Steife Brisen, schäumende Gischt, pralle Segel – Michael Ermel ist als Segelsport-Fotograf bei spannenden Regatten an Bord. Im Interview gibt er uns Einblicke in seine Arbeit.
von Jamari Lior
© Fotos Michael Ermel
Die Kombination aus Sport und Fotografie stellt stets eine besondere Herausforderung dar. Als Fotograf muss man selbst schnell sein und sein Equipment bestens kennen. Wie das bei der Segelfotografie gelingt, erfahren Sie hier.
Wie kamen Sie dazu, Fotos von Segelbooten in Aktion aufzunehmen?
Mitte der 90er-Jahre hatte ich die Möglichkeit, einige Male mit Freunden in der Ägäis mitzusegeln. Zu dritt mieteten wir eine zwölf Meter lange Segelyacht und veranstalteten ein Inselhopping … jeden Tag eine andere Insel. Das war der Beginn der Fotografie auf dem Wasser. Tragischerweise hatte ich auf einer der letzten Fahrten meine Kamera, eine analoge Yashica Spiegelreflex, auf dem Tisch in der Koje bei offener Luke liegen gelassen. Ich fand sie abends klatschnass vor – eine Welle war durch die offene Luke hineingeschwappt. Ihr Innenleben korrosierte im Laufe der Tage und sie war hinüber. Auch der später entwickelte Film erinnerte mehr an abstrakte Kunst als an Fotografie … Aber aus Fehlern lernt man ja bekanntlich.
Ein Auftrag zur Gestaltung von Konferenzräumen mit Bildern von Segelschiffen motivierte mich dann ab 2005, diese Sportart fotografisch zu erkunden. Über meine Werbeagenturkontakte lernte ich einen Kunden kennen, dessen Verein einen historischen Motorschlepper besaß. Mit dem kreuzten wir während der Kieler Windjammerparade zwischen den großen Drei- und Viermastern im Gedränge auf der Förde hin und her. Das waren atemberaubende Momente. Und obwohl die Schiffe dermaßen eng aneinander vorbeifuhren, passierte zu meinem Erstaunen kein Unfall. Bei gutem Wind und Wellengang mit einem 50-500er Objektiv von Sigma an der Nikon D3 machte ich meine ersten Actionfotos auf dem Kahn. Andauernd musste ich die Kamera und mich bei anständigem Seegang ausbalancieren und möglichst gerade ausrichten … auch Fotografieren ist ein anstrengender Leistungssport! Dazu gab es noch einen leichten Nieselregen. Aber es machte riesigen Spaß und ich blieb dabei.


Auch einzelne Segelschiffe sind spannende Motive – gegen weißen oder grauen Himmel wirken die Motive windig und kühl, bei blauem Himmel warm und sommerlich.
Die Kieler Woche – was für eine Veranstaltung ist das? Wann findet sie statt?
Die Kieler Woche ist eine jährlich stattfindende Segelregatta, eines der größten Segelsportereignisse der Welt. Sie dauert acht Tage. Viele nationale und internationale Segler starten in den olympischen Klassen:
470 (offen), 49er, 49er FX, Finn, iQFoil (M/W), Laser Std., Laser Rad., Nacra17. Der maritime Höhepunkt ist die Windjammerparade am letzten Samstag der Festwoche, an der mehr als 100 Groß- und Traditionssegler, historische Dampfschiffe sowie Hunderte von Segelyachten teilnehmen.
Zu Gast sind jedes Jahr zahlreiche Marine- sowie Segelschulschiffe aus anderen Ländern. Traditionell endet die Kieler Woche mit dem Sternenzauber über Kiel, einem Höhenfeuerwerk. Die Kieler Woche findet üblicherweise in der letzten vollständigen Juni-Woche statt. Wegen der Pandemie wurde sie in diesem Jahr auf September verschoben.

Was fasziniert Sie an der Segelfotografie?
Schiff- und Segelsportfotos kann man direkt im Wasser vom kleinen Boot aus machen, vom großen Segel- oder Motorschiff mit mehreren Decks, vom Hafen oder Strand aus, aber auch von einem Leuchtturm können Schiffsfotos gut aussehen. Stets ist das Schöne und Faszinierende daran, dass man am oder auf dem Meer ist und irgendwie das Gefühl hat, dazuzugehören. Am meisten Spaß macht es natürlich, an ein Regattafeld heranzufahren und hautnah die Action zu fotografieren. Dazu braucht es aber Kontakte mit Seglern und die Erlaubnis. Ein Presseausweis ist oft hilfreich.
Ein guter Tipp ist es, eine Fahrt auf der MS Hamburg während der Windjammerparade zu buchen. Diese Fahrt dauert etwa fünf Stunden. Das Schiff passiert auch die Felder, auf denen verschiedene Bootsklassen ihre Segelregatten austragen.
Aber auch stolze große Segelschiffe wie die Krusenstern oder die Gorch Fock unter vollen Segeln zu sehen ist ein seltenes Vergnügen, das in mir das bekannte Kribbeln eines Motivjägers auslöst. Solch rare Aufnahmen gelingen meist auf der Kieler Windjammerparade, die ein weltweiter Anziehungspunkt für Großsegler geworden ist.
Welche Kleidung ist sinnvoll?
Wenn man direkt vom kleinen Boot aus fotografiert, um nah genug an die Objekte heranzukommen, ist wasser- und regenfeste Segelkleidung sowie geeignetes Schuhwerk ein Muss. Thermounterwäsche im Frühling und Herbst gegen Wind und Kälte auf dem Wasser ist auf jeden Fall zu empfehlen. Jederzeit kann eine Welle über das Boot schwappen oder das Wetter umschlagen.
Welches Kameraequipment gehört an Bord?
Ich empfehle, auf dem Wasser eine abgedichtete Profi-Kamera und abgedichtete Objektive zu nutzen, da Sprühwasser und Wellengang immer eine Gefahr für die Ausrüstung darstellen. Die besten Aufnahmen gelingen mit lichtstarken 200er, 300er oder gar 400er Festbrennweiten, die den Hintergrund unscharf zeichnen und das Segelboot freistellen.
Mit welchen Kameraeinstellungen arbeiten Sie?
Die Verschlusszeit für scharfe Bilder sollte, wenn möglich, nicht unter 1/500 Sekunde liegen – gerne auch kürzer, da auf dem Wasser ständig Bewegung herrscht. Ich benutze immer den manuellen Kamera-Modus, um Blende, ISO und Verschlusszeit zu optimieren. Sicherlich wird man auch mit Kompaktkameras mit Sportmodus gute Bilder hinbekommen, wobei man da viel dem Zufall überlassen muss. Wenn gewünscht, sollte man auch auf dem Wasser einen guten Polfilter vor das Objektiv schrauben, um die Wasserspiegelungen zu vermindern.

Wie gelingen die besten Segelfotos?
Die besten Actionfotos macht man natürlich direkt vom Wasser aus, indem man möglichst nah an das Regattafeld heranfährt. Sehr schön ist es, wenn man eine Verdichtung des Geschehens durch lange Brennweiten erreicht. Das steigert die Dramatik. Oder man segelt direkt auf einer Renn-Yacht mit und macht die Bilder hautnah mit Weitwinkelobjektiven während der Manöver.
Spannende Fotos von aufschäumender Gischt und emotionalen Szenen während eines Rennens gelingen sehr selten und sind eher den absoluten Profis vorbehalten. Aber man kann auch tolle Bilder von Begleitschiffen aus machen – sozusagen mit dem Bierchen daneben … Wer gern Sportfotografie macht, wird auch gute Bilder vom Regattageschehen machen können. Mir persönlich haben es besonders die Großsegler mit ihrer vielfältigen und teilweise farbigen Segelarchitektur angetan.
Haben Sie noch ein paar Tipps für Einsteiger in die Segelfotografie?
Anfängern rate ich, einen halbtägigen Segeltörn zu buchen oder zumindest auf eine Fähre zu steigen, um die Anfälligkeit für Seekrankheit zu testen. Auf einem Großsegler kann man auch schöne Detailaufnahmen vom Schiff machen, etwa vom Steuerrad, von Tauen, Segeln, der Schiffsreeling und anderes.
In den Veranstaltungskalendern der Hafenstädte Flensburg, Kiel, Rostock, Lübeck oder Hamburg findet man im Internet schnell Segelevents und Veranstaltungen rund um den Segelsport. So kann man seine Termine durch gute Recherche vernünftig planen. Und selbst wenn man keine guten Bilder vom Ausflug ans Meer mitbringen kann, hat man zumindest frische Seeluft, Spaß und Bewegung gehabt …
Ganz wichtig finde ich auch, einfach das Meer zu genießen. Auf meinen Touren durch Norddeutschland möchte ich auch Ruhe und Zeit haben. Wenn ich am Ostseestrand eine Langzeitbelichtung mache, bin ich oft drei Stunden lang beschäftigt. Ich stehe barfuß im Sand, höre nebenbei das Rauschen des Meeres, stelle immer wieder scharf, setze meine Filter, verändere den Zoom oder meinen Standort – Fotografieren ist für mich dann fast wie Meditation. Und ich liebe den norddeutschen Himmel und das Meer mit den ständig wechselnden Lichtverhältnissen. Vor allem die Seebrücken in Grömitz und Kellenhusen sind tolle Spots.
Michael Ermel
Als gelernter Schriftsetzer und Industriemeister Druck leitete Michael Ermel mehrere Jahre eine eigene kleine Druckerei, bevor er sich 1998 als Mediendesigner selbstständig machte. Neben Landschafts-, Stadt- und Architekturfotografie liebt er auch die Sport- und Bühnenfotografie. Sein Bildband „Schleswig-Holstein – Horizont mit Perspektive“ transportierte das norddeutsche Lebensgefühl sogar bis ans andere Ende der Welt, nach Mexiko, in die USA und nach Neuseeland.
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