In die Falle getappt
Dominik Kwetkat fotografiert seit 2012 Wildtiere. Doch selbst moderne Kameras kommen schnell an ihre Grenzen, sobald die Nacht hereinbricht. Aber genau dann fühlen sich die meisten Tiere am wohlsten. Um auch in der Dunkelheit nah an seine Motive heranzukommen, fotografiert Kwetkat mit einer Kamerafalle.
von Paul Schulz © Fotos Dominik Kwetkat
Erst wenn die Sonne hinter dem Horizont des Erzgebirges verschwindet, wagen sie sich aus ihren Verstecken: Füchse, Rehe, Waschbären und Fischotter beginnen vor allem mit Einbruch der Nacht ihre Streifzüge durch die Wälder. Das Fotografieren wird jedoch in der beginnenden Finsternis fast unmöglich. „Wenn ich abends das Ansitzen beim Dachsbau beenden musste, habe ich mich oft geärgert. Nachts ist im Wald mehr los. Einige Tiere, wie Fischotter, sind sehr scheu und deswegen nur nachts unterwegs“, sagt Dominik Kwetkat. Bereits seit 2012 fotografiert er Wildtiere. Seine Idee, die Tiere auch nachts zu begleiten, wollte er nicht aufgeben. Um zu wissen, wo er auf welche Tiere treffen kann, hatte er schon immer Wildkameras im Einsatz. Doch die Qualität dieser Kameras eignet sich nicht für die Fotografie. Nach einiger Recherche fand er 2018 im Internet die Lösung: Spiegelreflex-Kamerafallen.
„Testbilder wie dieses geben mir einen Eindruck über das Zusammenspiel von Bildaufbau und Belichtung. So kann ich eine Über- bzw. Unterbelichtung des Tieres erkennen und auch den gewählten Bildausschnitt in Relation zur Größe des erhofften Tieres besser beurteilen.“
Aller Anfang ist schwer
Nach seiner Recherche kehrte Kwetkat zum Dachsbau zurück. Er stellte seine Kamera mit einem Fernauslöser und einem Blitz vor den Eingang des Dachsbaus und wartete mit einem Nachtsichtgerät auf die Tiere – die ganze Nacht. Nichts. Auch in der nächsten Nacht wartete er wieder vergeblich. „Die Dachse können zwar nicht besonders gut sehen, aber riechen können sie sehr gut.“ Kwetkat vermutet, die Dachse müssten die Kamera gerochen haben. Dann seien sie aus einem anderen Ausgang gekrochen, um in die Nacht zu ziehen. „Ich habe schnell gemerkt, dass dieser Zeitaufwand in keinem Verhältnis zu den möglichen Bildern stand.“
Die Lösung: eine Lichtschranke, die die Kamera automatisch auslöst, sobald etwas durch ihren unsichtbaren Strahl hindurch läuft. So müsste Kwetkat die Kamera nicht mehr selbst auslösen und könnte sie einfach im Wald „zurücklassen“. Und tatsächlich: Der erste Versuch, an einem umgestürzten Baum, mit platt getretenem Moos gelingt: Ein Waschbär tappt in die Falle. Gleichzeitig mit der Kamera lösen Kwetkats Blitze aus und belichten das Tier. Die richtigen Einstellungen waren natürlich schon vorher geplant.

„Tiere wie Waschbär, Fuchs oder Marder nutzen gern umgestürzte Bäume, um sich auf ihnen, wie auf Straßen, durch den Wald zu bewegen. Dabei sind sie unfassbar neugierig und müssen alles Unbekannte untersuchen. Meist mit ihren Vorderpfoten.“
Wildfotografie trifft Studiobeleuchtung
Aus diesen ersten Versuchen mit automatisch auslösenden Kameras hat sich inzwischen eines von Kwetkats Hauptprojekten entwickelt. Mit bis zu zwanzig handelsüblichen Wildkameras kundschaftet er inzwischen die Wälder im Erzgebirge nach potenziellen Orten für seine selbstgebauten DSLR-Kamerafallen aus. Meistens ist er auf der Suche nach einem bestimmten Tier. Daher sucht er zuerst nach Tierspuren. Das Wissen hat er sich über die Jahre angelesen, ist mit Spurlese-Büchern durch den Wald mäandert.
Bis zu ein Jahr lang hängen die Wildkameras dann an den ausgewählten Orten, bevor er eine Kamerafalle installiert. Immer wieder überprüft er, ob Menschen vorbeispazieren und wie oft Tiere die Stelle frequentieren. Interessant ist häufig auch, in welche Richtung die Tiere sich bewegen: „Natürlich laufen nicht alle Tiere in dieselbe Richtung, aber man kann deutlich erkennen, welches die bevorzugte Laufrichtung ist. Dementsprechend plane ich dann auch mein Kamera-Setup.“ Schmunzelnd ergänzt er: „Das Hinterteil von Wildtieren fotografiere ich eher ungern.“

„Ein schöner Rücken kann auch entzücken ... Hier kam der Fuchs leider aus der falschen Richtung.“
Präzise geplanter Bildaufbau
Beim Bildaufbau überlässt Kwetkat deswegen nichts dem Zufall. Alt bekannte Fotografieregeln wie „Vordergrund macht Bild gesund“ gelten allerdings auch für seine DSLR-Kamerafallen: „Ich habe gerne umgekippte Bäume oder einen Baumstumpf im Vordergrund. Dann suche ich mir einen schönen Bildausschnitt. Einfach nur ein Tier am Waldboden mit schwarzem Hintergrund – das sieht langweilig aus.“
Als Nächstes richtet er bis zu drei Blitze auf die Stelle, an der er ein Tier erwartet. Der Aufbau klingt nicht nur nach Studiofotografie, sondern funktioniert auch ganz ähnlich: eine typische Drei-Punkt-Beleuchtung. Ein Blitz wirkt als Hauptlicht und beleuchtet das Tier von der Seite. Dazu wird der Blitz leicht erhöht in einem etwa 45-Grad-Winkel zur Kamera installiert – so wirkt das Licht natürlicher. Ein „Fülllicht“ blitzt von der anderen Seite der Kamera und ist etwas schwächer eingestellt als das Hauptlicht. Dieser Blitz hellt die harten Schatten auf, die sonst im Schwarz der Nacht entstehen würden. Manchmal nutzt Kwetkat zusätzlich noch ein sogenanntes Spitzlicht. Mit diesem kann er die Tiere vom Hintergrund absetzen und dem Fell deutlich mehr Details verleihen. Dieser Blitz „versteckt“ sich dann hinter den Tieren.

Ein solches Set-Up lässt Kwetkat wochenlang im Wald zurück, um die Wildtiere möglichst wenig zu stören.
Besonders durch diese professionelle Beleuchtung und die Qualität der von Kwetkat eingesetzten Kameras unterscheiden sich die Bilder deutlich von den typischen Fotos, die man aus Wildkameras kennt.
Einige Fotografen gehen sogar noch weiter: Blitze können auch so installiert werden, dass bestimmte Bildelemente, wie Baumstümpfe in der Landschaft, gezielt belichtet werden können.
Etwa eine Stunde braucht Kwetkat für den Aufbau der Kamera. Er tappt bewusst mehrmals selbst in die Kamerafalle, um so die Belichtung und den Bildaufbau zu testen. Den menschlichen Geruch, den er in dieser Stunde hinterlässt, meiden die Wildtiere dann für einige Zeit. Er versucht, die Fallen deswegen eher auf trockenem Waldboden aufzubauen. Günstig ist, wenn es nach dem Aufbau regnet. Denn dann bleibt der menschliche Geruch nicht allzu lange an der Kamera haften.
Marke Eigenbau
Bis zu zehn Wochen stehen die Kameras von Kwetkat dann im Wald und „lauern“ auf den richtigen Moment. In dieser Zeit müssen die Kamera und das Equipment dem Wetter trotzen. Um die Blitze zu schützen, nutzt er einfache Tupperdosen. So fließt kein Regen- oder Tauwasser in die Gehäuse. Die für das „Camera-Trapping“ typischen Nikon SB-28-Blitze haben außerdem einen Stand-by-Modus. So können sie bereits im normalen Betrieb bis zu zwei Wochen laufen. Falls die Kamerafalle länger stehen soll, nutzt Kwetkat selbstgebaute Akku-Packs.
Statt der Lichtschranke benutzt Kwetkat inzwischen einen Bewegungsmelder von Camtraptions. Dieser sendet bei Aktivierung ein Signal an die Kamera, damit diese auslöst. „Zwar kann man so etwas auch selbst bauen, so technisch versiert bin ich allerdings nicht.“ Die Kamera steht in einem Gehäuse. Zwar stellt Camtraptions auch diese her, doch da der Platzbedarf für Akku-Erweiterungen und Kabel sich oft unterscheidet, baut Kwetkat seine Gehäuse selbst. Dafür montiert er als Erstes eine Stativplatte an ein wasserfestes „Outdoorcase“ und dann innen eine Schnellwechselklemme für seine Kamera. So können die Kamera im Gehäuse, und das Gehäuse auf einem Stativ stehen. Für das Objektiv schneidet er ein Loch in das Gehäuse und befestigt am Ende ein Rohr. Somit ist auch das Objektiv vor Wasser geschützt. Nur in den Morgenstunden entstehen durch das Kondenswasser regelmäßig „beschlagene“ Aufnahmen. „Das Objektiv freut sich natürlich nicht, wenn es jeden Morgen der Feuchtigkeit ausgesetzt ist. Aber bis jetzt ist noch nichts passiert.“

Ein Fischotter pflegt in einer alten Wehranlage sein Fell. Fischotter haben ein äußerst dichtes Fell mit circa 50.000 Haaren pro cm². Dieses Fell ist für den Fischotter überlebensnotwendig, da er sonst im kalten Wasser auskühlen würde.“
Andere Fotografen befestigen zusätzlich eine Glasplatte oder einen UV-Filter am Ende des Rohrs, um das Objektiv zu schützen, Kwetkat nicht: „Ich verstehe nicht den Sinn dahinter, Warum sollte ich mit einem hunderte Euro teuren Objektiv durch einen zwei Euro Filter fotografieren?“ Außerdem komme es zu Bildverzerrungen, wenn man mit einem weitwinkligen Objektiv durch eine grade Glasplatte fotografieren würde.
Kamerascheue und Models
Doch selbst mit viel Erfahrung klappt nicht immer alles: Besonders wenn Kwetkat die Kamera bodennah aufbaut, kommt es häufig zu ungewollten Auslösungen: „Wenn man vor einem Mäuseloch aufbaut, kann es schon mal sein, dass man nach zwei Wochen zu einer rappelvollen SD-Karte zurückkommt und nur Mäuse auf den Bildern hat, auch wenn man eigentlich einen Fuchs fotografieren wollte.“
Und selbst bei langer Vorlaufzeit können Aufbauten versagen. Erst vor ein paar Wochen wertete Kwetkat eine seiner Kamerafallen aus, mit der er eigentlich Wölfe fotografieren wollte. Er fand auf der SD-Karte nur ein einziges Bild – ein Reh von hinten. Waschbären seien dagegen die perfekten Kameramodels: „Wenn die etwas Neues im Wald sehen, dann untersuchen sie es in jedem Fall, auch wenn es nach Mensch riecht.“ So hatte er nach etwa einer Woche bereits 300 Bilder von Waschbären. Allerdings muss man wissen: „Die Linse ist schon nach zwei Tagen komplett dreckig.“
Der Blitz stört die meisten Tiere übrigens nicht. Nur das Klicken des hochklappenden Spiegels der Kamera verschreckt sie in der ansonsten stillen Nacht. Die Gehäuseöffnung für das Objektiv verstärkt diesen Laut nochmal.

Beim Fotografieren von Waschbären rechnet Kwetkat inzwischen mit einer dreckigen Kamera.
Kameraeinstellung für Wildtierfotos
Die Kameraeinstellungen, die Kwetkat nutzt, scheinen auf den ersten Blick eher untypisch für die Wildtierfotografie. Denn automatisch macht die Kamera nichts: Mit einer relativ kleinen Blende, von bis zu F/11 stellt er sicher, dass die Tiere scharf gestellt sind, egal, an welcher Stelle sie vom Sensor erfasst werden. Außerdem fokussiert er die Kamera manuell vor. Der ISO-Wert geht nur selten über 800 hinaus, um Bildrauschen zu vermeiden. Nur der Verschlusszeit lässt Kwetkat manchmal etwas Freiraum: „Wenn ich einen Himmel mit Sternen als Hintergrund haben möchte, muss ich manchmal schon etwas länger belichten.“ Da die Blitze die Belichtung des Vordergrunds übernehmen, kann es so auch gelingen, Sterne mit Belichtungszeiten von bis zu 30 Sekunden zu fotografieren.
In der Bildbearbeitung geht es Kwetkat dann nur noch um Details. Mit Lightroom bearbeitet er vor allem den Weißabgleich und den Kontrast der RAW-Aufnahmen. Selten bearbeitet er auch noch den Bildausschnitt.
Für die Zukunft wünscht sich Kwetkat vor allem mehr Bilder von den Wölfen im Erzgebirge. Zwar betreibt er zusammen mit einem Freund das Wolfsmonitoring mithilfe von einfachen Wildkameras, vor seine DSLR-Kamerafalle hat es bis jetzt aber nur ein Welpe geschafft. Die Wölfe, so Kwetkat, wären zurzeit vor allem in Tschechien unterwegs.
Aber auch die Fischotter lassen ihn nicht los. Derzeit baut er in der heimischen Badewanne einen Prototyp – eine Unterwasserkamerafalle. Die Fertigstellung kann allerdings noch einige Zeit dauern. „Viele, mit denen ich mich unterhalte, meinen: ‚Cool, dann übernimmt die Kamera für dich das Fotografieren und du sammelst sie nach ein paar Wochen wieder mit tollen Bildern ein.‘“ Das Gegenteil ist häufig der Fall: Bis das richtige Tier in die Falle tappt, braucht es etliche Versuche. Am Ende sammelt Kwetkat eigenen Angaben zufolge aber bei jedem Fehlversuch vor allem eins: Erfahrung.
Dominik Kwetkat
Dominik Kwetkat fotografiert seit 2012 Wildtiere. Um den Tieren nachts so nah zu kommen, dass er auch ein Weitwinkelobjektiv benutzen kann, setzt er seit 2018 selbstgebaute Kamerafallen ein. So gelingen ihm in seiner Heimat, dem Erzgebirge, immer wieder spektakuläre Aufnahmen der heimischen Tiere.
www.dominik-kwetkat-fotografie.de
Instagram: @dominik_kwetkat
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