Lia Konrad verzaubert mit opulenten und fantasievoll inszenierten Fotos – dabei reicht ihr Repertoire von Epic Fantasy bis zu klassischer Beauty-Fotografie.

Von Alena Schmidt

© Fotos Lia Konrad

Eine junge Frau steht in einem wehenden Kleid auf einer Lichtung. Nebel wabert träge an ihr vorbei, die langen Haare rahmen das blasse, zarte Gesicht. In ihren Händen hält sie elegant ein kleines Bouquet. Diese Szene, die klingt, als wäre sie einem Traum oder Fantasy-Roman entsprungen, erlebt man bei Shootings von Lia Konrad hautnah mit. Eine ihrer liebsten Requisiten, wenn man es so nennen kann, ist Nebel.

„Wenn Sie bei Outdoor-Shootings Nebel verwenden, dann brauchen Sie leider viel Glück mit dem Wetter“, erzählt Lia. „Schon ein kleiner Windhauch kann die ganze Bildkomposition erschweren.“ Deshalb gibt die Fotografin dem Model meist eine bestimmte Pose vor, die sie dann für mehrere Aufnahmen hält. Währenddessen macht Lia mehrere Fotos vom Nebel, der langsam am Model vorbeizieht. Anschließend kann sie den Nebel in Photoshop aus zehn bis fünfzehn Aufnahmen relativ einfach in das Foto einfügen, auf dem die Pose am besten wirkt.

Episch & fantasievoll

Zum kreativen Einsatz von Rauch und Nebel inspirierten Lia die frühen, experimentellen Werke von Benjamin von Wong, dem sie auch schon vor sieben Jahren, zu Beginn ihrer Karriere als Fotografin, assistierte. Damals shootete sie noch hauptsächlich im Fantasy- und Epic Fantasy-Bereich. Mittlerweile hat sie sich auf Fine Art, Beauty- und Storytelling-Fotografie spezialisiert. Irgendwo zwischen epischer Fantasie und einer märchenhaften Geschichte ist wohl auch Lias Lieblingsbild „A bizarre heart“ angesiedelt. Diesen Namen verdankt das Foto dem bewusst unnatürlichen und fast bizarren Styling. Das zauberhafte Kleid und die Brustplatte bastelte die Fotografin sogar selbst. Das Kleid ist aus fliederfarbenem Chiffon und die Brustplatte aus dem Modelliermaterial Worbla. Bei der Modellierung der Form halfen ihr YouTube-Videos und eine Schneiderpuppe, die sie als Modell nutzte. Um das Kleid zu schneidern lieh sie sich die Nähmaschine ihrer Oma. „Man sollte sich vorher genau überlegen, was man braucht, bevor man einkaufen geht“, rät Lia. „Wie viele Meter Stoff benötige ich? Wie forme ich Worbla? Und was muss man beim Nähen von Chiffon beachten?“

Retusche & Komposition

Genau wie bei den meisten ihrer Fotos hat Lia Konrad sich bei der Bildbearbeitung von „A bizarre heart“ zuerst die Retusche vorgenommen. Dabei werden Hautunreinheiten entfernt, Falten im Kostüm geglättet und störende Dinge im Hintergrund beseitigt. Anschließend setzt sie sich an die Komposition des Bildes und stellt sich die Frage, was sie tun kann, damit das Bild stärker wirkt. Die Anwort lautete in diesem Fall: dramatische Lichteffekte und eine Eule, die in Photoshop eingesetzt werden. Der letzte Teil ist in Lias Bearbeitungsprozess der am längsten dauernde Part: Verändert sie die Farbgebung eines Bildes, verwendet sie ausschließlich die Tonwertkorrektur, Gradationskurven und die selektive Farbkorrektur. Doch häufig hat sie für jedes Tool bis zu sechs verschiedene Ebenen, die aufeinander aufbauen. Insgesamt kann solch eine Bearbeitungssession schon mal vier Stunden dauern, da das Einarbeiten von Effekten wie Lichtstrahlen und Eulen aus vielen kleinen Schritten besteht. Bei aufwendigen Projekten muss sich das Model dann schon mal vier Wochen gedulden, bis alle Fotos fertig sind.

Bis Lia genau wusste, welches Tool in Photoshop ihr welchen gewünschten Effekt beschert, musste sie viel ausprobieren. „In meinen ersten Jahren habe ich ganz akribisch die Fotos meiner Vorbilder studiert und Vorher-Nachher-Bilder verglichen. Dadurch lernt man eine Menge über Farbharmonie. Es hat mir geholfen zu erkennen, welche Schritte ich in Photoshop gehen muss, um zu dem finalen Bild zu kommen, das ich in meinem Kopf habe“, erzählt sie.

Kostümiert

Nicht erst in Photoshop vollziehen Lia Konrads Modelle oft eine extreme Verwandlung, sondern schon durch die opulenten Kostüme: Nach einem sehr aufwendigen Fashion-Shooting inklusive großer, weißer Rococo-Perücke mit Blumen und einem schönen Hochzeitskleid, verschwand das Model im Gebüsch des Parks, um sich umzuziehen. Als sie in Jogginghosen und mit kurzen orangen Haaren wieder hervorkam, waren die versammelten Zuschauer sehr überrascht davon, welche verblüffende Veränderung Perücke und Kostüm bewirken können.

Für die Zukunft wünscht Lia sich – neben umwerfenden Kostümen und Verwandlungen – ein Fotoshooting in Schweden mit Miranda Hedman, die sie vor ein paar Jahren auf der Internetplattform DeviantART kennenlernte. Davon abgesehen lässt sie sich gerne überraschen, was die Zukunft bringt. //

Die Ausrüstung

  • Canon 6D
  • Canon EF 50mm f/1.8 STM
  • Helios 44-2 58mm 1:2 (selten für Porträtaufnahmen)