Kompakter Athlet

Mit dem äußerst kompakten und vielseitigen M-3204X mischt Sirui den Markt günstiger Carbon-Stative gehörig auf. Im Praxistest auch der Kugelkopf K-30X.

Autor: Hans-Günther Beer

Die im Jahre 2001 gegründete Sirui Photographic Equipment Industry Co. Ltd., beheimatet in der 1,4 Millionen Einwohner zählenden Stadt Zhongshan, im südlichen Teil des Perlflussdeltas in Südwestchina, hatte sich Großes vorgenommen. Wollte das Unternehmen doch seine Fertigungsqualität als OEM-Hersteller so schnell wie möglich auf westliches Fertigungsniveau hieven. Schon 2007 bestand Sirui den Qualitätstest ISO 9001/ISO 14001 und begann danach auch Stative unter eigenem Namen herzustellen und zu vertreiben. Das Unternehmen entwickelte sich sehr schnell zu einem anerkannten Hersteller von Foto- und Videostativen sowie Stativköpfen.

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Die Kombination M-3204X mit dem Kugelkopf K-30X kostet 570;- Euro, unverbindlicher Richtpreis, und hat sich im Praxistest bestens bewährt.

Bemerkenswert dabei ist, dass die Sirui-Produkte, in Deutschland vertrieben durch die Sirui Europa GmbH in Berlin, immer wieder durch besonders pfiffige Detaillösungen überraschen. Die gilt auch für das Modell M-3204X aus der MXSerie des Herstellers (unverbindlicher Richtpreis 430,- Euro), ein Carbon-Stativ mit vier Beinauszügen und ausziehbarer Mittelsäule, das ohne Kopf 1.800 Gramm und mit dem ebenfalls getesteten Kugelkopf K-30X (unverbindlicher Richtpreis 140,-€) 2.380 Gramm wiegt. Damit bleibt das M-3204X sogar unter den Herstellerangaben, was schon einmal sehr vertrauenserweckend wirkt. Angesichts der maximalen Auszugshöhe (ohne Kopf) von stolzen 1.500 Millimetern, die sich mit komplett ausgezogener Mittelsäule sogar auf knapp 1,8 Meter verlängern, hat das Stativ ohne Frage ein „Mitnahme“-freundliches Gewicht. Und da ein Stativ nur dann ein gutes Stativ ist, wenn man es bei möglichst vielen Fotosessions auch tatsächlich dabei hat, kommt es auf jedes Gramm Gewichtsersparnis an – und natürlich auf möglichst kompakte Abmessungen. Und gerade hier haben die Entwickler einen ausgezeichneten Job gemacht und realisierten ein Packmaß von nur 52 Zentimetern Länge. Damit passt das zusammengefaltete Stativ bestens in die maßgeschneiderte, dick gepolsterte Trage-/Umhängetasche aus hochwertigem Nylon, die zum Lieferumfang gehört. Das Zusammenklappen funktioniert übrigens ganz einfach: Mittelsäule nebst Kugelkopf nach einem Linksdreh des griffigen, gummiarmierten Arretierungsrings, der die Mittelsäule arretiert, ganz nach oben schieben. Dann die am oberen Ende jedes Stativbeins platzierten Arretierungstasten für die Beinspreizung ganz durchdrücken und jedes Bein um 180 Grad nach oben klappen. Et voilà: Die drei Beine nehmen die Mittelsäule in die Mitte und die ebenfalls gummiarmierten Arretierungsringe für die Beinauszüge schmiegen sich eng und schützend an den Kugelkopf. Wer will, kann über den K-30X noch den mitgelieferten, gepolsterten Neoprenschutzbeutel stülpen, um jegliches Verkratzen der hochwertig schwarz eloxierten Oberfläche auszuschließen.

Sirui Europa-Geschäftsführer Enno von Essen hat bei der Entwicklung der Sirui-Stativserie sein Praxis-Know-how mit eingebracht und so mit dazu beigetragen, dass auch die getestete Stativ-Kugelkopf-Kombination eine Fülle interessanter Details besitzt, die den engagierten Fotografen erfreuen dürften. Dazu gehören zunächst einmal die heute bei fast allen Stativen mit Profianspruch üblichen Features wie der herausziehbare Haken für die Fototasche am unteren Ende der Mittelsäule. Das zusätzliche Gewicht in Kombination mit dem tiefen Schwerpunkt stabilisiert das Stativ erheblich. Oder die Spikes für Aufnahmen in der Natur auf lockerem Untergrund: Dreht man die Gummikappen am Ende der Stativbeine ein, kommen diese zum Vorschein.

Nicht alltäglich ist hingegen, dass sich eines der Stativbeine nach Lösen eines gummierten Sicherungsrings abschrauben lässt und so zum Einbeinstativ mutiert. Das entsprechende Gewinde ist übrigens sehr großzügig dimensioniert und sorgt für sicheren Halt. Montiert man nun das größere der beiden Segmente, aus denen die Mittelsäule besteht, auf dieses Stativbein, so wächst die Einheit mit aufgeschraubtem Kugelkopf auf immerhin 185 Zentimeter Gesamthöhe. Jetzt kann auch ein ausgewachsener 2-Meter-Mann dem Fotohobby ohne krummen Rücken frönen. Das Umwechseln des Kugelkopfs vom Dreibein- auf das Einbeinstativ geht dank der griffigen Bodenplatte des Kugelkopfs zügig vonstatten.

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Eines der drei Stativbeine lässt sich abschrauben und als Einbeinstativ einsetzen.

Belässt man lediglich den kleineren Teil der Mittelsäule am Stativ, so sind bei maximaler Spreizung der Stativbeine bodennahe Nah- oder Makroaufnahmen möglich. Die Gesamthöhe des Stativs mit montiertem Kugelkopf 30X beträgt nur 26 Zentimeter. Auffallend ist, wie hochwertig die Verarbeitung auch im Detail ist und wie funktionell und durchdacht selbst einfach erscheinende Kleinigkeiten umgesetzt wurden. Beispielsweise lassen sich die beiden Segmente der Mittelsäule dank einer speziellen Passung solide aufeinander stecken, um dann mit einer langen Aluspindel miteinander verschraubt zu werden. In gewisser Weise erinnert die gesamte Konstruktion des Stativs an einen gut gemachten Metallbaukasten, alles passt sofort und lässt sich leicht zusammenstecken und verschrauben.

Auch der Kugelkopf K-30X lässt sich leicht bedienen. Er besitzt einen großen gummiarmierten Feststellknopf mit eingebauter Friktionseinstellung. Diese stellt man ein, indem man zuerst mit dem Feststellknopf die gewünschte Friktion, also den Widerstand, mit dem sich die 44 Millimeter-Kugel im nicht geklemmten Zustand noch bewegen soll, einstellt. Dabei muss die mit der Daumenkuppe zu drehende Friktionsschraube am Linksanschlag stehen. Nun dreht man diese Friktionsschraube im Uhrzeigersinn bis zum Anschlag und die Friktion ist gespeichert. Der Kugelkopf lässt sich nur noch, wie gewünscht abhängig vom Gewicht der montierten Kamera-Objektiv-Kombination, mit einem gewissen Widerstand bewegen. Ein beherztes Zudrehen des Feststellknopfes arretiert den Kugelkopf dann bombenfest. Beim endgültigen Fixieren bewegt sich die Kamera-Objektiveinheit nur noch ganz wenig. Der K-30X ist, wie in dieser Klasse üblich, drehbar und damit für Panoramaaufnahmen geeignet. Er besitzt ein Schnellwechselsystem nach dem Arca-Swiss-Standard mit Sicherungspin gegen versehentliches Herausfallen der Kameraplatte. Die maßgeschneiderte Bodenplatte BOEM1 von Realy Right Stuff für die Olympus E-M1 passte im Praxistest übrigens perfekt in die entsprechende Aufnahme.

In der Testpraxis bewährte sich das Sirui M-3204X bestens. Die Tester schätzen insbesondere die Kompaktheit des Stativs und nahmen es auch aufgrund des geringen Gesamtgewichts sehr gerne auf die Fototouren mit. Gefallen hat auch der schnelle Aufbau. Hat man sich erst einmal an die Klappprozeduren gewöhnt, dauerte es keine 90 Sekunden bis das Sirui M-3204X ausgepackt, aufgeklappt und die Beine auf das gewünschte Maß ausgezogen waren. Eine kleine Umdrehung der Feststellringe genügte schon zum Lösen und Fixieren der Beinsegmente. Als hilfreich beim genauen Austarieren in unebenem Gelände erwiesen sich die Markierungen in 2,5 Zentimeter-Schritten auf den untersten Auszugselementen. Diese zieht man ja aus Stabilitätsgründen als letzte und auch dann nur so weit wie gerade nötig aus. Im Praxistest waren das meist maximal zehn Zentimeter. Selbst bei heftigen Windböen bot das M-3204X mit dem K-30X beispielsweise einer Canon 5D Mk II mit dem 4.0/300er-Tele unerschütterlichen Halt – waren die Böen besonders stark, half das Einhängen der Kameratasche. Allerdings bietet sich bei noch höheren Kamera-Objektiv-Gewichten der größere Kugelkopf K-40X an, der K-30X hatte jedoch mit allen eingesetzten Systemkameras leichtes Spiel. Das Ausschwingverhalten war vorbildlich kurz.

Fazit: Sirui bietet mit dem M-3204X in Verbindung mit dem K-30X eine feine Stativ-Kugelkopf-Kombination an. Sie ist hervorragend verarbeitet, kompakt und vergleichsweise leicht, bietet viele praxisgerechte Details und hat sich im Praxistest bestens bewährt. Eine ganz klare Empfehlung.