Oscar Lopez beeindruckt das Auge mit ausdrucksstarken Architekturfotos. Wie er seine Bilder bis ins kleinste Detail plant und welche wichtige Rolle dabei Google Maps spielt, erzählt er im Interview.
von Benjamin Lemm
© Fotos Oscar Lopez
Lieber Oscar, Deine Architekturfotos stechen durch starke Kontraste und opulente Formen hervor. Wie würdest Du selbst Deinen Stil beschreiben?
Bei meinen Fotos versuche ich, mit Licht und Kontrasten Geschichten zu erzählen und die Protagonisten eines Bildes hervorzuheben. Das können entweder Brücken, Gebäude in einer urbanen Landschaft oder Winkel, Kurven und Linien sein. Dafür muss ich sozusagen mit Licht malen.
Wie entwickelt man seinen eigenen Stil?
Man muss sich fragen: Was will ich mit meinen Fotos kommunizieren? Welche Motive liegen mir am meisten? Sind es Landschaften, Gebäude oder Personen? Und welche Technik hilft mir dabei, meine Vision umzusetzen? Wenn man mit den ersten Ergebnissen zufrieden ist, geht es darum, sich Schritt für Schritt zu verbessern – und zwar bis zum kleinsten Detail.
Wieso hast Du Dich für die Architekturfotografie entschieden?
Ich habe in der Architektur das gefunden, womit ich am besten meine Gefühle und Ideen ausdrücken kann. Im Nachhinein denke ich, es liegt daran, dass ich einen ausgeprägten Ordnungsdrang habe. In meiner Umgebung muss alles seinen Platz haben, Gegenstände müssen harmonisch aufgestellt oder aufgelegt sein. Ich liebe die Muster, die aus dieser Ordnung entstehen. Außerdem kann ich bei der Architektur mit viel Tiefe arbeiten, indem ich mit Schatten und Licht spiele.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten bei der Architekturfotografie?
Am schwierigsten ist es, das passende Motiv zu finden. Zwar wohne ich in der Stadt und man könnte meinen, dass es hier viele Möglichkeiten gibt, aber wirklich interessante Gebäude findet man nicht überall. Vor allem Bauwerke zu finden, mit denen man ein Statement setzen kann, ist nicht so einfach.
Du scheinst vor allem in Schwarz-Weiß zu fotografieren – warum?
Die Schwarz-Weiß-Fotografie ist eine Abstraktion der Realität an sich. Ich gewinne dadurch die Möglichkeit, den Blick des Betrachters gezielt auf einen Punkt oder ein Element im Bild zu lenken. Das ist in der Farbfotografie sehr viel schwieriger. Außerdem kann man den Bildern in Schwarz-Weiß viel mehr Tiefe geben.
Wie unterscheidet sich die Architekturfotografie von anderen fotografischen Disziplinen?
Ich habe nicht viele andere fotografische Disziplinen ausprobiert, außer der Landschaftsfotografie. Anders ist hier vor allem, dass man bei der Landschaftsfotografie in der Natur ist. Das genieße ich sehr. Aber ich kann mit Landschaftsbildern nicht so gut arbeiten, das liegt mir einfach nicht. Ich habe ein besseres Gespür für klare Linien, Kurven und Formen.
Warum fotografierst Du?
Für mich ist Fotografie ein Weg, dem Alltag zu entkommen. Sie gibt mir die Möglichkeit, meine Kreativität zu entfalten und Statements zu setzen – und das auf eine andere Art als ich es zum Beispiel bei der Arbeit tun kann. Fotografie ist etwas sehr Persönliches.
Erzähl von Deinem Lieblingsfoto. Was ist die Geschichte dahinter?
Eines meiner Lieblingsfotos trägt den Titel „Röntgenarchitektur“. Es zeigt das Dockland-Gebäude im Hamburger Hafen mit einem Teil des Hafens im Hintergrund. Das Foto entstand während eines Fotowalks, bei dem ich im Prinzip nichts Bestimmtes im Sinn hatte. Ich bin einfach losgegangen und habe versucht, Motive zu finden. Dabei habe ich mir vorgenommen, nur mein Teleobjektiv 70-200 mm zu nutzen. Ich stand auf der Nordseite der Elbe am Fischereihafen und von dort aus habe ich die Spitze des Gebäudes fotografiert. Erst als ich zu Hause war, habe ich festgestellt, wie detailliert die Innenräumen und Personen im Gebäude zu sehen sind. Zusammen mit dem Hafen im Hintergrund gab das einen guten Maßstab für Relation und Größe. Das waren glaube ich auch die Gründe, warum das Bild es auf die Shortlist der Sony World Photography Awards im Jahr 2017 geschafft hat.
Wie wird man als Fotograf besser?
Einfach indem man genießt, was man tut!
Welche Fehler hast Du am Anfang Deiner Fotografie-Laufbahn gemacht, die Du heute nicht mehr machst?
Ich würde es nicht unbedingt als Fehler bezeichnen, da wir alle durch einen Lernprozess gehen müssen. Ich denke aber am wichtigsten ist, dass man seine Vorlieben in der Fotografie und Leitmotive für sich entdecken muss. Man muss herausfinden, wodurch man sich selbst am besten ausdrücken und in anderen Menschen Gefühle wecken kann. Das kann ich am besten mit der Architektur und am wenigsten mit Landschaften oder Porträts. Also vermeide ich es, Zeit in Landschaftsaufnahmen zu investieren und setze mehr auf meine Architekturfotos.
Hast Du Tipps und Tricks für andere Fotografen oder für Anfänger?
Überlegt, was Ihr eigentlich mit Euren Fotos kommunizieren wollt und welche Objekte dafür am besten geeignet sind. Danach könnt Ihr lernen, wie Ihr das technisch umsetzen könnt. Ich denke, viele von uns fangen eher andersherum an: Wir sind begeistert von der Technik und fotografieren dann alles Mögliche. Und die Ergebnisse sehen vielleicht sogar toll aus, sagen aber nichts aus oder wecken keine Emotionen und bleiben nicht in Erinnerung.
Hast Du Vorbilder, an denen Du Dich orientierst?
Ja, meine Mentorin Julia Anna Gospodarou ist für mich die Leitfigur in der Architekturfotografie. Wenn man ihre Bilder betrachtet, versteht man, wie ernst und tiefsinnig sie mit ihrer Fotografie umgeht. Das macht sie seit Jahren und wird immer raffinierter, immer ausdrucksstärker. Auch die Arbeit von Joel Tjintjelaar finde ich sehr inspirierend, aber nicht nur seine Fotos, sondern auch die Philosophie dahinter – wie er es schafft, mit Texten seine Ideen über Fine Art im Allgemeinen auszudrücken und diese dann als Bilder umzusetzen. Diese Konstanz und Konsequenz ist sehr beeindruckend.
Erzähl uns von dem Fotografie-Moment, der Dir am besten im Gedächtnis geblieben ist.
Es gibt viele Fotografie-Momente, die ich im Gedächtnis habe. Viele kommen immer dann hoch, wenn ich das jeweilige Foto anschaue. Die schönsten Erinnerungen habe ich an Momente, in denen ich sehr früh morgens in der Morgendämmerung unterwegs war. Sehr oft sind es Momente aus der Zeit, in der ich mit der Fotografie angefangen und versucht habe, das schönste Licht einzufangen. Später, als ich meine Bearbeitungen verfeinert habe und viel freier mit dem Licht spielen konnte, war das frühe Aufstehen nicht mehr unbedingt notwendig. Aber vielleicht ist dies ein Hinweis, worum es in der Fotografie eigentlich geht und auf das ich zurückkommen muss: Man sollte die Momente genießen und nicht unbedingt immer versuchen, ein gutes Foto zu machen.
Wie planst Du Deine Fotos im Vorhinein?
Meistens gehe ich gezielt fotografieren. Ich suche mir ein interessantes Gebäude in der Nähe aus und versuche, mich darüber so gut wie möglich zu informieren. Mit Google Earth kann man heutzutage überall hinreisen und quasi vor Ort die besten Perspektiven und Blickwinkeln suchen. Außerdem gibt es im Internet ja auch schon meist viele Bilder von den Gebäuden, gerade wenn sie bekannt sind. Ich schaue mir verschiedene Perspektiven und Kompositionen an und überlege, was meines Erachtens wirken könnte. So kann ich mir bereits eine Vorstellung davon machen, was ich für ein Bild aufnehmen möchte, wie ich es umsetzen kann und welches Objektiv ich nutzen muss. Trotzdem nehme ich aber immer mein gesamtes Equipment mit, um vorbereitet zu sein, zum Beispiel, falls eine Straße gesperrt ist.
Wie sieht dann Dein Prozess vor Ort aus?
Wenn ich gut geplant habe, begebe ich mich vor Ort genau an die ausgesuchte Stelle. Dann errechne ich mit einer App, wie lang meine Belichtung sein muss und welche Filter ich verwenden sollte. Das ist immer abhängig davon, wie viel Tageslicht es gibt. Meistens versuche ich, fünfminütige Langzeitbelichtungen zu machen. Dabei muss ich immer sehr akribisch vorgehen, weil es sonst sehr schnell schiefgehen kann. Wenn ich zum Beispiel vergesse, die Okularabdeckung anzubringen, fällt während der Aufnahme Licht durch den Sucher ein. Auch muss ich eine Textilabdeckung nutzen, um die Kamera vor Licht zu schützen. Dabei kann es aber wiederum passieren, dass ich den Fokus verstelle. Und wenn ich vergesse, die Autofokusfunktion auszuschalten, verstellt sich der Fokus bei der Aufnahme wieder, gerade wenn ich mit Filtern arbeite. Außerdem dürfen Kamera und Stativ während der Aufnahme natürlich nicht bewegt werden.
Nachdem ich das geplante Foto gemacht habe, laufe ich um das Gebäude herum, um weitere interessante Perspektiven zu suchen und Aspekte zu finden die man sonst bei Google nicht sehen kann. Und wenn ich etwas finde, starte ich den Prozess von vorne. Das alles kann schon mal drei bis vier Stunden dauern.
Welche Änderungen nimmst Du normalerweise in der Bildbearbeitung vor?
Bei der Bildbearbeitung geht es mir darum, dem Bild eine persönliche Note zu geben. Sie ermöglicht mir, viel mehr aus dem Bild herauszuholen. Das macht für mich mehr als 50 Prozent des Gesamtprozesses aus.
Zunächst nehme ich ein paar Basiskorrekturen in Lightroom vor, entferne zum Beispiel Flecken und korrigiere die Perspektiven. Für Architekturaufnahmen habe ich da schon einige Voreinstellungen. Dann exportiere ich das Bild in Photoshop, wo ich als erstes drei Versionen des Fotos in Schwarz-Weiß als Layer erstelle: eine normale, eine unterbelichtete und eine überbelichtete Version. Als Vorbereitung erstelle ich Masken von fast jedem einzelnen Element im Bild, um zu 100 Prozent die Kontrolle über die Aufnahme zu bekommen. Das ist der aufwendigste Teil des Prozederes, aber sehr wichtig. Wenn ich das nicht tue, erziele ich meistens nicht die Ergebnisse, die ich brauche, um mit einem Bild zufrieden zu sein.
Dann beginnt die eigentliche kreative Phase der Bearbeitung, bei der ich mithilfe der Masken und der Verlaufsfunktion die Lichtverhältnisse und Kontraste im Foto dezidiert so manipuliere, dass ich den Blick des Betrachters auf die Hauptelemente lenken kann. Außerdem kann ich dem Objekt Tiefe geben und letztendlich die wichtigen Details hervorheben und gleichzeitig die weniger wichtigen Elemente hinter Schatten “verstecken”.
Der Bearbeitungsprozess kann mehrere Tage dauern. Oft lasse ich Fotos einfach liegen und betrachte sie dann nach mehreren Tage wieder, um sicherzustellen, dass ich genügend Abstand von der Aufnahme habe. Nach einigen Tagen kann ich besser feststellen, ob ich das Bild richtig bearbeitet habe oder ob ich es noch anpassen muss.
Was sind Deine Wünsche und Ziele als Fotograf für die nächsten Jahre?
Ich möchte Projekte, die ich schon länger auf der Liste habe, verwirklichen. Zum Beispiel möchte ich Architekturfotoreisen nach Berlin und Kopenhagen machen. Und hier in Hamburg gibt es noch einige Perlen, die ich fotografieren möchte.
Vielen Dank für das Gespräch!
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