SCHÖNGEIST

Fujifilm hat mit der X100F einen Klassiker neu aufgelegt. Herausgekommen ist dabei nicht nur eine ausgesprochen hübsche, sondern auch in jeder Hinsicht sehr leistungsfähige Kompaktkamera, die hervorragende Bildergebnisse liefert.

VON HANS-GÜNTHER BEER © ALLE FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Fraglos greift die X100F, wie schon ihre Vorgänger, die Designsprache der analogen Sucherkameras der 1960er Jahre auf, insbesondere die Leica M stand eindeutig Pate. Die aus jedem Blickwinkel gefällige, sehr edel wirkende und wohlproportionierte Kompaktkamera liegt recht gewichtig in der Hand und dürfte nicht nur den älteren Semestern unter den Fotografen sofort vertraut wirken. Lassen sich doch, so wie bei den Vorbildern auch, alle wichtigen Einstellungen wie Blende, Verschlusszeit, neuerdings auch ISO, sowie Belichtungskorrektur manuell vornehmen. Die Kamera ist außerdem nach dem Einschalten unmittelbar einsatzbereit und bringt schon allein dadurch eine wichtige Vorraussetzung als Reportage-, Schnappschuss- und Streetfoto- Kamera mit. Auch die technische Ausstattung trägt diesem Anspruch Rechnung. Bei der Weiterentwicklung der X100-Reihe ließen die Ingenieure demnach kaum ein Detail unverändert, so dass die X100F als komplette Neuentwicklung durchgeht. Wichtigste Neuerung ist der 24.3 Megapixel X-Trans CMOS III-Sensor. Dieser APS-C-Sensor verzichtet zugunsten einer möglichst hohen Pixelschärfe auf einen Tiefpassfilter und liefert seine Bilddaten an den potenten X-Pro Prozessor, der kürzlich bei den Modellen X-Pro 2 und X-T2 Premiere feierte. Diese Sensor-Prozessor- Kombination sorgt nicht nur für eine gegenüber dem Vorgänger 50 Prozent höhere Auflösung, sondern steigert die Performance der Kamera insgesamt, am deutlichsten beim Autofokus spürbar. Doch von der Weiterentwicklung profitierte auch das Highlight der X100F, der einzigartige Hybridsucher. Diese Kombination aus optischem Durchsichtsucher á la Leica M und hochauflösendem elektronischen Sucher (2.360.000 Bildpunkte) ist nicht nur ein technisches Meisterwerk, sondern verändert in gewisser Weise auch das Fotografieren selbst. Trotz eines Pupillenabstands von „nur“ 15 Millimeter ist dieser Sucher auch für Brillenträger gut einseh61 bar. Im Modus „Optischer Sucher“ ist ein potentielles Motiv, wie bei einer Spiegelreflex auch, im ausgeschalteten Zustand anvisierbar, gut für die schnelle Schnappschussfotografie. Schaltet man die Kamera ein, werden über ein LCDOverlay ein Leuchtrahmen, der die Bildgröße markiert, sowie die wichtigsten Aufnahmeparameter eingeblendet. Der Clou: Analog zur Entfernungseinstellung, gleichgültig ob manuell oder per Autofokus, ändert der Leuchtrahmen wie bei einer klassischen analogen Sucherkamera, um die Parallaxe auszugleichen, seine Position. Drückt man nun den kleinen, für die Sucherumschaltung verantwortliche Hebel auf der Front nach links, blendet sich im Modus „Manuelle Fokussierung“ im Sucher unten rechts ein LCD-Feld ein, das den Bildausschnitt vergrößert darstellt.

Die wichtigsten Einstellungen lassen sich manuell, ohne Wechsel ins Menü, vornehmen. Neu ist die Integration der ISO-Einstellungen ins Verschlusszeitenrad.

Dieser Bildausschnitt entspricht dem, der vom eingeblendeten Fokusrahmen markiert wird – eine perfekte Hilfe bei der manuellen Entfernungseinstellung. Ein
entscheidender Vorteil des Leuchtrahmensuchers ist die Tatsache, dass man im Sucher auch erkennen kann, was sich außerhalb des Leuchtrahmens und damit
des Bildbereiches tut – sehr wertvoll bei der Schnappschuss-Fotografie. Drückt man den Sucherhebel auf der Front nach rechts, wechselt die Kamera vom optischen Sucher auf den elektronischen Sucher, wie man das von jeder Systemkamera kennt. Die zweite gravierende Neuerung der X100F ist die Autofokuseinheit. Hier spendierten die Entwickler der neuen Kompakten einen intelligenten Hybrid-Autofokus, bestehend aus einem Phasen-Autofokus, der wahlweise ohne oder zusammen mit einem TTL-Kontrast-Autofokus betrieben werden kann. Es stehen wahlweise 91 oder 325 Fokuspunkte zur Verfügung, die
über fast die gesamte Bildfläche verteilt sind. Angeboten werden drei Fokusmodi: „Einzelpunkt“ – hier kann ein einzelner Fokuspunkt per Joystick über die
Bildfläche verschoben werden. Fünf verschiedene Größen des Fokusfeldes lassen sich mithilfe des vorderen oder hinteren Einstellrades wählen. Im Modus
„Zone“ lassen sich drei Zonengrößen, bestehend aus 3×3, 5×5 oder 7×7 Fokusfeldern, einstellen. Im Modus „Weit/Verfolgung“ wählt die Kamera in der Betriebsart „Single-Autofokus“ die Fokuspunkte selbsttätig aus und bevorzugt das nächstliegende Bilddetail, auf das sie scharfstellt. Hier kann der Fotograf
auf die Wahl des Fokusbereichs gar nicht eingreifen, in der Betriebsart „C“ (continuous autofocus) hingegen schon. Hier lässt sich das Zentrum der Fokussierung,um das die Kamera sich seine Fokuspunkte sucht, per Joystick selbst bestimmen. Dieses Navigieren der Fokuspunkte ist mit dem von den Profi-
Modellen übernommenen Joystick eine wahre Freude. Ein längerer Druck auf den Stick zentriert übrigens den Fokuspunkt immer in der Mitte. Apropos Bedienung: Das vergleichsweise große Kameragehäuse ließ eine großzügige Verteilung der Bedienungselemente zu, so dass alle Tasten und Einstrellräder sehr gut zu erreichen sind. Für die individuelle Konfiguration stehen insgesamt sieben, frei mit Funktionen belegbare Funktionstasten zur Verfügung, darunter auch die Druckfunktion des hinteren Einstellrades.

Die Bedienungselemente auf der Rückseite haben einen großen Abstand zueinander, die Bedienung wird dadurch sehr treffsicher.

Besonderheit: Drückt man eine der programmierten Funktionstasten etwas länger, führt das unmittelbar in den Menüpunkt, wo man die Funktionen zuordnen kann. In der Praxis sehr hilfreich, wenn man kurzfristig mal eine andere Funktion auf einer Taste braucht. Zu diesen Funktionen zählt beispielsweise auch der zuschaltbare 0,9-ND-Filter (Verlängerungsfaktor 3), der bei sehr viel Licht die Nutzung der maximalen Blendenöffnung (f/2.0) des fest eingebauten 23 Millimeter-Objektivs – entspricht einem 35mm-Weitwinkel bei einer Kleinbildkamera – der X100F ermöglicht. Die Ausstattung der Kamera ist ansonsten, wie heute üblich, überkomplett. Dazu gehören unter anderem der obligatorische Videomodus für Full-HD-Videos mit maximal 50 beziehungsweise 60 fps, Wifi und das direkte Verschicken von Bilddateien an einen Instax-Drucker. Der eingebaute Blitz hat die Leitzahl 4,6 und kann als Master-Blitz auch externe Blitzgeräte steuern. In der Praxis machte das Fotografieren mit der X100F als Immer-dabei-Kamera sehr viel Spaß. Das Handling ging schnell in Fleisch und Blut über und die Begeisterung über das Sucherkonzept war immer wieder groß.

Die Bildqualität der X100F

Schärfe und Kontrastumfang des 24-Megapixel APS-C liegen auf hohem Niveau. Bei Aufnahmen im RAW-Modus waren dank des geringen Farbrauschens ohne jegliche Abstriche Aufnahmen mit 800 ISO möglich, bei 1600 ISO nahm das Farbrauschen nur unmerklich zu und war nur in homogenen Farbflächen ansatzweise sichtbar. Erst 63 ab 3200 ISO trat das Farbrauschen deutlich sichtbar auf, hatte aber dabei eine angenehme Struktur. Im JPEGModus hingegen sorgen exzellent gemachte Algorithmen für sichtbar geringeres Rauschen, ohne dass, und das ist bemerkenswert, die Detailauflösung und Schärfe leidet. Eher im Gegenteil: Feinste Strukturen waren im JPEG-Modus bei ISO 3200 sogar besser erkennbar als im RAW-Modus. Dort wurden sie von Rauschen überdeckt. Die Farbwiedergabe der X100F ist wie bei allem Fujifilm-Kameras ein besonderes Highlight, leuchtend, ohne übertrieben zu wirken, und gleichzeitig natürlich und differenziert bei feinen Farbabstufungen. Einen entscheidenden
Anteil an der sehr guten Bildqualität der X100F hat das fest eingebaute 23 Millimeter-Objektiv.

Dominantes Bedienelement auf der Front der X100F ist der Suchereinstellhebel, damit schaltet man zwischen optischem und elektronischem Sucher um. Die Taste in der Mitte des Hebels ist als Funktionstaste konfigurierbar.

Chromatische Aberration und Verzeichnung

Farbfehler oder geometrische Verzerrungen sind bei der X100F überhaupt kein Thema, volle 10 Punkte.

Bildschärfe, Vignettierung, Bokeh

Bei offener Blende f/2.0 zeigt die X100F in der Bildmitte eine sehr gute und an den Bildrändern eine gute Schärfe. Abblenden um eine Blendenstufe auf f/2.8 steigert die Schärfe deutlich, vor allem an den Rändern. Ab Blende f/4 zeigt die Kamera eine in der Mitte überragende  und an den Rändern hervorragende Schärfe. Vignettierungen, also Randabdunklungen, treten lediglich bei Offenblende ganz dezent auf. Ab Blende f/2.8 sind sie kein Thema. Das Bokeh ist für ein solches Weitwinkelobjektiv schön und recht weich.

Fazit

Fujifilm bietet mit der X100F eine Kamera mit einem hohen Haben-will-Effekt. Sie liefert eine insgesamt hervorragende Bildqualität, lässt sich einfach und narrensicher bedienen und hat ein – neben der Fujifilm X-Pro2 – einzigartiges Sucherkonzept, das in der Reportage- und Streetfotografie immer wieder überzeugt. Darüber hinaus ist sie nach unserer Meinung eine ausgesprochen hübsche Kamera, die aufgrund der Gesamtperformance ein sehr gutes Preis- Leistungs-Verhältnis bietet. Den Spaß beim Fotografieren gibt es obendrauf.

Fujifilm X100F
Hersteller FUJIFILM Electronic Imaging Europe GmbH
Vertrieb www.fujifilm.de
Preis [UVP] 1.399 €

Technische Daten/Ausstattung
Gehäuse Magnesium Legierung
Objektivbrennweite/Lichtstärke 23 mm (Kleinbildäquivalent 35 mm)/f/2.0
Optischer Aufbau Linsen/Gruppen 8/6
Naheinstellgrenze 10 cm
Sensortyp/Prozessor Auflösung APS-C, CMOS III/X-Processor Pro/ 24,3 MP/6000 x 4000 Pixel
Bildformate JPEG, RAW (14 Bit)
Sucher Multi-Hybrid-Optischer-Sucher, 92% Bildfeld +elektronisch, 2.360.000 Punkte
Dioptrienanpassung -2,0 bis +1,0 dpt, Pupillenabstand 15 mm
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell •/•/•/•
Belichtungsmessung Mehrfeld, Integral, Spot •/•/• (plus Mittenbetont)
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen •/•, +-5 LW EV) /•
Weißabgleich Auto/manuell/Presets/Reihen •/•/•/•
ISO-Empfindlichkeit ISO 200 – 12800 (plus 100, 25.600)
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/4000s / 1/250s, elektr. Verschluss bis 1/32.000
Aufnahmebetriebsarten S, SH, H, M, L
Selbstauslöser P (2s/10s)
Intervalltimer
Fokussiersystem Hybrid-Autofokus (Phasen-und Kontrast)
AF-Messfelder 325 (Kontrast-AF), AF-C 91 Fokuspunkte
Fokusmodi/Empfindlichkeit Manuell, single, kontinuierlicher AF
AF-Hilfslicht
Gesichtserkennung
Maximale Bildsequenz 8 Bilder/s
Max Anzahl Bilder bis Speicher voll 53 JPEG-Aufnahmen
Eingebauter Blitz • (Leitzahl 4,6 bei 100 ISO)
Blitzmodi Verschlussvorhang, Slow-Synchro, HSS, Master/Slave (mit ext. Blitzgerät)
Touchscreen –
Livebild/mit Autofokus •/•
Wasserwaage
Bildschirm/Auflösung/klappbar/schwenkbar 3-Zoll/1.040.000 Pixel/-/-
Schnittstellen USB  2.0, HDMI, externes Mikrofon
WiFi/Bluetooth/NFC •/•/ –
Speicherkarten SD-Karte (SDHC-, SDXC-, UHS-I-kompatibel)
WiFi/NFC •/-
Videoformat MPEG-4 AVC / H.264
bestmögliche Videoqualität Full HD 1920 x 1080 59,94p
Tonaufnahme Linear PCM Stereo
Abmessungen (BxHxT) 127 x 75 x 52.5 mm
Gewicht 470 g (Inklusive Akku und Speicherkarte)
geom. Verzeichnungen 10
chrom. Aberration 10

Schärfe Mitte /Ecken
f/ 2 7,5/7,0
f/ 2.8 8,5/7,5
f/ 4 9/8
f/ 5.6 9/8
f/ 8 8,7/8

Besonderheiten
Linsenvorsätze Weitwinkel (28mm) und Tele (50mm), 9 Analogfilm-Simulation, 13 Filter-Funktionen, Panorama,
ND-Filter

Weitere Informationen unter: fujifilm.eu

Diesen Test finden Sie in der Ausgabe 4/2017