Portfolio: Im Wandel der Zeit | Stay@Home Spezial

Beim jährlichen Oldtimertreffen in Mèze gelang Andreas Sartor abseits des allgemeinen Trubels dieses amüsante Motiv.
Panasonic Lumix DMC-LX1, 6 mm, f/4, 1/200 s, ISO 80.

Im Wandel der Zeit

Vom Bonner Polittheater bis zu dem Außergewöhnlichen im Alltäglichen – für Fotoprofi Andreas Sartor ist die Fotografie eine Methode, den Wandel der Zeit festzuhalten. 

Von Alena Schmidt| © Fotos Andreas Sartor

Was ist das perfekte Foto? Für jeden von uns Fotografen mag das etwas anderes bedeuten. Für den Fotostudio-Besitzer Andreas Sartor ist sein perfektes Foto ein wenig skurril, gewürzt mit einer Prise Witz: Es ist das Bild von einem Auto, das mit seinen runden Scheinwerfern ein Mädchen zu „beobachten“ scheint, das sich mit dme Oberkörper in einen Busch bückt.

Warum es für den Bonner Fotografen das perfekte Bild ist? Das Bild zeigt eine alltägliche und doch besonders skurrile Szene, es entstand unerwartet, mit Geduld, Aufgeschlossenheit und einem vorausschauenden Blick auf die Szenerie. Andreas Sartor befand sich in Südfrankreich, bei einem Oldtimertreffen, um eben diese alten Fahrzeuge abzulichten. Doch überall um die Autos herum standen Besucher, die er eigentlich nicht auf den Fotos haben wollte. Deshalb machte er das Beste aus der Situation, plante um und suchte nach interessanten Motiven, die die Besucher integrierten. „Mir fielen ein paar Kids auf, die in der Nähe eines Oldtimers spielten“, erzählt Andreas. „Links neben dem Wagen war ein Strauch. Während ich die Szene betrachtete, dachte ich noch ‚Jetzt sollte etwas Witziges passieren, es könnte sich beispielsweise ein Kind mal in dem Strauch verstecken‘ – und tatsächlich: Nach einer Weile passierte es wirklich, ich hatte mein perfektes Bild.“

Skurrile Begegnung in der Einsamkeit – vermeintlich. Tatsächlich befand sich ein großer Menschenauflauf hinter dem Fotografen.
Nur für wenige Minuten war er alleine mit den Fahrgeschäften. Nikon D3, 24 mm, f/4.5, 1/80 s, ISO 400.

Mit wachem Geist
Um solch ungewöhnliche Fotos zu finden, lässt Andreas Sartor sich gerne treiben. Für die Bilder, die ihm gefallen, muss man mit wachem Geist durch die Welt gehen und ein Gespür für das Außergewöhnliche im Alltäglichen haben. „Deshalb schaue ich stets genau hin, wenn ich durch die Natur oder Städte gehe“, beschreibt der Fotograf sein Vorgehen. „Auch dadurch, dass ich die Kamera immer dabeihabe, sehe ich die Dinge intensiver. Ich nehme besondere Situationen wahr, die man leicht übersieht, und an denen andere Menschen achtlos vorbeigehen.“ Zu solchen Alltagsgegenständen gehören beispielsweise die schlichten Fassaden von Fünfziger- oder Sechzigerjahre-Häusern. Denn diese sind oft so unspektakulär und unauffällig, dass die meisten Menschen sie im Alltag nicht wahrnehmen. Doch irgendwann werden diese Häuser verschwinden und Andreas Sartor möchte sie festhalten, bevor dies geschieht. Später dann, wenn diese Häuser aus dem Stadtbild verschwunden sein werden, wird man die Bilder betrachten und sich an die Welt von damals erinnern. Dann ist das Alltägliche zum Besonderen geworden, weil es verschwunden ist.

Italien in Bildern, ohne in Klischees zu versinken – keine leichte Aufgabe. Außerdem die Frage: Was zeigt man?
Das alte Venedig oder das neue? Fluch oder Segen? Nikon D3, 24 mm, f/6.3, 1/250 s, ISO 250.

Andreas Sartor fotografiert das Alltägliche und zudem immer wieder die gleichen Motive, um deren Entwicklung im Wandel der Zeit festzuhalten. Dazu gehören unter anderem Stromleitungen, Heuballen, verpackte Autos oder ältere Hausansichten. Manche Motive, wie verhüllte Gegenstände, faszinieren ihn besonders. Beim Anblick dieser Gegenstände fragt der Betrachter sich, warum sie verpackt wurden, ob sie versteckt oder geschützt werden sollen, so Andreas. Den Fotografen reizt auch die Verfremdung durch die Verpackung, wie bei Heuballen in blauer oder weißer Plastikfolie. „Außerdem transportieren diese Motiven auch immer wieder den Moment der Veränderung“, erklärt er. „Früher wurden die Heuballen direkt in die Scheune gebracht. Heute werden sie verpackt und liegengelassen, bis der Landwirt Zeit hat, sie abzutransportieren. Verpackte und unverpackte Heuballen sind daher auch Ausdruck unterschiedlicher Zeiten und Lebensweisen.“

Aufgrund dieser dokumentarischen Komponente versucht der Fotograf, die Fotos ohne große Eingriffe für sich wirken zu lassen. Er mag lediglich ein wenig die Sättigung erhöhen, damit die Bilder etwas mehr Kraft haben oder der Himmel etwas dramatischer wirkt.

Sorgfältig verpackt und gestapelt – und dann vergessen. Fujifilm X100, 23mm, f/7.1, 1/420 s, ISO 200.

Von Anfang an
Andreas Sartor hat schon früh mit der Fotografie begonnen. Als Jugendlicher bekam er von seinem Vetter eine Contaflex geliehen und gründete in einem Jugendhaus eine Fotogruppe. Anschließend absolvierte er eine Fotografenlehre bei einem Industriefotografen, durch den er sehr akribisch das Handwerk lernte. Diese klassische Lehre hat auch seinen ruhigen, abwartenden Stil geprägt. In dieser Ausbildung fehlte ihm jedoch hin und wieder der künstlerische Aspekt des Fotografierens. Deshalb kaufte er sich viele Bücher großer Fotografen wie Anselm Adams oder Robert Mapplethorpe. Er versuchte zu erkennen, wie sie ihre Fotos machten und mit welchen Kameras sie arbeiteten – ein Tipp, den er auch unseren Lesern auf den Weg geben möchte. //

Traktor: Wenn man in Frankreich die Möglichkeit hat sich an geheimen Orten zu bewegen, entdeckt man Schätze aus vergangenen Zeiten.  Nikon D5, 24 mm, f/2.8, 1/30 s, ISO 8000.

Andreas Sartor

Seine fotografische Karriere startete er mit einer geliehenen Contaflex und einer Fotogruppe im Jugendhaus.
Heute hat Andreas Sartor ein eigenes Fotostudio in Bonn.

fotostudio-bonn.de

Die Ausrüstung

  • Nikon D5
  • AF-S Nikkor 70-200mm 1:2,8E FL ED VR
  • AF-S Nikkor 58mm 1:1,4G
  • AF-S Nikkor 24-70mm 1:2,8G ED
  • Hasselblad H3D-31
  • Fujifilm GFX 50R, X100
  • Panasonic Lumix DMC-LX1