Das Kreativ-Kit

Mit dem Filtersystem Seven5 bietet der britische Hersteller LEE Filters für alle Besitzer einer Systemkamera ein kompaktes Werkzeug, mit dem sie ihre Kreativität weiter ausbauen und vielleicht noch bessere Fotos schießen können.

VON HANS-GÜNTHER BEER
© ALLE FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Dank ausgefuchster RAW-Konverter und leistungsfähiger Bildbearbeitungsprogramme lassen sich so manche Belichtungsfehler oder auch zu starke Kontraste in einem Foto im Nachhinein korrigieren. Außerdem sind heutzutage die meisten der zu Analogzeiten obligatorischen Objektivfilter, wie etwa UV-Filter, völlig überflüssig – obwohl viele Fotografen dieses Filter immer noch gerne als Schutzfilter vor ihre Objektive schrauben. Wie sinnvoll oder gar schädlich das sein kann, ist aber eine andere Story. Selbst Gelb-, Grün- oder Rot- Filter sind heutzutage für anspruchsvolle Schwarzweißfotos obsolet, Softwareprodukte wie DXO-Filmpack machen es möglich. Dennoch gibt es immer noch eine ganze Reihe von optischen Filtern, die bei einer Aufnahme unverzichtbar sind, da sie auch später am Computer nicht simuliert werden können. Dazu gehört insbesondere das Polarisationsfilter, aber auch Verlaufsfilter oder die viel Licht schluckenden ND-Filter, welche so die Belichtungszeit deutlich verlängern. Derzeit sind solche Filter wieder schwer im Kommen und werden von diversen Herstellern als komplette Sets angeboten. Zu den renommiertesten Herstellen von professionellen Filtern für Beleuchtung bei Film und Fernsehen sowie Aufnahmefiltern, die vor ein Kameraobjektiv montiert werden – Hollywood lässt grüßen – gehört die britische Firma LEE Filters. Diese stellte kürzlich zusätzlich zu den schon seit Jahren existierenden Filtersystemen mit 100 mm und 75 mm breiten Rechteckfiltern nun ein Filterset mit der Bezeichnung „Seven5“ vor. Dahinter steckt ein kompaktes Filtersystem, bestehend aus einem Filterhalter, diversen Adapterringen, Rechteckfiltern und einem Polarisationsfilter sowie Sonnenblenden und weiterem Zubehör, das speziell für Systemkameras konzipiert wurde. Rechteckfilter kennen viele Fotografen schon sehr lange, die französische Firma Cokin hatte sie einst salonfähig gemacht. Im Test hatte Pictures Magazin das LEE Filters Seven5 Deluxe-Kit – Seven5 steht übrigens für eine Filterbreite von ebenfalls 75 mm. Das Kit ist allerdings kein Schnäppchen und kostet laut offizieller Preisliste des Deutsche Importeurs Calumet Photo in Hamburg stolze 629 Euro. Dafür wird Folgendes geboten: ein Filterhalter für zwei Rechteckfilter inklusive Bajonettanschluss für das Polarisationsfilter, ein Polarisationsfilter, drei ND-Verlaufsfilter und das berühmte Big Stopper, ein 3.0 ND-Filter mit einem Verlängerungsfaktor von 1000 beziehungsweise 10 Belichtungsstufen. Verpackt sind alle Filter in gut gepolsterten Aufbewahrungstaschen (Pol-Filter und Big Stopper) oder flauschigen Taschen aus Mikrofaser, die gleichzeitig auch zum vorsichtigen Reinigen der Filter dienen sollen.

Die Verarbeitung ist sehr hochwertig

Ob eine solche Summe gerechtfertigt ist und was man mit den Filtern so alles anstellen kann, soll dieser Praxistest klären.

Eins ist auf jeden Fall schon mal festzustellen: Als altehrwürdiges britisches Unternehmen pflegt LEE Filters auch britisches Understatement. Auf der schön gestalteten Webseite hält man sich mit Superlativen bezüglich der Qualität merkbar zurück, nach dem Motto, der gute Name spricht für sich. Umso erfreulicher ist schon der erste Eindruck beim Auspacken des Filtersets. Die Grundplatte des Filterhalterhalters besteht aus eloxiertem Aluminium, andere Hersteller stellen so etwas groß heraus, LEE Filters nicht. Die Aufnahmen für die Rechteckfilter sind aus hochwertigem Kunststoff gefertigt. Außerdem ist die Verarbeitung sehr gut. Allein der Schnappverschluss, mit dem der sehr zierliche Halter auf den aufs Objektiv geschraubten Adapterring aufgeklippt wird, ist gut konstruiert und funktioniert tadellos. Bei anderen Systemen muss man hier nach dem Aufsetzen einen Arretierungsstift umständlich einschrauben. Geht zwar auch, dauert aber und erzeugt mit der Zeit unschöne Kratzer auf den Adapterringen. Adapterringe gibt es in großer Auswahl, siehe Tabelle, auch Spezialversionen für die Fujifilm X100/s sind im Angebot. Der Halter ist so groß wie nötig und so klein wie möglich konstruiert, damit er, verpackt in einem kleinen Säckchen, in der Kameratasche nicht so viel Platz wegnimmt. Besonderer Clou ist die Aufnahmemöglichkeit für das Polarisationsfilter ganz vorne vor den Rechteckfiltern. Dieses ist mit seinem Bajonettverschluss ruckzuck aufgesetzt und mit einem Rechtsdreh arretiert. Auch bei genauerer Betrachtung des Polfilters wird langsam klar, warum das Set so teuer ist. Die Verarbeitung ist top, das Sandwich-Filterglas von bester Qualität und das Drehen des eigentlichen Filters in der Fassung geht sämig, mit etwas Widerstand aber leicht genug, um damit zügig arbeiten zu können. Auch das Einschieben der ND-Filter in die Führungsnuten des Filterhalters erfordert vergleichsweise wenig Kraftaufwand. So lassen sich die Verlaufsfilter auch leicht nach oben oder unten schieben und halten dennoch völlig sicher und können auf keinen Fall herausrutschen. Apropos Verlaufsfilter, zum Set gehören drei verschiedene Versionen, alle aus hochwertigem, glasklaren, völlig planen Kunststoff gefertigt, der dann in einem aufwändigen Prozess eingefärbt wird. Bei YouTube findet sich übrigens ein interessantes Video, in dem der Herstellungsprozess erklärt wird. Alle drei Verlaufsfilter sind Graufilter, erzeugen also keinerlei Farbeffekte bei der Aufnahme. Farbfilter jeglicher Couleur gibt es aber im umfangreichen LEE-Programm für jeden Bedarf und Geschmack. Das 0.6 ND soft Verlaufsfilter sorgt im eingegrauten Teil für eine Belichtungsverlängerung mit dem Faktor 4, also zwei Belichtungsstufen, und besitzt einen weichen Übergang von eingegraut nach transparent. Das 0.6 ND hard unterscheidet sich davon durch einen relativ abrupten Übergang. Das 0.9 ND hard schluckt im eingegrauten Bereich Licht mit dem Faktor 8, belichtet dort also drei Belichtungsstufen niedriger.

Mithilfe des BIG STOPPERS lässt sich ganz einfach zur Rush Hour eine leere Autobahn fotografieren. Die linke Aufnahme entstand mit 1/125 Sekunde, Blende 8, bei ISO 200. Für die rechte Aufnahme mit Big Stopper wurde die Belichtungszeit um 10 Belichtungsstufen auf 8 Sekunden eingestellt. Beide Fotos entstanden im Modus M.

 

Die linke Aufnahme entstand ohne, die rechte mit Polfilter. Die Spiegelungen auf dem Wasser sind deutlich reduziert und die Pfützen auf den Pontons auch tatsächlich als solche erkennbar.

 

Mit den Verlaufsfiltern lassen sich Belichtungsunterschiede bei Landschaftsaufnahmen angleichen. Bei dem rechten Bild kam das 0.6 ND soft in den Filterhalter. Für den unruhigen Horizontverlauf wäre ein hard-Filter nicht so geeignet gewesen.

 

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz eines Polfilters und dafür, dass man oft auch Kompromisse eingehen muss – beide Fotos mit unterschiedlich verdrehtem Polfilter. Beim linken Foto stand das Polfilter in einer Position, in der die Frontscheibe kaum spiegelte, beim rechten Foto verschwinden dafür die Spiegelungen auf den Seitenfenstern völlig.

 

 

Wofür eignen sich nun diese Verlaufsfilter?

Alle drei Filter sind ideale Werkzeuge beispielsweise für Landschaftsaufnahmen, die einen großen Bildanteil mit bewölktem Himmel haben sollen. Ohne Filter ist entweder der untere Bildbereich, also die Landschaft, korrekt belichtet, der Himmel aber ohne jegliche Zeichnung und meist eher überbelichtet. Oder, der Himmel ist korrekt belichtet, dafür die Landschaft hoffnungslos unterbelichtet. Mit einem Bildbearbeitungsprogramm tut man sich hier schon sehr schwer und es erfordert viel Geschick und Zeit, um eine solche Aufnahme zu retten. Mit einem Verlaufsfilter geht man nun folgendermaßen vor: Man macht zunächst im manuellen Belichtungsmodus M eine Belichtungsmessung auf den unteren Bildbereich. Dann schiebt man das Verlaufsfilter so weit in die Halterung, bis der Übergang zwischen eingegraut und transparent in etwa den Horizont erreicht. Bei einem nicht so eindeutigen Horizont, etwa bei einer Hügellandschaft, nimmt man ein ND soft-Filter. Bei einem eindeutig definierten Horizont, etwa am Meer, kommt das ND hard-Filter zum Einsatz. In allen Fällen dunkelt der Himmelbereich je nach Stärke des Filters mehr oder weniger stark ab. Damit gleicht man die starken Belichtungsunterschiede zwischen Himmel und Landschaft aneinander an. Die Aufnahme ist dann insgesamt ausgeglichener belichtet. Nun kann man mit gezielter Belichtungskorrektur noch mehr oder weniger viel Zeichnung in die Wolken hineinbringen. Am Anfang empfiehlt es sich, die Kamera auf ein Stativ zu montieren und zu üben. Mit etwas Übung kann man dann die Belichtungsmessung – probieren Sie es mal mit der Integralmessung – mit schon eingeschobenem Filter durchführen und kann auch die Automatik- Modi, vorzugsweise A, benutzen. Nach einer Weile hat man dann den Dreh raus. Ich jedenfalls sammle noch Erfahrungen und entdecke gerade eine ganz neue Art, ein Bild zu komponieren. Das Fotografieren mit Verlaufsfiltern sorgt dafür, dass man entschleunigt fotografiert, man braucht Muße und Zeit und entdeckt neues Kreativpotenzial. Die Effekte von Polarisationsfiltern lassen sich, wie schon gesagt, per Bildbearbeitung nicht simulieren. Vereinfacht ausgedrückt reduzieren Polfilter reflektiertes Licht von nichtmetallischen Oberflächen wie Wasser, Luftschichten, Lacken etc. Eine wissenschaftlich genaue Beschreibung der physikalischen Hintergründe und der Wirkungsweise finden Sie im Internet beispielsweise unter http://foto.wikia.com/wiki/ Polarisationsfilter. Ein kundiger Fotograf wird mit einem Polarisationsfilter die Bildwirkung so mancher Aufnahme deutlich verbessern können. Beispielsweise lässt sich das tiefe Himmelblau einer Aufnahme bei strahlend schönem Wetter deutlich intensivieren. Grund: Die Reflektionen an den winzigen Wassertropfen in der Atmosphäre werden reduziert. Im elektronischen Sucher oder auf dem rückwärtigen Display der Kamera bei Live-View kann man die Wirkung sehr schön beobachten und durch Drehen des Filters die bestmögliche Stellung finden. Auch das Blattgrün von Pflanzen wirkt oft mit einem Polfilter knackiger und intensiver. Grund: Viele Blätter besitzen auf der Oberfläche einen hauchdünnen Flaum, die dort festgehaltene Luftschicht reflektiert das Licht und auch diese Reflektion lässt sich per Polfilter mindern. Auch hier ist Experimentieren angesagt, denn die Filterwirkung ist dann am besten, wenn das Sonnenlicht in einem Winkel von etwa 90 Grad reflektiert wird. Das heißt, Standpunkt ändern und die Kamera schwenken, so lange bis der gewünschte Effekt eintritt. Die Fertigungsqualität des LEE-Polfilters und die gute Haptik erleichtern das Herumprobieren, denn das Filter sitzt an exponierter Stelle und lässt sich gut greifen.

Kleiner Wehrmutstropfen: Bei extremen Weitwinkelaufnahmen, in unserem Fall bei einer Brennweite von 12 mm, sind an den Bildecken deutliche Vignettierungen zu erkennen, die aber schon bei 14 mm Brennweite verschwinden. Ein ganz besonderer Leckerbissen ist der Big Stopper im Seven5 Deluxe-Kit. Dieses fast komplett schwarz erscheinende Filter reduziert die durchtretende Lichtmenge um den Faktor 1000 beziehungsweise um 10 Belichtungsstufen. Mit diesem Filter vor dem Objektiv verlängert sich also die Belichtungszeit bei gegebener Blende und ISO-Einstellung: Aus 1/500 Sekunde Belichtungszeit werden 2 Sekunden, aus einer 1/125 Sekunde 8 Sekunden und aus ¼ Sekunde 4 Minuten 15 Sekunden. Beliebter Einsatzzweck bei Landschaftsfotografen ist, die Belichtungszeit so zu verlängern, dass fließendes Wasser nicht mehr eingefroren, sondern als unscharfer Wasserstrom eingefangen wird, wobei der Rest des Bildes knackscharf bleibt – zumindest fast, wenn der Wind zu heftig wehen sollte. Es versteht sich von selbst, dass Fotos mit 3.0 ND-Filter grundsätzlich nur mit dem Stativ gemacht werden können. Das 3.0 ND-Filter eignet sich aber auch dazu, belebte Plätze menschenleer zu fotografieren oder vielbefahrene Autobahnen in den Zustand eines autofreien Sonntags zu versetzen. Die Aufnahme auf Seite 112 ohne Filter wurde mit einer Belichtungszeit von 1/60 Sekunde, Blende 8.0 und ISO 200 fotografiert, die Aufnahme mit dem LEE-Big Stopper entsprechend mit einer Belichtungszeit von 8 Sekunden. Der Effekt ist verblüffend, hat allerdings in diesem Falle einen kleinen Schönheitsfehler.

DER FILTERHALTER des Seven5-Systems ist sehr sorgfältig verarbeitet. Auf der Alugrundplatte sind die eigentlichen Filterhalter aus hochwertigem Kunststoff montiert.

DER FILTERHALTER
des Seven5-Systems ist sehr sorgfältig verarbeitet. Auf der Alugrundplatte sind die eigentlichen Filterhalter aus hochwertigem Kunststoff montiert.

Die Bäume ganz links wurden durch den Fahrtwind der ja dennoch vorbeifahrenden Autos bewegt und sind unscharf verwischt. Allerdings soll diese Aufnahmen nur die grundsätzlichen Möglichkeiten verdeutlichen und keinen Fotopreis gewinnen. Wie man sieht, öffnet der Big Stopper neuer Kreativität Tür und Tor. Das Besondere am Big Stopper ist darüber hinaus, dass er erstens aus hochwertigem optischem Kunststoff besteht und zweitens nur einen leichten Blaustich verursacht, den man mit dem RAW-Konverter in den Griff bekommt. Ähnliche und billigere Filter von anderen Herstellern produzieren gerne mal einen schon intensiveren, bräunlichen Farbstich, den man auch per Bildbearbeitung kaum mehr eliminieren kann. Das erklärt, warum der Big Stopper so teuer ist.

Fazit

Das LEE Seven5 Deluxe-Filter-Kit ist ein famoses Werkzeug für engagierte Fotografen und gibt der kreativen Fotografie definitiv neue Impulse. Außerdem lässt sich der Seven5-Filterhalter per Adapterringe an allen vorhanden Objektiven einsetzen. Damit relativiert sich der recht stolze Preis. Verarbeitungs- und Materialqualität sind über jeden Zweifel erhaben und versprechen ein langes Leben. Das Seven5 Deluxe-Kit ist für alle Fotografen, die mit einer Systemkamera fotografieren und Wert auf Qualität legen, eine dicke Empfehlung, die ihren festen Platz in der Fototasche finden wird.