REDUCE TO THE MAX

Mit der GFX 100S hat Fujifilm nicht nur der etablierten Mittelformatkonkurrenz, sondern auch der Kleinbildvollformat-Oberliga den Kampf angesagt. Und hat dabei gute Argumente auf ihrer Seite, wie dieser Test zeigt.

Von Hans Günther Beer
© Fotos Hans Günther Beer

Mit der digitalen Mittelformatkamera GFX 100 hatte Fujifilm vor knapp zwei Jahren den Begriff Preis-Leistung für diese Kameraklasse neu definiert. Noch nie zuvor gab es für 10.000 Euro damals so viel Mittelformatkamera fürs Geld, nämlich einen 102 Megapixelsensor, einen eingebauten Bildstabilisator, den schnellen Autofokus und das wechselbare Suchersystem, um nur die wichtigsten Features neben der traumhaften Bildqualität zu nennen. Für die Konkurrenz von Phase One oder Leica musste man damals und heute zwei- bis dreimal so viel hinblättern, ohne dafür diese Fülle an Ausstattung – beispielsweise den Bildstabilisator – zu bekommen.

Und nun hat es Fujifilm schon wieder getan. GFX 100S heißt das brandneue Schwestermodell der GFX 100, verfügt über die meisten, teilweise sogar verbesserten Features und besitzt den gleichen 102 Megapixelsensor der GFX 100, kostet aber nochmal deutlich weniger, nämlich 5.999 Euro (UVP). Damit markiert Fujifilm für diese Kameraklasse nicht nur abermals einen neuen Preis-Leistungs-Benchmark, wie wir sehen werden, sondern stellt in der obersten Spitzenklasse gar die Welt auf den Kopf. Denn die GFX 100S fordert nicht nur die Mittelformat-Mitwettbewerber heraus, sondern auch die hochauflösende Kleinbildvollformat-Konkurrenz.

Das Moduswahlrad der GFX 100S verbessert den Bedienkomfort gegenüber der größeren und teureren Schwester deutlich.

Das Moduswahlrad der GFX 100S verbessert den Bedienkomfort gegenüber der größeren und teureren Schwester deutlich.

Die Topmodelle der Kleinbildvollformat-Kameras sind zwar in vielen Einzeldisziplinen der GFX 100S zum Teil merkbar überlegen. Wenn es beispielsweise um hohe bis höchste Serienbildgeschwindigkeiten, akkuratestes Fokustracking und dergleichen geht, hat die GFX 100S oft das Nachsehen, denn sie ist keine hochgezüchtete Spezialkamera für Sport- oder Tierfotografen oder für die Action-Fotografie. Ein weiterer Nachteil der GFX 100S ist das vergleichsweise geringe Objektivangebot, derzeit neun Festbrennweiten und drei Zooms, gegenüber den riesigen Objektivangeboten, die für die Modelle von Canon, Nikon und Sony zur Verfügung stehen.

Das Konzept der Fujifilm GFX 100S geht in eine andere Richtung. Sie ist eine universell einsetzbare, handliche, kompakte Systemkamera, die kompromisslos auf bestmögliche Auflösung und Bildqualität getrimmt wurde.

Ergonomie und Ausstattung
Um diese Bedingungen erfüllen zu können, wurde ein kompaktes, robustes Magnesiumgehäuse in den Dimensionen einer Canon EOS 5 entwickelt, das vorzüglich und gut ausbalanciert in der Hand liegt. Damit der Bildstabilisator in diesem gedichteten Gehäuse, das ja deutlich kompakter geriet als das der GFX 100 Platz fand, musste dieser komplett neu konstruiert werden. Er fiel 20 Prozent kleiner und zehn Prozent leichter aus. Gleichzeitig arbeitet er laut Fujifilm auch noch effektiver, seine Kompensationsleistung stieg von 5,5 auf sechs Blendenstufen. Völlig neu konstruiert wurde auch der mechanische Schlitzverschluss, dessen Abmessungen und Gewicht um 22 Prozent beziehungsweise 16 Prozent schrumpften. Die kürzeste Verschlusszeit beträgt 1/4.000 Sekunde, der elektronische Verschluss schafft die 1/16.000 Sekunde. Alle diese Maßnahmen sowie der Verzicht auf das gewichtige und aufwendige wechselbare Suchersystem drückten das Gewicht des Gehäuses auf moderate 900 Gramm, was der Handlichkeit sehr entgegenkommt. Doch beim Suchersystem musste die GFX 100S nicht nur auf die Wechselbarkeit verzichten, sondern auch auf Auflösung. Statt der 5,76 Millionen Bildpunkte und einem Vergrößerungsfaktor von 0,86 wie bei der GFX 100 bietet der OLED-Sucher der GFX 100S wie die GFX 50R eine Auflösung von „nur“ 3,69 Millionen Bildpunkten mit einer Vergrößerung von 0,77 – sicherlich um Kosten, aber auch um Energie zu sparen. Das heißt in der Praxis, der Sucher der GFX 100S offeriert zwar nicht ganz diesen IMAX-Kino-Effekt des großen Schwestermodells, ist aber dennoch groß, brillant und extrem scharf und für Brillenträger sogar noch besser überschaubar. Übernommen von der großen Schwester hat die Neue jedoch den rückseitigen Touchscreen. Das nach oben und unten sowie nach rechts um 90 Grad klappbare – Stichwort Porträtaufnahmen im Hochformat – 3,2 Zoll Touchdisplay hat eine Auflösung von 2,36 Megapixeln und ist sehr scharf, wirklich sehr scharf. Außerdem ist es sehr kontrastreich und auch bei hellem Umgebungslicht gut abzulesen. Die Arbeit damit macht im Fotoalltag drinnen wie draußen enorm viel Spaß, man kann gut beurteilen, ob der Schärfepunkt tatsächlich sitzt. Um das Thema Einsparungen abzuschließen sei erwähnt, dass es für die GFX 100S keinen Batteriegriff mit zusätzlichen Akkufächern gibt, stattdessen einen Handgrip, der das Gehäuse nach unten um einige Millimeter verlängert – der kleine Finger findet damit auch bei großen Händen ganz sicher Platz. Ein Akkuladegerät findet sich nicht im Karton, sondern lediglich ein Stecker-Netzteil, mit dem man den NP-W235 Li-Ion-Akku (identisch mit dem der X-T4) im Kameragehäuse via USB-C-Buchse laden kann. Das kann man zwar auch während des Fotografierbetriebs und unterwegs im Auto, allerdings kommt man wohl um die Anschaffung eines externen Batterieladers, idealerweise den Dual battery charger BC-W235 nebst Zweitakku, nicht herum.

Die rechte Kameraschulter wird vom großen 1,8 Zoll LCD Display dominiert, das drei Anzeigemodi kennt und die Bedienung ungemein erleichtert.

Die rechte Kameraschulter wird vom großen 1,8 Zoll LCD Display dominiert, das drei Anzeigemodi kennt und die Bedienung ungemein erleichtert.

In Sachen Bedienkonzept kann die GFX 100S gegenüber ihrem Schwestermodell ganz klar einen Fortschritt vermelden, und zwar in Form des Moduswahlrades auf der linken Kameraschulter. Dort lassen sich nicht nur die üblichen Betriebsmodi wie manuell sowie Zeit- und Blendenautomatik, sondern zusätzlich sechs individuelle Userkonfigurationen hinterlegen und blitzschnell abrufen – ohne Umwege übers Kameramenü. Das macht die GFX 100S blitzschnell einsatzbereit, wozu übrigens die extrem kurze Startzeit nach dem Einschalten beiträgt. Als in der Praxis sehr komfortabel und hilfreich erweist sich das große 1,8 Zoll LCD-Display auf der rechten Kameraschulter. Es ist bei jedem Licht exzellent ablesbar und lässt sich in drei verschiedenen Anzeigemodi betreiben und macht so das Bedienkonzept schlüssig. Auf Wunsch informiert es im Foto- und Videobetrieb über die aktuellen Betriebsparameter wie üblich mit Ziffern und Symbolen oder es simuliert zwei Einstellräder für beispielsweise ISO-Werte und Verschlusszeiten. Alternativ zeigt das Display großflächig ein Histogramm, was wir während der Fotosessions sehr zu schätzen lernten und sehr häufig nutzten. Im Test reichte übrigens eine Akkuladung für etwa 400 Aufnahmen und hatte dann laut Anzeige immer noch 20 Prozent Restkapazität. Die USB-C-Buchse zum Aufladen des Akkus, was je nach Ladezustand zwei bis drei Stunden dauern kann, findet sich neben HDMI- sowie Mikrofon- und Kopfhöreranschlüssen unter der Abdeckklappe auf der linken Kameraseite. Auf der gegenüberliegenden befinden sich die beiden schnellen SD-Kartenslots (UHS-I/II), die die immens großen Bilddaten – unkomprimierte RAW-Daten in 16 Bit pro Aufnahme von knapp 210 Mbyte – schnellstmöglich wegspeichern müssen, was erstaunlich gut gelingt. Der kamerainterne Pufferspeicher fasst zirka 15 Aufnahmen, allerdings sind sportive Reihenaufnahmen mit fünf Bildern pro Sekunde sowieso nicht die Domäne der GFX 100S, dafür glänzt sie in fast allen anderen Disziplinen umso heller.

Der sehr scharfe und kontrastreiche Touchscreen lässt sich nach oben und unten sowie um 90 Grad nach rechts klappen.

Der sehr scharfe und kontrastreiche Touchscreen lässt sich nach oben und unten sowie um 90 Grad nach rechts klappen.

Autofokus und Bildstabilisator in der Praxis
Die Kamera besitzt wie die große Schwester einen Hybrid-AF mit 425 Phasendetektions-Feldern, die fast über die gesamte Sensorfläche verteilt sind. Dieser Autofokus arbeitete im Test mit allen verwendeten Objektiven GF45mmF2.8 R WR, GF63mmF2.8 R WR und GF120mmF4 R LM OIS WR Macro – mit Ausnahme des Makro-Objektivs im Nachbereich – nicht nur äußerst schnell, sondern auch sehr treffsicher, und das auch bei sehr wenig Licht. Auch im Tracking-Modus agierte der Autofokus erstaunlich akkurat und krallte sich an das fokussierte Bilddetail regelrecht fest; er ist damit schnell genug für die wilde Verfolgungsjagd. Selbst bei sehr dunklen Aufnahmeumgebungen sitzt der Fokus mit allen getesteten Objektiven sehr schnell und auf den Punkt. Besonders gespannt waren wir auf die verbesserte Gesichtserkennung und den Augenautofokus und können hier eine erfreulich hohe Performance vermelden. Zwar haben hier die hochgezüchteten Kleinbildvollformatboliden die Nase immer noch merkbar vorne, vor allem wenn ein Model seine Position sehr schnell verändert, allerdings ist die GFX 100S hier dicht dran, und für die meisten Einsatzzwecke dürfte die Performance allemal reichen.

Einen ähnlichen Leistungsschub hat es beim Bildstabilisator der Mittelformatkamera gegeben. Gerade bei derart hochauflösenden Sensoren sind wirklich scharfe Aufnahmen aus der Hand, und dafür ist die GFX 100S aufgrund der Gesamtkonzeption geradezu prädestiniert, nur mit einem exzellenten Bildstabilisator möglich – und den hat die GFX 100S. Sie ist somit problemlos als Allroundkamera für die Landschafts- und Streetfotografie sowie für die Porträtfotografie auch ohne Blitzanlagen einsetzbar.

Neben ihrer ausgereiften Fotofunktionen kann die GFX 100S nicht minder opulente Videofunktionen als 4K Kamera mit eigener Menüstruktur aufweisen. Aufgrund der Zeit, die uns das Testexemplar zu Verfügung stand, konnten wir darauf nicht eingehen, werden das aber zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.

Die Bildqualität
Die Bildqualität der GFX 100S ist wie schon beim großen Schwestermodell atemberaubend. Die Aufnahmen aus einer GFX 100S zeigen einen bislang unerreicht hohen Detailreichtum, gepaart mit feinstem Mikrokontrast und enormem Kontrastumfang. Selbst eine einfache RAW-Aufnahme in 16 Bit, entwickelt in Capture One 21 Pro von einem blühenden Birnenbaum mit dem Fujinon GF63mm F2.8R WR wird zum Augenschmaus. Die Ausschnittvergrößerung auf 100 Prozent zeigt die gestochene Schärfe jedes Blütenstängels. Neben der absoluten Schärfe imponieren die Aufnahmen mit einem enormen Motivkontrast und einer extrem sauberen und natürlichen Farbwiedergabe. Alle diese Eigenschaften bleiben selbst bei hohen ISO-Werten bis zu 3200 ISO nahezu ohne Einschränkungen auf dem gleichen Niveau. Wer noch höhere Ansprüche an Auflösung, Rauschfreiheit und Dynamik stellt, kann die GFX 100S im Pixel Shift Multi Shot-Modus betreiben. Hierbei fertigt die auf einem Stativ montierte Kamera nacheinander 16 Aufnahmen mit jeweils leichtem Pixelversatz der Bildstabilisatoreinheit an und montiert diese im internen Bildprozessor zu einem Foto mit 400 Megapixeln Auflösung.

Im Foto und im Videomodus lässt sich mit der Q Taste jeweils ein individuelles Q Menü für die Aufnahmemodi kreieren.

Fazit

Die Fujifilm GFX 100S ist eine universell einsetzbare, leicht bedienbare Mittelformatkamera mit extrem hoher Auflösung sowie einer sensationellen Bildqualität. Für Fotografen, die diese Kombination von Eigenschaften zu schätzen wissen, bietet sie einen spektakulären Preis Gegenwert.

Hersteller Fujifilm Electronic Imaging Europe GmbH
Vertrieb www.fujifilm.de
Preis [UVP] Gehäuse 5.999 €

Technische Daten/Ausstattung

Gehäuse Magnesium-Legierung

Spritzwasser- und Staubschutz
Objektivbajonett Fujifilm G-Mount
Sensorauflösung/Bildgröße 102 Megapixel/ 43,8 x 32,9 mm
Sensortyp/Prozessor CMOS 4 (11.648 x 8.763 Pixel, 4:3) mit Filter/ X-Prozessor 4
Bildformate RAW, 14/16 Bit/JPEG
Bildstabilisator   
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher OLED-Sucher 3.690.000 Bildpunkte, 100 %, Vergr. 0,77x
Dioptrienanpassung -4,0 bis +2,0 dpt, Pupillenabstand 23 mm
Bildschirm/Auflösung 3.2-Zoll/2.360.000 Bildpunkte, klappbar
Touchscreen
Livebild/mit Autofokus •/•
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell •/•/•/•
Belichtungsmessung Mehrfeld/Durchschnitt/Integral/Spot •/•/•/•
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen •/•, +-5 LW
Weißabgleich Auto/manuell/Presets/Reihen •/•/•/•
ISO-Empfindlichkeit ISO 50 – 102,400
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/4.000s (1/16.000s mit elektr. Verschluss) / 1/125s
Aufnahmebetriebsarten S, CL, CH, BKT, Mehrfachbelichtung, Fokusbracketing
Maximale Bildsequenz 5 B/s (mechanischer Verschluss)
Maximale Anzahl Bilder bis Speicher voll RAW-: 16
Selbstauslöser 2s/10s
Intervalltimer
Fokussiersystem Hybrid AF
AF-Messfelder max. 425 Punkte
Fokusmodi/Empfindlichkeit AF-S, AF-C, manuell/ -5,5 bis 20 EV
AF-Hilfslicht
Gesichtserkennung •(Gesicht, rechtes Auge, linkes Auge)
eingebauter Blitz
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, Rote Augen, Highspeed
Externer Blitz steuerbar Master-Slave-Modus • (4 Kanäle, 3 Gruppen)
Wasserwaage
Schnittstellen USB C (3.2 Gen. 1), HDMI (Typ D), Fernauslöser, Mikrofon, Kopfhörer
WiFi/Bluetooth/NFC •/• (4.2)/
Speicherkarten                2 x UHS I/ UHS II
Videoformat, Mov /MPEG 4 AVC/H.264, HEVC/H.265, ALL-Intra/Long-GOP
bestmögliche Videoqualität 4K(DCI) 4.096 x 2.160 max.30p (10 Bit 4:2:2 extern)
Timecode
Abmessungen (B x H x-T)150 x 104 x 87 mm
Gewicht 90 g (Inklusive Akku und 2 Speicherkarten)

Besonderheiten

Pixel Shift Multi Shot (400 MP 16 RAW Files) 19 Filmsimulationen inklusive Eterna/Cinema, Eterna Bleach Bypass, Sub LCD Monitor 1,8 Zoll