Bei den meisten Fotografen beginnt die Karriere mit dem Sammeln von Fotos, dem Erlernen von Techniken, der Schulung des Auges – und gekrönt wird all dies durch eine Ausstellung. Andersherum verlieft es bei Michael Frank: Am Anfang stand eine Ausstellung.

 von Jamari Lior

© Fotos Michael Frank; http://mifra.art/

In Michael Franks Wohnort steht eine historische Mühle, die vom ortsansässigen Heimatverein restauriert wurde. Aber was macht man nun mit dem Gebäude? „Kunst“, schoss es Michael durch den Kopf. Die Räumlichkeiten eigneten sich bestens für Ausstellungen. Und dann kam auch schon die nächste Idee: Die Fotos, die er in den vielen Jahren auf Reisen gesammelt hatte, könnte man zu einer ersten Ausstellung zusammenstellen.

Allerdings hatte Michael keineswegs mit dem „Hintergedanken“ fotografiert, seine Bilder einmal auszustellen. So ging es erst einmal ans große Aussortieren. Dabei spielten die Bildqualität und die Auflösung eine wichtige Rolle. 30 Motive im Format 60 x 40 bekam er so zusammen. „Darüber hinaus wollte ich aber unbedingt noch größere Formate in der Ausstellung zeigen“, berichtet er, denn sein Ehrgeiz war geweckt. Er ließ sich von Profifotografen und –designern coachen und fotografierte bei den nächsten Reisen noch ambitionierter.

Dann kam der große Tag: Die Ausstellung stand. „Ich war überrascht, wie die Motive beim Publikum ankamen und als mich die ersten fragten, ob man die Bilder auch kaufen könnte, war ich noch erstaunter … Der Gedanke, dass Menschen meine Motive in ihren privaten Räumen aufhängen, machte mich sehr stolz. Ab diesem Zeitpunkt realisierte ich, dass ich Fotograf bin.“

Fotojournalismus

2013 begann Michael ein Fernstudium zum Fachjournalisten und der Bereich „Fotojournalismus“ weckte sein besonderes Interesse – die Darstellungsform kam seiner Vorstellung von Fotografie besonders nahe: Michael möchte das Leben dokumentieren, nicht inszenieren. Hier entwickelte er auch seinen persönlichen Leitsatz: „Die Perspektive ermöglicht das Motiv. Die Gelegenheit ermöglicht die Perspektive. Das Leben ermöglicht die Gelegenheit.“

„Die Perspektive ermöglicht das Motiv. Die Gelegenheit ermöglicht die Perspektive. Das Leben ermöglicht die Gelegenheit.“

Was meint Michael damit? Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im technischen Außendienst ist er immer wieder recht spontan dazu aufgefordert worden, in die verschiedensten Winkel des Globus zu reisen. Meistens sieht das dann so aus: „Die Reise beginnt mit der Fahrt zum Flughafe, dem Aufenthalt dort, dem Flug, der Ankunft in einem anderen Flughafen, weiter geht es mit der Fahrt zum Kunden oder dem Standort der Anlage, mit der Besprechung beim Kunden und dann der Fahrt zum Hotel. An welchem Ort ich konkret lande – darauf habe ich keinen Einfluss.“ Somit ergeben sich durchaus viele Gelegenheiten, aber keine planbaren Fotorouten. Michael muss das nehmen, was er kriegt und zudem rasch ein Gespür für den Ort entwickeln: „Das kann bei einer Reise nach Neapel sein, bei der ich abends oder am frühen Morgen zwei bis drei Stunden Zeit habe, mit meiner Kamera komplett unvorbereitet im Umkreis des Hotels umherzustreifen.“ Die Gelegenheit, das ist der Zufall, damit aber auch das Authentische, das, was nicht planbar, nicht hergerichtet für die Touristen ist. Das echte Leben, manchmal bunt, manchmal grau, mal ironisch anmutend, mal skurril, mal schön.

Der Schnappschuss

Michael nutzt in diesem Kontext den Begriff des Schnappschusses. „In Diskussionen mit anderen Fotografierenden habe ich oft festgestellt, dass der Schnappschuss als minderwertig gilt, da er angeblich eine amateurhafte Art des Fotografierens kennzeichnet, die keine Vorbereitung und kein Konzept beinhaltet – er erscheint als laienhaft, huschig und damit nicht erstrebenswert. Zu unrecht, finde ich, denn ein gelungener Schnappschuss ist ziemlich anspruchsvoll“, meint Michael. Man hat in der Schnappschussfotografie nicht die Chance, eine Situation zu wiederholen. Es muss schnell gehen – und das bedeutet, dass man die Situation möglichst gut antizipieren können muss: Was wird als nächstes passieren? Wann lohnt es sich, abzudrücken? So muss der Fotograf auch möglichst rasch die passende Kameraeinstellung finden, die richtige Perspektive und die beste Brennweite. Hier bleibt man ständig in Bewegung. Man kann sich aber auch auf die Lauer legen und auf eine bestimmte Situation warten, beispielsweise vor einem attraktiven Hintergrund darauf warten, dass Passanten vorbeikommen werden.

Auf jeden Fall heißt es, stets in Aktion zu bleiben. „Stetig schule ich das schnelle Auge für den Moment, der da kommt. Dafür habe ich mir Automatismen antrainiert und bin stets bereit für das nächste Foto“, erklärt Michael.

Kein Text

Jedes einzelne Motiv, das Michael aufgenommen hat, soll dem Betrachter eine eigene Geschichte erzählen. Aus diesem Grund nutzt der Fotograf meist keine Titel oder Bildnamen für seine Exponate. Auch der Ort soll dem Betrachter erst einmal verborgen bleiben. Sein Ideal für die Bildbetrachtung sieht so aus: „Wenn Sie in eines der Motive so versunken sind und sich Ihre eigene Geschichte erzählt haben, aber doch mehr wissen möchten – dann erst lesen Sie die Bildunterschrift.“