John-Oliver Dum treibt die Mikrofotografie auf die Spitze. Mit seinen stark vergrößerten Aufnahmen von Insekten bringt er Details zum Vorschein, die dem bloßen Auge sonst verborgen bleiben würden, und offenbart die unterschätzte Schönheit der Tiere.

von Benjamin Lemm

© Fotos von John-Oliver Dum

Auf den ersten Blick wirken John-Oliver Dums Aufnahmen fast surreal: Das faszinierende Gesicht einer Spinne, schillernde Schmetterlingsschuppen oder das Auge einer Fliege, auf dem einzelne Pollen zu erkennen sind. Das alles kann er in einer Schärfe und Farbenpracht darstellen, die den Betrachter zunächst kaum glauben lässt, dass es sich hierbei um echte Fotos handelt. Doch genau so ist es. Dum hat eine Kunst perfektioniert, die so nur wenige Menschen auf der Welt beherrschen.

Das nötige Wissen dafür hat er sich über die Jahre selbst angeeignet. Alles fing damit an, dass er für seine Arbeit im pädagogischen Bereich Angebote zur Makrofotografie von Bienen konzipierte und zum Beispiel mit Menschen mit Behinderung umsetzte. Dabei ging es vor allem darum, einen Blick für die kleinen Dinge zu entwickeln, um Konzentration und um Teamarbeit.

Europäische Hornisse (Vespa crabro) – Arbeiterin. Fundort: Südwesten von Deutschland.

Werden die Spinnen, Fliegen und Co. von vielen Menschen oft als „ekelhaft“ bezeichnet, wirken sie in John-Oliver Dums Bildern eher ästhetisch oder gar „süß“, wie er immer wieder zu hören bekommt. Das hat auch aus pädagogischer Sicht teilweise verblüffende Effekte. Spinnenphobiker zum Beispiel bekommen durch die vielfache Vergrößerung einen ganz anderen Blick für die Tiere.

Ein Ziel seiner Arbeit sei es außerdem, seine Followerschaft über die sozialen Medien wieder mehr für die Natur zu begeistern und die Wunder zu zeigen, die diese bereithält. „Es ist wirklich unglaublich, wie wunderschön Insekten eigentlich sind. Aber das sieht man oft erst, wenn man ein bisschen näher rangeht“, beschreibt John-Oliver Dum seine Leidenschaft. Zudem sind viele der Arten, die er fotografiert, inzwischen vom Aussterben bedroht. Einige von ihnen werden möglicherweise in ein paar Jahren schon nicht mehr existieren.

Nische in der Nische

Mit der Zeit ist John-Olivers Interesse an den kleinen Tieren stark gewachsen. Er bildete sich weiter, auch was die technische Seite der Mikrofotografie anbelangt, probierte vieles aus und wurde immer besser. Nach und nach erregten seine Bilder auch öffentliches Interesse. So war er zum Beispiel bereits bei der langen Nerdnacht mit Sarah Kuttner zu Gast oder arbeitete mit dem bekannten Kriminalbiologen Mark Benecke zusammen, von dem er auch heute noch regelmäßig Insekten von echten Tatorten zugeschickt bekommt. Mittlerweile ist Dum außerdem als Dozent tätig und gibt sein Wissen über die Mikrofotografie weiter.

Denn das, was er kann, können nicht viele Menschen auf der Welt – schon allein, weil sie nicht über das entsprechende Equipment verfügen. Einen großen Teil seiner Ausrüstung bastelt John-Oliver Dum sich selbst. So erstellt er zum Beispiel Lichtdiffusoren aus alten Trinkjoghurt-Flaschen oder halbiert zu diesem Zweck Tischtennisbälle. Reflektoren fertigt er aus Schokokuss-Kartons an. Auch einen 3D-Drucker nutzt er, um Equipment herzustellen, das es so sonst nirgends zu kaufen gibt. „Am Anfang war in unserem Haus nichts vor mir sicher. Manchmal habe ich die Deoroller meiner Frau auseinandergebaut, um daraus etwas zu basteln. Das fand sie dann immer nicht so lustig“, schmunzelt er. Für die Beleuchtung seiner Motive nutzt er LED-Panels aus der Autoindustrie, weil diese besonders hell sind. Denn je höher der Vergrößerungsfaktor einer Linse, desto mehr Licht wird benötigt, um das Insekt adäquat auszuleuchten.

Besonders schwierig ist es aber vor allem, an Linsen zu kommen, die einen entsprechenden Vergrößerungsfaktor bieten und gleichzeitig eine hohe Bildqualität sicherstellen. So nutzt er beispielsweise Linsen aus alten Scannern oder aus der CPU-Produktion, die dafür gebaut wurden, kleinste Leiterbahnen zu überprüfen und kommt so auf einen Vergrößerungsfaktor von bis zu 100x. Das Problem: Brauchbare Linsen sind nicht nur schwer zu finden, sondern auch ziemlich teuer.

Für die Fotos nutzt er ausschließlich Olympus-Kameras; diese sind zum einen besonders gut geeignet, weil sie über zwei elektronische Verschlussvorhänge verfügen und deswegen beim Auslösen nicht erschüttert werden. Dies ist in der Mikrofotografie besonders wichtig, weil schon minimalste Bewegungen bei so hohen Vergrößerungsfaktoren zu einem verwackelten Bild führen. Zum anderen eignet sich der MFT-Sensor besser als größere Sensoren für die kleinen Mikro-Linsen, die ansonsten eine Vignette erzeugen würden.

Akribische Vorbereitung

Besonders knifflig bei seiner Arbeit ist vor allem die Präparation seiner Insekten. Bevor er sie fotografieren kann, muss er sie in akribischer Feinstarbeit auf das Shooting vorbereiten, indem er sie säubert und ausformt. Dazu schaut er sich die Art der Verschmutzung an, reinigt die Tiere je nach Beschaffenheit im Ultraschallbad, mit Alkohol oder destilliertem Wasser. Danach föhnt er sie mit einer Airbrush-Düse trocken, um die einzelnen Haare sauber abbilden zu können. Das Ausformen der Körper geschieht mit Zahnarztwerkzeug.

Meist werden ihm die Tiere in kleinen Ampullen, eingelegt in Spiritus, von Wissenschaftlern zugeschickt. Darin werden sie so gut erhalten, dass er teilweise Insekten fotografieren kann, die schon 20 Jahre tot sind. Niemals allerdings tötet er ein Insekt, um es vor seine Linsen zu bringen. Die Tiere, die er sich eigenhändig besorgt, findet er bereits tot auf der Fensterbank oder draußen in der Natur.

Bei der Fotografie selbst ist vor allem wichtig, keine Vibrationen im Umfeld der Kamera zu verursachen. Denn je höher der Vergrößerungsfaktor, desto anfälliger ist der Aufbau schon für minimalste Erschütterungen. Deswegen fotografiert John-Oliver Dum ausschließlich nachts. Denn selbst wenn er unten in seinem Keller, dem sogenannten Medienbunker, gut von der Außenwelt abgeschirmt ist, wirken sich schon kleine Bewegungen im Haus, etwa wenn seine Frau oder die Kinder durch das Wohnzimmer gehen, auf das Ergebnis aus und erzeugen ein verwackeltes Bild. „Bei 100x ist es schon kritisch, wenn ich mit Socken neben dem Aufbau sitze – mein Herzschlag alleine reicht aus, um das Ergebnis zu beeinträchtigen“, beschreibt er.

Der Traum vom Detail

Wenn er ans Fotografieren geht, ist nicht nur Ruhe, sondern auch Geduld gefragt. Da der Fokusbereich seiner Linsen so gering ist, muss er oft mehrere Hundert oder sogar Tausende Bilder machen und diese später „stacken“. Zwischen den einzelnen Aufnahmen muss er zudem oft mehrere Sekunden warten, damit sich der Aufbau nach Justierung der Einstellungen wieder beruhigen kann. Eine Aufnahme-Serie kann so bis zu zwei Wochen dauern. Manchmal macht er 10.000 Bilder, bis er einen Stack von 100 Bildern hat, der geeignet ist. Gleichzeitig hat John-Oliver aber auch Zeitdruck. Denn unter der Wärme, die das Licht beim Fotografieren erzeugt, zerbröseln die Tiere in der Regel sehr schnell.

In Zukunft möchte John-Oliver mit seiner Mikrofotografie wieder vermehrt im pädagogischen Bereich arbeiten und andere Menschen für die farbenträchtige Vielfalt der Insekten begeistern. Ein großer Traum von ihm ist außerdem, ein Blutplättchen auf dem Auge einer forensischen Fliege zu zeigen. Das allerdings ist eine ganz besondere Herausforderung: „Man hat, wenn die Blutplättchen mit Sauerstoff in Berührung kommen, nur sehr kurze Zeit für die 600 bis 700 Bilder, die man braucht. Ich habe es bisher schon ein paar Mal versucht, aber so ein Bild gelingt eben nur einmal im Leben.“

John-Oliver Dum

John-Oliver Dum hat sich auf die Mikrofotografie spezialisiert und setzt diese unter anderem im pädagogischen Bereich zu therapeutischen Zwecken ein.

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