GUT ABGESTIMMT

Die gerade auf den Markt gebrachte EOS 6D Mark II ist das neue Einstiegsmodell in die Vollformat-Liga von Canon. Die handliche
DSLR wurde gegenüber dem Vorgänger an relevanten Stellen aufgewertet und überzeugt nicht zuletzt durch die gute Bildqualität
im Praxisalltag.

VON HANS-GÜNTHER BEER  © ALLE FOTOS CHRISTINA KANIA, HANS-GÜNTHER BEER

Gut liegt sie in der Hand, die neue EOS 6D, besser noch als der Vorgänger, und mit einem EF 70-200 f/4 beispielsweise auch sehr gut ausbalanciert. Das gegen Staub und Spritzwasser gedichtete Gehäuse wirkt hochwertig und tadellos verarbeitet. Es könnte glatt als Alubody durchgehen, obwohl es „nur“ aus faserverstärktem Polycarbonat besteht. Das Innengehäuse, an dem das Bajonett verschraubt ist und das die komplette Elektronik und Mechanik trägt, ist jedoch aus Aluminium gefertigt. Ein Vorteil dieser Bauweise: Für eine ausgewachsene Vollformatkamera ist die EOS 6D Mark II trotz guter Stabilität erfreulich leicht.

Das Bedienlayout der EOS 6D Mark II wurde im Wesentlichen vom Vorgänger übernommen. Der Moduswahlknopf lässt sich nur bei gleichzeitigem Druck auf die zentrale Taste drehen. Neben dem Auslöser sitzt die Taste für die Auswahl der AF-Felder – sehr praktisch.

Ausstattung und Bedienung

Eine der wichtigen Neuheiten bei den Verbesserungen ist der neue Kleinbild- Vollformatsensor mit 26 Megapixeln Auflösung. Ihm wurde der potente Bildprozessor Digic 7 zur Seite gestellt. Außerdem wurde gegenüber dem Vorgänger die AF-Einheit kräftig aufgerüstet. Die EOS 6D Mark II erhielt die Autofokus-Einheit aus der EOS 80D mit 45 AF-Feldern, alle ausnahmslos Kreuzsensoren. Vom Vorgänger hat die neue 6D den eingebauten GPS-Empfänger übernommen, der auch GPS-Tracking beherrscht. Außerdem verfügt die EOS 6D Mark II über WiFi, Bluetooth und NFC und kann komplett über ein Smartphone ferngesteuert werden. Als erste Canon-DSLR ihrer Sensorklasse verfügt die 6D nun auch über einen seitlich klapp- und schwenkbaren LCD Monitor. Der ist als Touchdisplay ausgeführt und besitzt wie der aus der EOS 80D eine Auflösung von 1,04 Millionen Bildpunkten. Die mechanische Anlenkung es Displays, das zum Schutz gegen Kratzer auch ganz eingeklappt werden kann, macht einen soliden und langlebigen Eindruck. Das Display selbst ist sehr kontrastreich und scharf und lässt sich auch im direkten Sonnenlicht noch gut nutzen. Auf der echten Kameraschulter sitzt das vergleichsweise große Canon typische Infodisplay, das einen schnellen Überblick über alle wichtigen Aufnahmefunktionen verschafft, sodass man das rückwärtige Display auch zugeklappt lassen kann und sich ausschließlich dem hellen und übersichtlichen optischen Sucher widmen kann. Der ist auch für Brillenträger ohne Einschränkungen überschaubar und wurde merkbar überarbeitet. Einerseits zeigt er immer noch nicht die vollen 100 Prozent der Bildfläche, sondern nur 98 Prozent, denn anscheinend muss der Abstand zu den Profimodellen gewahrt bleiben und jedes Prozent mehr steigert den optischen Aufwand im Suchersystem deutlich und
damit auch die Kosten. Andererseits sollte der Kunde von einem 2.000 Euro-Body heutzutage einen 100-Prozent-Sucher erwarten
dürfen. Immerhin erhielt der Sucher ein LCD-Overlay, das nun auch die elektronische Wasserwaage im Sucher sichtbar macht – das können viele andere DSLRs wiederum nicht.

Das Layout der mechanischen Bedienelementewurde gegenüber dem Vorgänger nur wenig verändert, jedoch etwas optimiert. An die Bedienung des Multifunktionsrades auf der Rückseite, das sich aus einem Drehring plus achtachsiger Wippe zusammensetzt, die Wippe dient auch zur
Positionierung des Autofokusfeldes, muss man sich zunächst gewöhnen. Einen Joystick ersetzt diese Konstruktion jedenfalls
nicht. Das Moduswahlrad auf der linken Kameraschulter lässt sich nur bei gleichzeitigem Druck auf die zentrale Entriegelungstaste drehen, da haben wir schon bessere Lösungen gesehen. Das war‘s aber auch schon mit der Kritik. Nach Druck auf die praktischerweise neben dem Auslöseknopf angeordnete AF-Feld-
Wahltaste leuchten im Sucher die Markierungen für die 45 AF-Felder, die sich vielfältig gruppieren lassen, auf. Diese Felder sind allerdings sehr stark in der Bildmitte konzentriert, decken also nur einen vergleichsweise kleinen Bereich ab. Das kann insbesondere bei Hochformat-Porträtaufnahmen Schwierigkeiten machen, da dort, wo die Augen sind, kein AF-Feld liegt. Folglich muss man wie in der AF-Steinzeit fokussieren und dann schwenken. Der Phasenautofokus selbst arbeitet jedoch bei Kerzenlicht äußerst schnell und zuverlässig. Bei der AF-Geschwindigkeit ist eher das verwendete Objektiv und nicht die Kamera der limitierende Faktor. Mit einem EF 70-200 f/4 jedenfalls blieben keine Wünsche offen. Auch das Focus Tracking arbeitet sehr zuverlässig. Selbst den beliebten Hundetest– Hund läuft schnell auf Fotograf zu – absolvierte die EOS 6D Mark II mit Bravour, die Ausschussquote lag, wenn überhaupt, unter zehn Prozent. Gerade bei solchen bewegungsintensiven Aufnahmen hätten wir uns sehr oft einen größeren AF-Bereich gewünscht.

Live View und Video

Diese Limitierung existiert im Live- View-Modus nicht. Dort nutzt die EOS 6D Mark II fast über die gesamte Bildfläche die Dual-Pixel AF auf dem Bildsensor. Bei dieser Technik besteht jeder Sensorpixel aus zwei Teilpixeln, die den Autofokus durch Winkelberechnung (Triangulation) sehr präzise berechnen, viel genauer als herkömmliche Kontrastautofokussysteme. Dank Dual Pixel AF arbeitet der Autofokus im LiveView-Betrieb so flüssig und schnell und auch ohne Pumpen, dass man diese Betriebsart sehr gerne einsetzt. Die Objektverfolgung arbeitet ebenfalls sehr schnell und flüssig. Im Videomodus ist sogar Follow Focus möglich, will heißen, man kann mit dem Finger auf dem Display einem Objekt folgen und der AF folgt kontinuierlich und unmittelbar mit. Auch das
können nur ganz wenige Kameras und das lässt die Tatsache, dass die EOS 6D Mark II „nur“ HD und kein 4K kann, leicht verschmerzen. Einmal ganz abgesehen, dass die 4K-Fähigkeit bei Fotokameras deutlich überschätzt wird, verfügt die neue 6D über HD mit 60 fps und liefert immerhin 4K-Zeitraffer- Aufnahmen, was für viele Fotografen schon völlig ausreicht. Technisch dürfte diese Beschränkung trotz des potenten Digic 7-Prozesors unter anderem an der langsamen SD-Karten- Schnittstelle liegen. Denn die EOS 6D Mark II verfügt hier nur über einen UHS I-Datenbus, was für 4K-Videos deutlich zu langsam ist. Außerdem gibt’s nur einen Kartenslot, der die Daten aus dem internen Pufferspeicher weiterreicht. Der fasst zirka 20 RAWAufnahmen bis er voll ist. Bei einer Serienbildfrequenz von nominell 6,5 Bildern pro Sekunde, wir erreichten in den Tests knapp 6 B/s, ist der Speicher nach etwas mehr als drei Sekunden voll. Dass die EOS 6D Mark II keine ausgesprochene Profikamera sein will oder soll, obwohl es dazu viele Ansätze gibt, macht sich besonders deutlich bei der Limitierung bei der kürzesten Verschlussgeschwindigkeit bemerkbar. Für eine 2.000 Euro-Kamera sind 1/4000 Sekunde definitiv nicht mehr zeitgemäß. Den besitzen viele halb so teure Systemkameras zwar auch nicht, dafür aber wie beispielsweise die Fujifilm X-T20 immerhin einen elektronischen Verschluss (1/32.000 Sekunde),einen solchen kann die EOS 6D Mark II ebenfalls nicht aufweisen.

Das Touchdisplay der EOS 6D Mark II lässt sich insbesondere für Makro oder Videoaufnahmen schnell in die richtige Position bringen.

Die Bildqualität

Dies ist deshalb bedauerlich, da die neue 6D eine gesteigerte Empfindlichkeit bis zu ISO 25.600, in der H2-Einstellungb gar bis (unsinnige) ISO 102.400 offeriert. Vor allem aber stieg, wie die Tests im Thrust Your Eyes Testlabor zeigten, der tatsächlich für die anspruchsvolle Fotografie nutzbare
ISO-Bereich. Trotz Erhöhung der Sensorauflösung gegenüber dem nun schon fünf Jahre alten Vorgänger auf nunmehr 26 Megapixel, was mit einer merkbaren Verkleinerung der Pixelfläche einhergeht, hat sich bis ISO 800 das Bildrauschen sogar verringert. Die EOS 6D Mark II liefert hier knackig scharfe, fein aufgelöste Fotos mit gutem Mikrokontrast und einer satten, aber nicht übertrieben bunten Farbwiedergabe. Bis ISO 1600 und mit geringen Einschränkungen gar bis ISO 3200 ändert sich daran nichts bis wenig. Bei ISO 6400 ist schon deutlich sichtbares Farbrauschen zu erkennen, obwohl die Bilddetails noch nicht zugekleistert werden. Mit ein wenig Bildbearbeitung ist da noch eine Menge herauszuholen, allerdings nur bei RAW-Aufnahmen. Fotografiert man bei hohen ISO-Werten im JPEG-Format, ist das Bildrauschen zwar sichtbar reduziert, hier wird kameraintern der Digic 7-Bildprozessor sehr fleißig, allerdings werden auch gleich fein Bilddetails weggerechnet. Unsere Empfehlung: Im RAW-Format fotografieren und im RAW-Konverter, beispielsweise Capture One 10, der hier
mit die besten Ergebnisse liefert, gezielt entrauschen und leicht nachschärfen. Nach etwas Übung lassen sich sogar aus Aufnahmen mit ISO 12.800 noch brauchbare Fotos generieren. Allerdings leidet bei hohen ISOWerten der bis ISO 800 gute bis sehr gute Dynamikumfang merkbar.

Fazit

Die EOS 6D Mark II ist definitiv eine gelungene Weiterentwicklung gegenüber dem Vorgänger. Obwohl man sich einen schnelleren Verschluss und eine größere Abdeckung des Bildfeldes durch die AF-Felder wünschen würde, besitzt sie ein sattes, gut abgestimmtes Ausstattungspaket, der LiveView-Modus in Verbindung mit dem schwenkbaren Touchdisplay ist ein echtes Highlight. Außerdem liefert
die EOS 6D Mark II eine sehr gute Bildqualität.

Canon EOS 6D Mark II
Hersteller Canon Deutschland GmbH
Vertrieb Canon www.canon.de
Preis [UVP] Gehäuse 2.100 Euro, im Kit mit EF 24-105mm 2.500 Euro

Technische Daten/Ausstattung
Gehäuse faserverstärktes Polycarbonat
Spritzwasser- und Staubschutz ja
Objektivbajonett Canon EF
Sensorauflösung/Bildgröße 26,2 Megapixel mit Tiefpassfilter/ 35,9×24 mm, Kleinbildvollformat
Bildgröße 6.240 x 4.160 Pixel
Sensortyp/Prozessor CMOS/DIGIC-7 Prozessor
Bildformate RAW 14 Bit/JPEG
Bildstabilisator nein
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher optischer Sucher, 98 %, Vergr. 0,71-fach
Okularverschluss nein
Dioptrienanpassung -3,0 bis +1,0 dpt, Pupillenabstand 21 mm
Bildschirm/Auflösung klappbar/schwenkbar 3-Zoll/1,04 Millionen Bildpunkte/ja/ja
Touchscreen ja
Livebild/mit Autofokus ja/ja
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell Belichtung, B, Custom (C1/C2), automatische Motiverkennung, Kreativ-Automatik, Creative Auto, Special-Scene-Modi (Porträt, Gruppenfoto, Landschaft, Sport, Kinder, Schwenken, Nahaufnahme, Speisen, Kerzenschein, Nachtporträt, Nachtaufnahme ohne Stativ, HDR-Gegenlichtaufnahme)
Belichtungsmessung Mehrfeld (7.560 Pixel)/Integral/Selektiv/Spot (EV 1 bis EV 20),
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen ja/˜ja, +-5 LW
Weißabgleich Auto manuell, Presets, Reihen
ISO-Empfindlichkeit ISO 100 bis 40.000
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/4.000s / 1/180s
Aufnahmebetriebsarten S, Reihen L, Reihen H, leise Einzel- und Reihenaufnahmen
Maximale Bildsequenz 18 B/s (mit AF-Tracking), 60 B/s (ohne AF-Tracking)
Maximale Anzahl Bilder bis Speicher voll RAW: 100
Selbstauslöser 2s,10s + Fernauslösung
Spiegelvorauslösung ja
Maximale Bildsequenz 6,5 B/s
Interner Pufferspeicher 21 RAW-,150 JPEG-Aufnahmen
Intervalltimer ja
Fokussiersystem TTL-Phasenmessung, Dual Pixel Kontrastautofokus bei LiveView
AF-Messfelder max. 45 Kreuzsensoren
Fokusmodi/Empfindlichkeit AF-S, AF-C, manuell/ -3 bis 18 EV
AF-Hilfslicht ja
Gesichtserkennung ja (LiveView-Modus) GPS ja
eingebauter Blitz nein
Blitzmodi 2.Verschlussvorhang, Rote Augen, FP
Externer Blitz steuerbar Master-Slave-Modus
Wasserwaage ja
Schnittstellen USB 2.0, HDMI Typ C, Mikrofon
WiFi/Bluetooth/NFC ja/ja (4.1)/ja)
Speicherkarten 1x SD, SDHC
Videoformat MOV (MPEG-4, H.264)
bestmögliche Videoqualität HD 1.920 x 1.080/60p
Timecode nein
Abmessungen (BxHxT) 145 x 111 x 75 mm
Gewicht 770 g (Inklusive Akku und Speicherkarte)

Besonderheiten
28 Custom-Funktionen, eingebautes GPS, Zeitraffer-Videos mit 4K, 30 B/s, AF-Feinabstimmung

Weitere Informationen unter: canon.de

Diesen Test finden Sie in der Ausgabe 12/2017