Silvia Grimpe ist Spezialistin für Langzeit-Filterfotografie. Mithilfe von Graufiltern und teils mehrminütigen Belichtungszeiten setzt sie bekannte Fotomotive in Szene und verpasst ihnen so einen ganz neuen Flair.

von Wolfgang Baus

© Fotos Silvia Grimpe

Kennen Sie das Gefühl, dass Sie Fotos einer gewissen Art schon mal gesehen haben? In der Rubrik Vogelfotografie zum Beispiel sehen wir Tag für Tag Eisvögel in allen Varianten. Oder nehmen wir Städtefotografie: Die Deutzer Brücke, die Hamburger Elbphilharmonie, das Brandenburger Tor oder der Canale Grande in Venedig sind nur einige Motive, auf die man in regelmäßigen Abständen stößt. Dabei ähneln sich nicht nur die Motive, sondern auch der Stil, in dem sie festgehalten sind. Immer mal wieder schaue ich deswegen nach Neuinterpretationen – meist mit wenig Erfolg.

Umso erfreuter war ich, als ich das Online-Magazin „LEMAG“ auf Facebook entdeckte. Auch hier fand ich viele bereits vertraute Motive. Aber eben nicht so, wie ich sie sonst kenne, sondern eingefangen mit dem Zauber der Langzeitfotografie.

Kurze Zeit später dürfte ich die Meisterin dieser Langzeitbelichtungen – Silvia Grimpe – auf dem Umweltfotofestival in Zingst bei einem Workshop zum Thema kennenlernen – selbstredend während einer Langzeitbelichtung von 200 Sekunden.

Von der Workshopteilnehmerin zur Mentorin

Silvia Grimpe ist fast eine Späteinsteigerin. Mit 45 Jahren kam sie eher zufällig zur Fotografie. Bis dahin nutzte sie meist eine kleine Kompaktkamera, vornehmlich auf Reisen. Nachdem sie sich ein MacBook gekauft hatte, war sie begeistert von dem Programm iPhoto und wollte gern tiefer in die Fotografie eintauchen.Kurzerhand erstand sie eine Canon 1000D Spiegelreflexkamera. Auch wenn sie zunächst nur herumknipste, wie sie selbst sagt, war sie spätestens nach dem Kauf eines Graufilters infiziert. Sie nahm an mehreren Workshops teil, las Bücher und arbeitete sich in die Materie ein. Mit der Langzeitfotografie hatte sie eine Möglichkeit gefunden, die Welt aus ihrer Sicht zu präsentieren.

 

Immer unterwegs

Dabei liebt sie ganz besonders, am richtigen Ort zur richtigen Zeit den Augenblick einzufrieren. Auch wenn die in Hamburg lebende Fotografin in ihrer Heimatstadt bekannte Motive immer wieder neu interpretiert und sie gern bei Nebel unterwegs ist, so sind Fotoreisen inzwischen für sie das absolute Highlight. Sie wälzt im Vorhinein Reiseprospekte und wählt spezielle Reiseziele, an denen sie ihre Fotografie umsetzen kann. Die Ziele müssen sich eignen für ihre Bilder, die sie vornehmlich in Schwarz-Weiß aufnimmt. Und die Motive müssen in ihr Konzept zur Bildgestaltung passen.

Und so ist es kein Wunder, dass Venedig, die Lofoten oder Nordspanien zu ihren Lieblingszielen gehören. Aber egal, ob weit weg, vor der Haustür auf Sylt oder an der nahegelegenen Ostsee: Ihre Vorgehensweise ist immer die gleiche. Die Motive werden zu Hause schon mal in Google Earth erkundet und Aufnahmen aus der Region gesichtet. Als nächstes kommt die Wetterrecherche: Sie ermittelt, wann sie die Bedingungen erwarten kann, die sie benötigt, wie es mit dem Sonnenstand aussieht und auch mit den Gezeiten beziehunsgweise Wasserständen. Erst wenn sie alle Parameter abgestimmt hat, kann sie eine Reise buchen.

 

Gemeinschaftserlebnis Fotografie

So wie andere Menschen Surf-, Tauch- oder Wanderurlaube unternehmen, geniesst sie ihre Fotoreisen. Dabei kann sie den Alltag komplett ausblenden. Hier dreht sich alles um die Location und darum, diese fotografisch so umzusetzen, wie sie sie geplant hat.

Ein nicht unerheblicher Faktor dabei ist die Gemeinschaft, in der sie bei ihren Touren unterwegs ist. Auch wenn sie inzwischen selber erfolgreich Workshops gibt, nutzt sie immer wieder gern die Gemeinschaft von Workshopreisen. Hier kommt sie an Orte, die vom Veranstalter meist schon hervorragend ausgekundschaftet sind. Und es gibt für den Notfall auch einen Plan B und C, wenn sich das Hauptmotiv als ungeeignet herausstellt. Auf solchen gemeinschaftlichen Reisen ist es auch die Gemeinschaft der Teilnehmer, die sich gegenseitig animiert, hilft und mit denen man getrost fünf Stunden und länger auf den Sonnenuntergang warten kann, ohne dass die Themen ausgehen.

Die Bilder, die dabei entstehen, sind dann auch kleine Kunstwerke. In ihren Langzeitbelichtungen, die sie fast ausschließlich in Schwarz-Weiß erstellt, liebt sie die Ruhe. Diese drückt sich sich durch einen klaren Bildaufbau, in der glatten Wasseroberfläche und im weichen Himmel aus. Dabei ist ihr einziges Hilfsmittel ein Grau- und oft auch ein Grauverlauffilter. Diese Filter hat sie in verschiedenen Stärken in ihrem Fotorucksack dabei; in ihrem Haida-Filterhalter kann sie diese sogar kombinieren. Inzwischen hat sie sich mit diesem System eingeschossen, obwohl der Weg dahin nicht ganz einfach war. Denn nicht jeder Filter hatte die gewünschte Farbneutralität mit ihrem Fuji-Sensor. Ihr Tipp: Unbedingt die verschiedenen Filterhersteller ausprobieren, wenn man mit der Farbwiedergabe nicht zufrieden ist.

 

Das Bild in der Kamera

Dies ist aber auch der einzige Teil, der sie an der Technik interessiert. Bei ihrer Kamera waren ihr hauptsächlich die Kompaktheit, das Gewicht und ein Klappdisplay wichtig. Ansonsten sind es Belichtung, Histogramm und Filtertechnik, die das Geheimnis ihrer Bilder ausmachen. Wie schon erwähnt, entstehen ihre Bilder bei der Aufnahme, sodass später nur noch wenige Handgriffe in Adobe Lightroom notwendig sind. Schon durch die Länge der Belichtung legt sie fest, wie Wasser oder Wolken abgebildet werden. Je länger die Belichtung, desto mehr verschwimmen Formen und Linien und lenken die Konzentration des Betrachters auf dieses eine Hauptmotiv in ihren Bildern. Auch wenn Silvia Grimpe ihre Vorbilder eher in der Fotografie findet, sind es doch Elemente der klassischen Malerei, bei der Bilder erst dadurch wirken, dass sie nur aus wenigen Elementen bestehen.

Ihre Fotografien zeigt sie auf ihrer Webseite und auf den verschiedenen Plattformen der sozialen Kanäle. Besonders stolz ist sie auf die vielen Auszeichnungen verschiedener europäischer Institutionen, die sich der Langzeit-, Monochrome- oder Fine Art-Fotografie widmen. Zahlreiche Publikationen in verschiedenen Medien runden ihr künstlerisches Schaffen ab und belohnen sie für ihre Fotografie, die oft sehr viel Ausdauer und Geduld erfordert. Und wenn sie mal keine Lust auf Kunst und Konzentration hat, dann rockt sie die Straße. Hier entdeckt sie gerade die spannende Streetphotography ihrer Heimatstadt Hamburg.

 

Ausrüstung

Fuji X-T2

Fuji 10-24 mm

Fuji 18-55 mm

Fuji 55-200 mm

Haida 100er Filtersystem mit Filtertasche und ND- und GND-Filter in verschiedenen Dichten

 

Zur Person

Silvia Grimpe ist 1965 in Hamburg geboren, aufgewachsen und kommt gern nach jeder Fotoreise hierhin zurück. Auch in ihrem Hauptberuf als Optikerin, hat sie es jeden Tag mit Optik zu tun. Ihre Leidenschaft liegt in der sehr zeitintensiven Landschaftsfotografie mit Langzeitbelichtungen. Zum Austoben betreibt sie Streetphotography.Ihre Bilder präsentiert sie auf ihrer Webseite: www.silly-photography.de oder auf ihren Instagramkanälen. Inzwischen sind die Fotografien, die sie auch unter dem Pseudonym „Silly Photography“ veröffentlicht, europaweit anerkannt und vielfach ausgezeichnet.