GEHEIMTIPP FÜR GENUSSFOTOGRAFEN

Die Fujifilm GFX 50R ist nicht nur die kompakteste Mittelformatkamera auf dem Markt, sondern liefert Fotos von herausragender Qualität und mit einer besonderen Anmutung – und das zu einem günstigen Kurs.

VON HANS-GÜNTHER BEER © FOTOS ALENA SCHMIDT, HANS-GÜNTHER BEER

Der Pixelwahn geht tatsächlich unvermindert weiter. Sony hat soeben mit der angekündigten α7R IV den Benchmark bei Kleinbildvollformatkameras auf die 61 Megapixel- Marke angehoben und man darf gespannt sein, wie das Aufrüsten – ob fotografisch noch sinnvoll oder nicht – weitergehen wird. Fujifilm geht grundsätzlich einen anderen Weg, überspringt sozusagen das Kleinbildformat und offeriert im DSLMLager neben den famosen Kameras derX-Serie mit einem  maximal 26 Megapixel großen APS-C-Sensor gleich einen wirklich großen, 44 x 33 Millimeter messenden Sensor. Diesen baut das Unternehmen in seine Mittelformat- Modelle GFX 50S, GFX 50R und GFX 100 ein. Eigentlich müsste es Mini-Mittelformat heißen, denn das tatsächliche Mittelformat aus der Analog-Ära maß 45 x 60 Millimeter, war also fast doppeltso groß. Sei‘s drum, die etablierten „digitalen“ Mittelformat-Sensor-Abmessungen finden sich auch in den Kameras von Leica, Hasselblad und Pentax und 65 weisen die vierfache Fläche eines APSCund die 1,7fache Fläche eines Kleinbildvollformat-Sensors auf.
Für einen ausführlichen Praxistest hat uns das Modell Fujifilm GFX 50R auf einer ausgiebigen Fototour anlässlich des Umweltfestivals Horizonte nach
Zingst begleitet. Die Kamera offeriert eine Auflösung von 51 Megapixeln und ist mit einem Bodypreis von 4.500 Euro die mit Abstand günstigste Mittelformatkamera auf dem Markt, ein Einstiegsmodell quasi. Weitere Besonderheit: Die GFX 50R weist den Formfaktor einer klassischen Sucherkamera auf und geriet dadurch ausgesprochen kompakt und handlich, selbst für die zarten Hände meiner Kollegin Alena.

Doch warum überhaupt Mittelformat mit den eindeutigen Nachteilen, die damit einhergehen, wenn es fast die gleiche Auflösung mit den aktuellen DSLM-Topmodellen von Nikon, Panasonic oder Sony gibt? Klare Antwort: Es ist der besondere Bildlook, den die GFX 50R mit diesem Sensor erzeugt. Fujifilm liefert schon mit den APS-CSensoren der X-Modelle eine besonders natürliche Farbwiedergabe, die unter vielen Kennern und Liebhabern als die derzeit beste gilt. Und die GFX 50R schiebt hier die Messlatte nochmals deutlich nach oben: Alle Aufnahmen, vornehmlich im RAW-Format und entwickelt in Capture One 12, die wir mit der GFX 50R anfertigten, bezauberten uns mit einer ganz besonderen Anmutung.

Die Bildqualität ist herausragend

Auffallend war zum einen die überaus natürliche Farbwiedergabe, die auf Effekthascherei völlig verzichtete und insbesondere bei Wiedergabe von Hauttönen Maßstäbe setzen kann. Hinzu kommt eine extrem hohe, aber realistische und wiederum sehr natürlich wirkende Schärfe mit einer exzellenten Detailwiedergabe und hervorragendem Mikrokontrast. Dieser Mikrokontrast nimmt auch bei sehr hohen Empfindlichkeitswerten jenseits von ISO 3200 so gut wie nicht ab und das Bildrauschen nur ganz dezent zu. Fujifilm hielt sich anscheinend beim Nachschärfen der RAW und JPEGs in der Kamera bewusst zurück. Zugegeben, man kommt beim Betrachten der Fotos wirklich ins Schwärmen, aber die Aufnahmen haben tatsächlich etwas Besonderes, woran die beiden Fujinon-Objektive GF45mm F2.8 R WR und GF120mmF4 R LM OIS WR Macro einen erheblichen Anteil haben. Ob es tatsächlich einen Mittelformat- Look gibt, wird aktuell wieder intensiv diskutiert. Worin die exzellente Bildqualität einer GFX 50R technisch tatsächlich gründet, ist nicht Aufgabe dieses Praxisberichts. Aber unbestritten ist die Tatsache, dass die Pixelgröße des Mittelformatsensors gegenüber dem Kleinbildpendant bei gegebener Auflösung deutlich größer ist und damit auch die Full-Well-Kapazität (maximale Elektronen-Anzahl pro Pixel).

Die Fujifilm GFX 50R ist dank der umfangreichen Dichtungen gegen Staub und Spritzwasser geschützt und verträgt als robuste Outdoor- Kamera auch so manchen Knuff (oben). Das Bedienkonzept orientiert sich Fujifilmtypisch an den analogen Kameras der Vor-Digitalzeit.

Ausstattung und Praxis

Wie schon gesagt, geriet die hochwertig gefertigte und umfangreich gedichtete GFX 50R für einen Mittelformatboliden ausgesprochen kompakt und trotz der soliden Bauweise mit einem Bodygewicht von unter 800 Gramm auch vergleichsweise leicht. Da das Gehäuse genügend Platz für das ergonomische Anordnen der Fujifilm-typischen Bedienungselemente bietet, sind Haptik und Bedienbarkeit sehr gut, deutlich besser als bei so manchem kompakten DSLM-Modell. Dank der griffigen Belederung und der guten Ausformung der rechten Gehäuseseite schmiegt sich die GFX 50R auffallend gut sowohl in große als auch kleine Hände – Kollegin Alena jedenfalls wollte sie gar nicht mehr hergeben.

Der enorme Kontrastumfang kommt später im Druck auch nicht annähernd rüber.

Bei aller Freude über die exzellente Bildqualität gibt es allerdings einige handfeste Nachteile bei der GFX 50R. Da ist zunächst die riesige Datenflut: Jedes RAW-Foto ist fast 120 Mbyte groß und der interne Zwischenspeicher nach knapp sechs verlustfrei komprimierten Aufnahmen voll. Die Serienbildgeschwindigkeit ist mit drei B/s für eine Mittelformatkamera zwar ordentlich, aber Sportfotografie ist nicht das Ding der GFX 50R. Das liegt auch am – zwar bis auf sehr seltenes Fokuspumpen bei sehr wenig Licht – erfreulich präzisen und auch schnellen Autofokus, der allerdings in Sachen Geschwindigkeit beispielsweise mit einer Fujifilm X-T3 nicht annähernd mithalten kann. Das liegt schon allein daran, dass in den Fujinon XF-Objektiven vergleichsweise große Linsen bewegt werden müssen. Die GFX 50R verfolgt halt ein anderes Konzept und ist eher für den Studio- oder Genussfotografen gedacht, der Landschafts-, Porträt- oder Streetfotografie mag. Berücksichtigen sollte man dabei auch, dass zwar der Body vergleichsweise kompakt und leicht geraten ist, die Objektiven jedoch allein schon wegen des großen Bildkreises merkbar größer bauen als die einer Kleinbild-Vollformat-DSLM. Eine gut gefüllte Fototasche wird zwangsläufig größer – und schwerer. In Sachen sonstiger Ausstattung ist die GFX jedoch auf der Höhe der Zeit. So besitzt sie einen exzellenten, hochauflösenden und vor allem sehr großen Sucher – für sich betrachtet schon ein Highlight, das zur Bildkomposition geradezu einlädt. Auch das klappbare LCD-Touch-Display ist hell und scharf. WiFi mit der Möglichkeit, die Kamera via App fernzusteuern, ist ebenso an Bord wie zwei UHS II-Kartenslots und die beliebten Fujifilm-Filmsimulationen. Einen Zentralverschluss, wie bei vielen analogen Mittelformatkameras, besitzt sie nicht, stattdessen einen Schlitzverschluss mit einer Synchronzeit von 1/125 s. Mit den Videofeatures der GFX 50R ist nicht viel Staat zu machen: Full HD mit 30 fps ist alles, was sie zu bieten hat. Aber wer sich eine GFX 50R zulegt, will einen Fotoapparat, der eines ganz besonders gut kann, und das sind exzellente Fotos.

Fazit

Die GFX 50R ist in jeder Beziehung eine besondere Kamera, die nicht nur mit einer herausragenden Bildqualität aufwarten kann, sondern auch zu einer eher besonnenen Art und Weise des Fotografierens erzieht. Hat man einmal Feuer gefangen, ist der Haben-will-Faktor extrem hoch.

Fujifilm GFX 50R
Hersteller Fujifilm Europe GmbH
Vertrieb www.fujifilm.eu/de
Preis [UVP] Gehäuse  4.499 €
Gehäuse Magnesiumlegierung
Spritzwasser- und Staubschutz Spritzwasserschutz, frostsicher bis -10° C
Sensorauflösung/Bildgröße 51,4 Megapixel/8256 × 6192 Pixel
Sensortyp/Prozessor CMOS-Mittelformatsensor/Fujifilm G Format, mit Primärfarbfilter ohne
optischen Tiefpassfilter
Bildformate 14-bit RAW/JPEG, interne RAW-Konvertierung in Tiff
Bildstabilisator •
Sensorreinigung Ultraschall
Sucher elektronischer Sucher, Auflösung 3.69 Megapixel, Vergrößerung etwa 0.77x
Bildschirm/Auflösung 8,13 cm (3,2 Zoll), 2,36 Millionen Bildpunkte, 100 % Bildfeldabdeckung, Touch-Funktion
Touchscreen •
Belichtungsmessung Matrix/Mehrfeld-Messung 256 Felder
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen +/– 5 EV
Weißabgleich Auto/manuell/Presets/Reihen automatik, Wolken, Sonne, Weißabgleichs-Belichtungsreihe, Schatten, Unterwasser, Leuchtstofflampe mit 3 Voreinstellungen, Glühlampenlicht, Kelvin Eingabe, Manuell
ISO-Empfindlichkeit ISO 50-102.400
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 60 min. – 1/4000 s, 4 s – 1/4000 s (P-Mode), 4 s – 1/16.000 s (elektronischer Verschluss)/ 125 s
Aufnahmebetriebsarten Einzelbild / Serienaufnahme / Belichtungsreihe AE BKT / ISO BKT / Filmsimulation BKT /  Weißabgleich BKT / Dynamikumfang BKT / Fokus BKT / Mehrfachbelichtung / Video
Maximale Bildsequenz Serienbildfunktion max. 3,0 Bilder/s bei höchster Auflösung und max. 8gespeicherten Fotos
Selbstauslöser 2 s/10 s
Intervalltimer Startzeit einstellbar
Fokussiersystem Autofokus
AF-Messfelder 425 Messfelder
Fokusmodi/Empfindlichkeit Einzel-Autofokus, kontinuierlicher Autofokus, Flächen-Autofokus, Verfolgungs-Autofokus, Manuell, AFL-Funktion, AF-Hilfslicht, Fokus-Peaking, Fokuslupe
Gesichtserkennung
eingebauter Blitz
Blitzmodi Automatik, Aufhellblitz, Blitz ein, Blitz aus, Highspeed Synchronisation, Langzeitsynchronisation, Blitzen auf den zweiten Verschlussvorhang
Wasserwaage
Schnittstellen USB 3.1 Gen1, HDMI (Type D), Fernsteuerung, Mikrofon, DC
WiFi/Bluetooth/NFC •/•/ –
Speicherkarten 2 x SD (SDHC, SDXC, UHS I, UHS II)
Videoformat MOV/H.264
bestmögliche Videoqualität (1.920 x 1.080, 16:9) 30 B/s
Abmessungen (BxHxT) 161 x 97 x 66 mm
Gewicht 775 g (betriebsbereit)

Besonderheiten
Farbtiefe: 42 Bit (14 Bit pro Farbkanal, Filmsimulation, Gestenerkennung auf dem Touchscreen

Weitere Informationen unter: fujifilm.eu

Diesen Test finden Sie in der Ausgabe 9/2019