-Galerie und Fotocommunity. Durch das Schreiben von Kritiken und das Wissen seiner Kollegen auf der Website, hat der Fotograf schneller dazugelernt, als er es je alleine hätte schaffen können. „Kritik ist essenziell für jeden, der weiterkommen möchte“, meint er. „Man kann sein eigenes Werk nicht so betrachten, wie ein Fremder es sehen würde. Die Erinnerung an den Entstehungsprozess und die emotionale Bindung an ein Foto verhindern eine objektive Betrachtung . Wenn jemand sich die Mühe macht, ein Bild detailliert und ehrlich zu kommentieren, ist das eine große Hilfe. Meine Freundin, selbst von ganzem Herzen Fotografin , ist immer noch meine härteste Kritikerin. Sagt sie ‚Das neide ich dir‘, gibt es kein größeres Kompliment.“

Eine Balance der Asymmetrie, immer eine Herausforderung. Nikon D750, 16 mm, f/10, 1/160 s, ISO 200.
How-to Architekturfotos
Das wichtigste Instrument für großartige Architekturfotos sind, so Mike, geeignete Lichtverhältnisse. Passt das Licht nicht, kann man gegebenenfalls zu einer anderen Uhrzeit zurückkommen. Vieles lässt sich nicht so einfach in Photoshop korrigieren. Außerdem achtet der Fotograf darauf, die Verzerrungen von Weitwinkelobjektiven auszubessern. Daher kalkuliert er bei Aufnahmen unter 50 mm immer einen zusätzlichen Rand beziehungsweise eine „Marge“ ein, die später am Computer bei der Korrektur geschnitten wird. Bei Mike muss die Symmetrie jedoch immer echt sein. Vor Ort zählt er sogar oft die Fenster oder Kacheln, um ganz genau zu arbeiten.

11930024: Kubismus aus Prag, eine Abstraktion der weltberühmnten Treppe. Nikon D750, 16 mm, f/14, 13 s, ISO 250.
In der Planung seiner Fotos geht Mike genauso bedacht vor. Er reist gezielt an Orte, an denen sich interessante Gebäude befinden. Er erzählt uns, dass die gewagten Bauten von Gehry, Haddid, Calatrava und Foster & Partners zu den großen Leidenschaften vieler Architekturfotografen zählen und er gezielt nach solchen sucht. Die Recherche dient außerdem dazu, Informationen über die Orientierung der Gebäude zu sammeln. Vor Ort begehen Mike und seine Lebensgefährtin die Motive zuerst, um trotzdem nochmal zu sehen, welche Tageszeit sich am besten eignet, bevor sie die Bauwerke tatsächlich fotografieren.

11950358: „Atlantis“, der nach 48 Jahren immer noch futuristisch wirkende Bau von Eb Zeidler in Toronto. Nikon D750, 16 mm, f/13, 1/25 s, ISO 250.
Bearbeitung
Zum Schluss steht nur noch die Bearbeitung zwischen Mikes Fotos und einem Upload bei 1x.com oder sonstigen Websites. Dabei betreibt er recht viel Aufwand, denn ihm zufolge sind die Gebäude selten so sauber, wie man sie gerne vorfinden würde. Auch Reflexionen können sehr aufwendig zu retuschieren sein, da man im Eifer des „Gefechts“ schnell Gegenstände wie Laternen, Ampeln oder Kräne übersehen kann. Außerdem korrigiert er die Belichtung. Die Bildkomposition ändert Mike selten, sofern sich ein 3:2-Format für den jeweiligen Internetauftritt eignet. Unechte Symmetrie, sagt er, würde ein Profi sofort erkennen.
Mike Kreiten
Mike Kreiten beschreibt seinen Job in der IT-Industrie als vielfältig und kreativ – und genau das gleiche kann man über seine Art der Architekturfotografie sagen.
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