Die Ausgereifte

Die Neuauflage des Canon Vollformatklassikers, die EOS 5D Mark IV, wurde gegenüber dem Vorgänger in vielen Details verbessert und präsentiert sich als Allround-Fotografiermaschine, die kaum noch Wünsche offenlässt.

VON HANS-GÜNTHER BEER © FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Wie verbessert man einen Bestseller wie die EOS 5D Mark III, die vor vier Jahren ob ihrer Gesamtkonzeption einen regelrechten Hype erzeugte, ohne die Kundschaft vor den Kopf zu stoßen? Das macht man im Hause Canon mit akribischer Detailarbeit und indem man die Wunschliste der Canon-Fotografen sukzessive abarbeitet. Obwohl sich hier nur spekulieren lässt, stand ganz oben auf dieser Wunschliste sicher die Möglichkeit, 4K-Videos aufzuzeichnen. Ausstattung und Bedienung Hier kann man einen Haken setzen, denn die EOS 5D Mark IV (Gehäusepreis: 4.100 Euro UVP) beherrscht 4K-Video mit 25/30 fps und wahlweise Ausgabe über den HDMI-Anschluss souverän. Darüber hinaus ist die Neue an vielen Stellen deutlich weiterentwickelt worden, ohne dass man dies von außen ohne weiteres erkennen kann. Das Gehäuse gleicht dem des Vorgängers wie ein Ei dem anderen, ist wiederum aus einer Magnesium-Aluminium- Legierung gefertigt, mindestens ebenso robust und sogar deutlich besser abgedichtet. Der Body geriet sogar 10 Prozent leichter, Mark III-Besitzer erkennen das sofort. Das bewährte Bedienkonzept haben die Entwickler ebenfalls bis auf ein paar Kleinigkeiten übernommen, lediglich die Anschlüsse für Kabelfernauslöser und Blitzsynchronkabel haben ihren Platz getauscht und der Fokusfeld- Wahlschalter auf der Rückseite ist dazu gekommen. Um beispielsweise beim Tethering-Betrieb – Steuern der Kamera und Herunterladen der Aufnahmen per Computer – einen schnelleren Datentransfer etwa zu Photoshop, Lightroom oder Capture One sicherzustellen, verfügt die EOS 5D Mark IV über einen schnellen USB 3.0-Anschluss.

Alle Bedientasten lassen sich individuell mit Funktionen belegen.

Eine Kabelsicherung zum Fixieren von USB- und HDMI-Kabel gehört übrigens zum Lieferumfang der EOS 5D Mark IV. Den schnellen USB-Anschluss braucht die Kamera auch, denn der nunmehr 30 Megapixel auflösende Bildsensor, 35 Prozent mehr als beim Vorgänger, erzeugt deutlich größere Dateien. Mit dieser Auflösung liegt die EOS 5D Mark IV schon viel näher an der Sony a7RII, ohne den Pixelboliden EOS 5DS/R aus dem eigenen Hause zu nahezukommen. Damit ist eine praxisgerechter Kompromiss gewählt worden, der zu sehr guten Ergebnissen führt, wie wir weiter unten sehen werden. Denn den Entwicklern war auch eine hohe Serienbildgeschwindigkeit wichtig – zu große Datenmengen würden dem entgegen stehen, obwohl der neue Prozessor Digi 6+ nochmals an Performance dazugewonnen hat. Die EOS 5D Mark IV bietet maximal 7 Bilder pro Sekunde gegenüber 6 und 5 bei der Mark III und 5DS/R. Der interne Bildspeicher fasst allerdings nur etwas mehr als 20 Aufnahmen im RAW-Modus, JPEG-Fotos nimmt er hingegen unbegrenzt auf. Eine von Canon besonders herausgestellte Besonderheit des Bildsensors ist seine sogenannte Dual- Pixel-Technologie. Diese verwenden die Canon-Ingenieure auf zweierlei Weise. Zum einen für eine deutliche Performance- Steigerung des Kontrastautofokus für Liveview und Videoaufnahmen.

In der Praxis zeigt sich dies auch sofort. Im Liveview-Modus springt der Autofokus schnell und präzise, ohne Pumpen auf das scharfzustellende Motivdetail – ein großer Unterschied zum Vorgänger. Dank des Touchscreens, der mit mehr als 1.600.000 Bildpunkten sehr hoch auflöst, genügt dafür lediglich ein Antippen auf dem nach wie vor nicht klappbaren Bildschirm, auf Wunsch löst die Kamera auch aus. Ganz besonders eindrucksvoll setzt sich der Dual Pixel-AF bei Videoaufnahmen in Szene. Hier lässt sich der Schärfepunkt kontinuierlich mit der Fingerkuppe über den Bildschirm führen und so beispielsweise die Schärfe auf eine sich durch die Szene bewegende Person nachführen. Dieses in der Fachsprache „Follow Focus“ genannte Schärfeziehen wird in der professionellen Videotechnik nicht vom Kameramann selbst, sondern von seinem Assistenten via einer Schärfezieheinrichtung durchgeführt. Zwar lässt sich die Kamera und auch die Schärfe im Fotomodus mittels der App „Canon Camera Connect“ steuern, allerdings die Schärfe im Videomodus (noch) nicht kontinuierlich nachziehen – schade. Wäre Follow Focus über die App möglich, wäre das ein absolutes Alleinstellungsmerkmal der EOS 5D Mark IV. Die Dual Pixel-Technik setzen die Canon-Ingenieure außerdem für die Funktion Dual Pixel RAW ein, die eine nachträgliche Schärfeverschiebung am Computer möglich machen soll. Beispielsweise bei Porträtaufnahmen, wo man die Schärfe nachträglich tatsächlich auf die Pupille des Modells legen könnte.

In der Praxis funktioniert das tatsächlich, allerdings sehr eingeschränkt, denn es existieren nur wenige Millimeter Spielraum. Die reichten im Test zwar nicht aus, um defokussierte Aufnahmen zu retten, aber geringe Schärfeverlagerungen waren zweifelsfrei möglich und haben so mancher Aufnahme erst den richtigen Kick gegeben. Mit „Camara RAW 9.7“ bietet nun auch Adobe die Möglichkeit, Aufnahmen im Dual Pixel RAW zu entwickeln und in Photoshop zu bearbeiten. Allerdings ist zu beachten, dass die Dateigrößen bei aktiviertem Modus deutlich zunehmen. In unserer Fotopraxis mit der EOS 5D Mark IV haben wir den Dual Pixel RAW-Modus eher wenig eingesetzt, da der Autofokus der neuen Canon derart präzise und treffsicher arbeitet, das meist schlicht und ergreifend keine Notwendigkeit bestand. Zu schätzen lernten wir allerdings den wirklich präzisen Autofokus bei Liveview- Aufnahmen, insbesondere in Verbindung mit dem rückseitigen Monitor. Dessen Touchscreen ist dank seiner hohen Auflösung sehr scharf, kontrastreich und außerdem reaktionsschnell. Auch das umfangreiche Kameramenü lässt sich via Touchscreen bedienen und Einstellungen anpassen. Außerdem ist das hilfreiche Quickmenü, aktivierbar per QTaste auf der Rückseite oder über das entsprechende Symbol im Liveview-Betrieb per Fingerwisch bedienbar. Damit wird die EOS 5D Mark IV in der Hand seines Users, der sich auf jeden Fall durch das über 600 Seiten umfassende Manual kämpfen sollte, auch wenn er Aufsteiger von der EOS 5D Mark III ist, sehr schnell bedienbar, zumal die EOS 5D Mark IV hier weitere Besonderheiten bietet.

Die Rückseite der EOS 5D Mark IV zeigt sich nach wie vor aufgeräumt und sehr bedienungsfreundlich. Rechts unterhalb des praktischen und griffigen Joysticks findet sich ein neuer Schalter, mit dem man sich durch die verschiedenen Fokusfeld- Gruppierungen schalten kann.

Bleiben wir beispielsweise beim Videomodus. Für diese Betriebsart lässt sich die neue Kamera umfangreich konfigurieren – nachdem man den kleinen Umschalthebel an der Lieveview Start/ Stop-Taste auf das Videosymbol gestellt hat –, per diversen Timecode-Einstellungen, speziellem Autofokus (Gesichtserkennung) oder Zeitraffer-Funktionen, das Angebot ist groß. Grundsätzlich zeichnet die EOS 5D Mark IV Videos im Motion-JPEG-Format auf. Aus dem Videostream lassen sich JPEG-Fotos (4KFrames) mit 8 Megapixel Auflösung extrahieren, wie das Panasonic mit seinen neuen Modellen vorgemacht hat, deren Pre-Burst-Funktion die Canon jedoch nicht beherrscht. Ebenso wenig die Pro- Capture-Funktion der neuen Olympus OM-D E-M1 Mark II (siehe Seite 12). Als Videoformate stehen 4K mit 30 fps und HD mit 50 fps im MOV- oder MP4-Format bereit. Ferner steht eine Bildrate von 100 B/s bei verringerter Auflösung von 1280 x 720 für Zeitrafferaufnahmen zur Verfügung. Um das Ausstattungspaket der neuen Canon zu komplettieren und sie insbesondere für Landschaftsfotografen, eine der Domänen schon des Vorgängers, noch interessanter zu machen, spendierten ihr die Entwickler ein GPS-Modul. Dieses kennt zwei Modi: Im Modus 1 scannt die Kamera auch im ausgeschalteten Zustand ständig die GPS- und Glonass-Satelliten, im Modus 2, schaltet sich das GPS-Modul mit der Kamera ab und benötigt beim Wiedereinschalten eine Weile, um genaue Daten liefern zu können. Hier heißt es also Abwägen zwischen erhöhtem Stromverbrauch und Schnelligkeit und Komfort. Ansonsten bietet die EOS 5D Mark IV zwei Kartenslots (siehe Tabelle), Mikrofon- und Kopfhöreranschluss, den bekannt hellen und Brillenträger-freundlichen optischen Sucher sowie einen sehr guten Autofokus.

Zu Lieferumfang gehört eine praktische Kabelsicherung.

Der Autofokus in der Praxis

Neben dem hervorragenden Kontrastautofokus, besitzt die neue 5D den aus der 5DS/R bekannten Phasenautofokus. Dieser arbeitet mit 61 AF-Feldern, davon 41 als Kreuzsensoren, ist mit den Jahren gereift und lässt sich wunderbar an die unterschiedlichsten Umstände anpassen. Im Kameramenü stehen ganze fünf Menüseiten für die AF-Einstellungen zur Verfügung. Die Voreinstellungen Case 1 bis Case 6 decken wohl die meisten Anwendungsfälle für AF-Tracking ab. Richtig eingestellt, löst der AF selbst die schwierigs- 9 ten Tracking-Aufgaben mit Bravour. Selbst in der Dämmerung oder bei Kerzenschein macht das Scharfstellen kein Problem, die Kamera fokussiert dann immer noch präzise und schnell. Die Bildqualität Die ISO-Bandbreite erweiterte Canon bei der 5D Mark IV auf 100 bis 32.000 ISO, per Push-Stufe H2 gar bis 102.000 ISO. Im Teststudio von Trust Your Eyes untersuchten wir das Rauschverhalten bei verschiedenen ISO-Stufen. Beim Bewerten der Testaufnahmen – angefertigt mit dem Sigma Art 1.4/50mm – und dort im Speziellen der Farbfelder, zeigt sich bis zu 1.600 ISO so gut wie überhaupt kein Farb- oder Luminanzrauschen. Erst bei ISO 3.200 lässt sich in den kritischen Firnfeldern Schwarz, Rot, Blau und Grün leichtes Farbrauschen feststellen. Im Vergleich zum Vorgänger EOS 5D Mark III ist das Farbrauschen trotz höher Auflösung sogar merkbar geringer geworden und liegt jetzt gleichauf mit dem der Nikon D810, die hier immer schon Maßstäbe setzte. ISO 6400-Aufnahmen sind selbst bei hoher Vergrößerung noch immer sehr gut, verlieren aber schon merkbar an Schärfe und zeigen Einbußen im Mikrokontrast, zugleich sinkt der Dynamikumfang schon wahrnehmbar. In der Farbwiedergabe und in der Plastizität der Aufnahmen hat uns die neue EOS 5D Mark IV deutlich besser gefallen als der Vorgänger. Außerdem lassen sich die RAW-Daten in der Postproduktion besser verarbeiten, beispielsweise dunkle Bildbereiche hochziehen, ohne dass Helligkeits- oder Farbabrisse auftreten. Dies halten wir für einen besonderen Vorteil der EOS 5D Mark IV.

Fazit

Die neue Canon EOS 5D Mark IV ist definitiv eine hervorragende Kamera für einen sehr breiten Einsatzbereich, mit Ausnahme vielleicht exzessiver Sportfotografie. Sie bietet eine ausgereifte AF-Performance auch im Liveviewoder Videobetrieb, eine exzellente Bildqualität und ist außerdem top verarbeitet und komplett ausgestattet. Der Gehäusepreis von gut 4.000 Euro ist hoch, dürfte aber für die anvisierte Zielgruppe sicher in Ordnung gehen.

Canon EOS 5D MkIV

Hersteller Canon
Vertrieb Canon Deutschland GmbH, Europark Fichtenhein A10, 47807 Krefeld, www.canon.de
Preis [UVP] 4.100 €

Technische Daten/Ausstattung

Gehäuse Aluminium-Druckguss
Spritzwasser- und Staubschutz P
Objektivbajonett/Objektiv fest eingebaut Canon EF/-
Sensortyp/Prozessor CMOS 34x36mm/Dual DIGIC 6+
Bildformate RAW/JPEG 14 Bit Farbtiefe, Dual Pixel RAW
Bildgröße 6.720 x 4.480
Bildstabilisator
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher optischer Sucher, Pentaprisma, 100%, 0,71 fach Vergrößerung, Pupillenabstand 21 mm
Dioptrienanpassung -3,0 bis +1,0 dpt
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell P/P/P/P (3 Custom-Einstellungen)
Bildstile 8, +3 benutzerdefienrbar
Belichtungsmessung Mehrfeld/Integral/Spot P/P/P (EV 0 bis EV 20)
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen P/P, +-5 LW
Weißabgleich: Auto/manuell/Presets/Reihen P/P/P/P
ISO-Empfindlichkeit ISO 100-32.000 (erweiterbar L: 50; H2: 102.000)
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/8.000s/1/200s
Auslösemodi S, CL, CH, leise Einzelbild- und Reihenaufnahmen
Selbstauslöser P (2s/10s)
Intervalltimer P
Fokussiersystem TTL-Phasenkennung (Kontrast-AF im Liveview-Modus)
AF-Messfelder/Arbeitsbereich 61, davon 41 Kreuzsensoren, 5 Dual-Kreuzsensoren/ LW -3 bis 18 (ISO 100)
Fokusmodi Manuel Focus, AI Focus, AI-Servo
AF-Hilfslicht über Speedlite Blitzgerät
Gesichterkennung P
Maximale Bildsequenz 7 Bilder/s, 4,3 B/s im Live View Modus mit AF-Nachführung
Max Anzahl Bilder bis Speicher voll 21 im RAW-Modus, unbegrenzt im JPG-Fine-Modus
eingebauter Blitz
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, FP, Blitzbelichtungsspeicher
Externe Blitz steuerbar Master-/Slave-Modus P/P (Canon EX-Multiflash-System)
Touchscreen P
Livebild/mit Autofokus P/P
Wasserwaage P
Bildschirm/Auflösung/klappbar/schwenkbar 3,2 Zoll/1.620.000 Bildpunkte/-/-
Schnittstellen USB 3.0, HDMI (Full-HD, unkomprimiert YCbCr 4:2:2, 8 Bit),Fernauslöser, Blitzanschluss, Mikrofon, Kopfhörer
Speicherkarten CF-Card Typ I, SD Card,SDH, SDXC (UHS-I)
WiFi/NFC P/P
GPS P (GPS, Clonass)
Videoformate MOV Video: 4K (17:9) 4.096 x 2.160, Full-HD (16:9) 1.920 x 1.080 (59,94, 50, 29,97, 25, 23,98 B/s) Intra oder Inter Frame
Tonaufnahme Linear PCM
Abmessungen (BxHxT) 151 x 174 x 76 mm
Gewicht 830 g (Inklusive Akku und Speicherkarte)

Besonderheiten

17 Individualfunktionen mit 46 Einstellungen, Möglichkeit zur Extrahierung von 8,8 Megapixel JPEG-Einzelbildern aus 4K-Videos, Dual Pixel CMOS AF

Diesen Test finden Sie in der Ausgabe 12/2016.