Stephan Wiesner ist schon fast eine Institution. Wenn man Landschafts- und Reisefotografie liebt und gerne in den sozialen Medien unterwegs ist, kommt man kaum an ihm vorbei. Ein guter Grund, ihm ein Portfolio zu widmen. Noch besser, dass uns seine Bilder wirklich vom Hocker hauen.

von Jamari Lior © Fotos von Stephan Wiesner

Von Stephan können wir viel lernen – ob Fotografie oder Marketing – und im Interview entsprechend aus dem Vollen schöpfen. Beginnen wir aber mit der Standardfrage.

Was führte dich zur Fotografie?

Im Jahr 2013 bin ich beruflich in die Schweiz gekommen und habe das Wandern entdeckt. Dafür habe ich mir eine kleine digitale Kompaktkamera gekauft. Über die Jahre wurden dann die Bergtouren ernsthafter und die Kameras größer – aber die Fotos nicht besser. Mit 40 habe ich dann eine kleine Midlife-Crisis gehabt und mein Leben gründlich hinterfragt. Dabei ist mir dann bewusst geworden, wie wichtig die Fotografie für mich geworden ist – und wie schlecht die Fotos waren. Also habe ich beschlossen, richtig fotografieren zu lernen. Als Motivationshilfe habe ich begonnen, einen Blog zu schreiben, später dann auch einen YouTube-Kanal aufgemacht. Das ist dann … etwas außer Kontrolle geraten. Nach ein paar Jahren habe ich mich nebenberuflich als Fotograf angemeldet, und als ich 2018 zurück nach Deutschland gekommen bin, habe ich den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Im folgenden Jahr habe ich das Einzelunternehmen dann in eine GmbH überführt.

Wie würdest du deinen Stil beschreiben?

Meine Fotos sind natürlich. Ich bearbeite kaum nach, sondern versuche, möglichst schon in der Kamera die gewünschte Stimmung einzufangen. Das ist in der heutigen Zeit leider ein Wettbewerbsnachteil. Man muss bunt und laut sein, um aufzufallen. Aber ehrlich gesagt habe ich lieber 70.000 Follower auf Instagram, die auch wirklich an Fotografie interessiert sind, als 700.000, die nur #clickibuntischrillefarben wollen.

Gibt es ein Bild, das dir persönlich viel bedeutet? Wenn ja, warum?

Da gibt es natürlich viele. Dazu zählt zum Beispiel das Foto von dem Zelt mit Schneeschuhen und Herz. Es entstand in der ersten Nacht in den Bergen mit meiner damaligen Freundin und jetzigen Frau, Anja Kallenbach, mit dem Blitz in den Schweizer Alpen, eine aufwendige Teamarbeit. Wir sind extra für dieses Foto in die Alpen gefahren, haben eine sehr kalte Nacht unter freiem Himmel verbracht. Beinahe hätte das Wetter uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Auch auf Roland den Schmied aus meinem Handwerkerbuch bin ich stolz, weil es ein sorgfältig geplantes Shooting war. Ich kannte weder ihn noch seine Schmiede und habe im Vorfeld sehr genau überlegt, wie ich den Beruf des Schmieds in einem Foto optimal einfangen kann. Bei dem Bild kamen ein Blitz und eine LED-Lampe zum Einsatz.

Gehen bei dir auch mal Projekte schief? Wie gehst du mit Rückschlägen um?

Meine Frau sagt gerne, dass sie bewundert, wie gut ich mit den kleinen Alltagspannen umgehe. Ich lache dann und sage „Gewohnheit“. Bei mir geht ständig viel schief. Ich hätte längst ein Magengeschwür, wenn ich mich darüber ärgern würde. Ein Schlüsselerlebnis war eine zweimonatige Reise nach Guatemala. Dort habe ich bei einfachen Familien gelebt und jeden Morgen gesehen, wie einige „Locals“ aus den Mülltonnen im Park gelebt haben. Wenn ich mich heute einmal schlecht fühle, dann sage ich mir immer: „Es geht mir doch gut. So lange ich nicht aus der Mülltonne lebe und auf einer Parkbank schlafe, ist alles okay.“

Betrachten wir einmal dein Business – auf welchen Säulen beruht es?

Ich habe 170.000 Follower auf YouTube. Das sind begeisterte Fotografen, die mir teilweise seit mehreren Jahren folgen. Über die Werbung kommen aber nur kleine Einnahmen rein. Interessanter sind bezahlte Kooperationen. Wir bieten nur sehr wenige Workshops an, dafür fehlt uns einfach die Zeit. Die Wiesner Medien GmbH bringt das ZIELFOTO-Magazin und künftig auch verstärkt Fotobücher raus.

Stichwort ZIELFOTO: Was darf der Leser von dem Magazin erwarten? Was hört man auf deinem Podcast, und worum geht es bei deinem Youtube?

Das ZIELFOTO-Magazin hat zwei Kategorien: Reisethemen für Fotografen im Sinne von „Die schönsten Fotospots in Norddeutschland“ und Sachthemen wie „Fotografieren in der Nacht“. Dabei legen wir Wert auf einen sehr hochwertigen Druck, ein professionelles Layout und interessante Gastbeiträge. Im Podcast geht es um leidenschaftliche Fotografen. Naturfotografen erzählen von ihren Reisen in die Wildnis, Sportfotografen davon, wie sie bei einer Olympiade fotografieren und so weiter. Auf YouTube bieten wir Tutorials rund um die Fotografie, Produkttests und viele Videos von Fototouren. Häufig treffen wir auch Gäste und begleiten sie bei ihrer Fotografie.

Wie ist deine Arbeit als Fotograf durch Corona betroffen?

Einerseits müssen wir viel unterwegs sein und sind durch Corona stark eingeschränkt. Andererseits sitzen die Leute mehr daheim und schauen Videos, davon profitieren wir. Statt zu reisen, bieten wir verstärkt Live-Videos an und arbeiten mit Archiv-Material. Aber das kann man nicht unendlich lange machen. Mittelfristig müssen wir uns wieder frei bewegen und vor allem mit anderen Menschen zusammenarbeiten können. Mit Fotografen genauso wie mit Models.

Thema Instagram und Landschaftsfotografie: Man hat immer mehr das Gefühl, dass viele Fotografen nur noch bekannte Fotospots abklappern, ein Standardfoto machen und dann einen starken Filter draufhauen. Wie stehst du dazu?

Für mich ist das keine Fotografie mehr. Das muss aber nicht heißen, dass es keine Kunst ist. Vielleicht sollte man es digitale Malerei nennen? Persönlich sehe ich das ein wenig so, als wenn ein Jäger in einem Wildgehege ansitzt. Ja, er bekommt seinen Rehbock, aber wo ist die Spannung?

„Wie werde ich berühmt?“ – Welche Empfehlungen hast du für Anfänger in der Selbstvermarktung?

Es gibt sehr viele, unglaublich gute Fotografen. Gut sein ist eine wichtige Voraussetzung, aber nicht ausreichend. Man muss heute aus der Masse herausstechen. Häufig höre ich etwas in der Art von „ich bin eher introvertiert“. Das bin ich auch, nur kann ich mich überwinden. Am einfachsten ist es wohl, wenn man sich extrem spezialisiert. Auf eine Region oder Stadt, auf ein Genre oder ein Hobby. Dann ist man schnell mal „der bekannteste Fotograf von Hintertuffigen“, landet in der lokalen Presse und es öffnen sich Türen.

Eines deiner aktuellen Projekte ist das Handwerkerbuch: Wie bist du auf die Idee gekommen und was waren die größten fotografischen Herausforderungen?

Die Idee zum Handwerkerbuch kam aus meinen Videos. Bei Testberichten sage ich häufig: „Das ist ein gutes Objektiv, um einen Mann bei der Arbeit zu fotografieren.“ Nur habe ich nie Menschen bei der Arbeit fotografiert. Das Projekt war dann aber so groß, dass ich mich lange nicht getraut habe, es anzugehen. Kurz vor dem Ende kam dann noch Corona dazwischen; wir hatten schon Termine für weitere Handwerker, die wir dann absagen mussten. Das Projekt ist eine Teamarbeit – und das wäre auch mein Ratschlag für alle, die etwas Ähnliches probieren möchten: Mach‘ nicht alles selbst. Zum Glück habe ich mit Susanne Geminn eine sehr erfahrene Designerin aus dem Printbereich im Team. Sie hat sich um den Druck gekümmert. Auf die Fotografie-Termine habe ich mich sehr gut vorbereitet. Ich war ja „Journalist“ und Fotograf in einer Person. Entsprechend wusste ich schon vor dem Termin, was der jeweilige Handwerker ungefähr macht und hatte eine Shotliste dabei.

Stephan Wiesner

Stephan Wiesner ist Fotograf und YouTuber. Seine Leidenschaften Outdoor-Sport, Wandern und Bergsteigen verbindet er mit der Fotografie. Auf seinem YouTube-Kanal findet, man hunderte Videos zu Themen rund um die Fotografie.

www.stephanwiesner.de

Instagram: stephanwiesner