Fast & Furious

Mit seinem neuen Flaggschiff OM-D E-M1 Mark II zielt Olympus nahezu kompromisslos auf den Profi-Markt. Ob dies gelingt, klärt dieser umfangreiche Praxistest.

VON HANS-GÜNTHER BEER © FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Auf den ersten Blick gleicht der Nachfolger der erfolgreichen und allseits gerühmten E-M1 wie ein Ei dem anderen. Doch steckt in dem bei näherem Hinsehen deutlich bulligeren und ergonomisch perfektionierten, – dank eines größeren und ausgeprägteren Handgriffs liegt sie besser in der Hand – aufwändig gegen Spritzwasser und Staub abgedichteten Magnesium-Gehäuse eine komplett neu entwickelte Kamera. Der Preis für das neue Flaggschiff beträgt stolze 1.999 Euro (UVP).

Die Ausstattung

Das robuste und sehr hochwertig wirkende Gehäuse ist mit knapp 580 Gramm 15 Prozent schwerer als der Vorgänger, was neben einer noch solideren Bauweise insbesondere dem um 40 Prozent größeren Akku geschuldet ist. Mit diesem, so viel sei vorweggenommen, sind in der Praxis bei einem hohen Anteil an Serienaufnahmen problemlos 700 bis 800 Aufnahmen pro Akkuladung möglich, die Ladezeit beträgt tatsächlich nur zwei Stunden. Die Ergonomie und das Bedienkonzept der Mark I wurde bis auf kleine Details weitestgehend übernommen beziehungsweise überarbeitet. Ansonsten aber brannten die Entwickler bei der neuen ein wahres Feuerwerk an Features ab. So besitzt die E-M1 Mark II nicht nur einen neuen 20 Megapixel- Sensor und damit eine um 25 Prozent höhere Auflösung als die Mark I, sondern auch einen deutlich überarbeiteten Sensorshift-Bildstabilisator und einen komplett neu entwickelten Autofokus. Die Effizienz des 5-Achsen-Bildstabilisatiors soll 5,5 LW-Stufen längere Belichtungszeiten ermöglichen, mit dem neuen M.ZUIKO DIGITAL ED 12‑100mm 1:4.0 IS PRO dank des dort eingebauten Lensshift-Stabilisators sogar 6,5 LWStufen. Der auf dem Bildsensor integrierte Phasenkontrast-Autofokus verfügt über 121 Kreuzsensoren, die über mehr als 75 Prozent der Bildfläche verteilt sind. Damit lassen sich bewegende Motivdetails problemlos verfolgen, zumal man die AF-Felder unterschiedlich organisieren kann – unter anderem sind sie in Fünfer- oder Neuner-Gruppen zusammenzufassen – und lassen sich statt mittels Joystick per Daumenwisch auf dem rückwärtigen Display verschieben, während man durch den Sucher blickt. Großen Wert legten die Entwickler auf eine hohe Reaktionsgeschwindigkeit des Autofokus als Voraussetzung für eine besonders gute Tracking-Performance. Hierin will die E-M1 Mark II dank einfacher Konfiguration sowie Funktionen wie Subject Tracking Cluster Display auch höchste Ansprüche an Reaktionsgeschwindigkeit und Genauigkeit bei kontinuierlichem Autofokus (AF-C) erfüllen. Mehr darüber im Praxisteil weiter unten. Einen neuen Standard setzt die E-M1 Mark II auch mit ihrem kombinierten mechanisch/elektronischen Verschluss. Ermöglicht sie im AF-S-Modus und mit elektronischem Verschluss doch bis 60 Bilder pro Sekunde bei voller Auflösung im RAW-Modus. Mit kontinuierlichem Autofokus sind es 18 B/s, mit mechanischem Verschluss 15 beziehungsweise 10 B/s. Damit liegt die E-M1 Mark II auf dem Niveau einer Canon EOS-D1X Mark II oder Nikon D5 und übertrifft diese sogar. Ein weiteres für Sport- oder Naturfotografen enorm hilfreiches Feature ist die Pro Capture-Funktion. Bei halb gedrücktem Auslöser hält die Kamera permanent 14 Aufnahmen im internen Speicher bereit und aktualisiert diese permanent, um sie dann beim Durchdrücken des Auslösers sofort abzuspeichern, zusammen mit den in der Anzahl bis zu maximal 60 vorwählbaren Serienaufnahmen ab Auslösezeitpunkt. Man erhält so eine Fotoserie, die sozusagen 14 Aufnahmen in der Vergangenheit beginnt und es ermöglicht, DAS entscheidende Foto beim Stabhochsprung oder beim Zieldurchlauf zu schießen.

Ein Highlight aller Olympus MFT-Kameras ist dieumfangreiche Remote-Steuerung für externe Blitzgeräte. Zum Lieferumfang der E-M1 Mark II gehört ein Zusatzblitz, der als Master agieren kann.

Als Voraussetzung für diese High-Speed-Funktionen beschleunigten die Olympus-Ingenieure mit dem neuen TruePic VIIIProzessor das komplette Bildprozessing, wichtig ist hierbei auch die deutlich erhöhte Auslesegeschwindigkeit des Bildsensors. Außerdem spendierten sie der E-M1 Mark II schnelle Schnittstellen: Neben einem USB 3.0 Typ C-Anschluss zwei SD-Kartenslots, wobei Slot 1 UHS I- und UHS II-kompatibel ist, Slot 2 UHS I-kompatibel. Das versetzt die E-M1 Mark II in die Lage, acht Aufnahmen pro Sekunde auf eine schnelle UHS II-Karte zu speichern. Der interne Speicher puffert zunächst bei 60 B/s bis zu 45 Aufnahmen und bei 10 B/s bis zu sage und schreibe 110 RAW-Aufnahmen. Das schafft derzeit keine andere vergleichbare Kamera und macht die E-M 1 Mark II in der Tat zum High-Speed-König. Dieses performante Speichermanagement kommt auch der Videofunktion zugute. Die neue Olympus produziert 4K-Videos (3.840×2.160) mit 30 fps (frames per second) und Cinema 4K-Videos (4.096×2.160) mit 24 fps mit Bitraten bis 237 Mbit/s (H.264, MOV). Dabei gibt es keinen zusätzlichen Cropfaktor, sondern es wird die gesamte Bildfläche des MFTSensors ausgelesen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Kamera auch Anschlüsse für Stereomikrophon und Kopfhörer anbietet. Verbessert wurde auch der elektronische Sucher, der zwar „nur“ die gleiche Auflösung wie der Vorgänger besitzt, nämlich 2.36 Millionen Bildpunkte, aber eine deutlich schnellere Wiederholrate und damit treten keine Wischeffekte beim schnellen Schwenken auf. Außerdem haben die Techniker die Dunkelpause beim Auslösen so deutlich verringert, dass man auch bei schnellen Aufnahmeserien den Blickkontakt zum Motiv behält. Als ob dies nicht schon genug wäre, spendierten die Konstrukteure der E-M1 Mark II auch alle weiteren Funktionen, die jemals in den letzten Jahren entwickelt wurden. Dazu gehören neben Focus-Stacking und Focus-Bracketing sowie Digitalshift zum Ausgleich von stürzenden Linien, Live Composite und vor allem der High Res Shot-Modus. Hierbei fertigt die auf dem Stativ montierte Kamera nacheinander acht Aufnahmen bei jeweils um ein halbes Pixel verschobenem Bildsensor an, und montiert diese zu einem JPEG- oder RAW-Foto mit einer Auflösung von 60 beziehungsweise 80 Megapixeln.

Um alle weiteren Ausstattungsdetails der E-M1 Mark II aufzuzählen, reicht hier der Platz nicht, aber gegenüber dem Vorgänger sind im Kameramenü gefühlt 50 Prozent mehr Einstellungen möglich. Für eine bessere Übersicht, überarbeiteten die Entwickler das Menü und das Zahnradmenü erhielt eine neue Struktur mit Buchstaben und Ziffern. Zwei wichtige Ausstattungsdetails seien aber noch hervorgehoben: So erhielt der blockierbare Betriebsartenschalter nunmehr neben den üblichen P-, A-, S- und M-Stellungen drei weitere Custom-Funktionen (C1 bis C3) im Menü. Dort lassen sich individuelle Konfigurationen abspeichern, die Myset-Funktion ist komplett entfallen. Beim rückwärtigen Touchdisplay vollzogen die Entwickler einen von manchen Anwendern ungeliebten Schritt. Sie montierten das zum Vorgänger ansonsten identische 3,2 Zoll-Display mit einer Auflösung von 1.037 Bildpunkten in einen seitlich dreh- und schwenkbaren Rahmen, der augenscheinlich solide konstruiert wurde. Allerdings wirkt die Konstruktion des „alten“ Klappdisplays irgendwie stabiler. Da aber schon die Olympus E5 mit einer solchen Display- Konstruktion ausgestattet war, wissen die Ingenieure sicher schon, was sie tun.

Handling und Praxis

Im Praxistest mussten wir uns allerdings an das Display erst einmal gewöhnen, aber es zeigte im Videobetrieb unbestreitbare Vorteile. Bei Videoaufnahmen setzte sich der integrierte Bildstabilisator sogleich spektakulär in Szene. So, als sei die Kamera auf eine sündhaft teure Stadycam montiert, gelangen selbst unter widrigsten Bedingen (schnelles Gehen, Autofahrt über schlechte Straßen) wunderbar ruhige und stabile, hohen professionellen Ansprüchen genügende 4K-oder HDAufnahmen. Im Fotomodus ermöglicht der Imagestabilizer schon mit dem Kit- Objektiv M.ZUIKO DIGITAL ED 12‑40mm 1:2.8 PRO Verschlusszeiten um die 1/15 und 1/20 Sekunde für knackscharfe Aufnahmen. Mit dem neuen 12-100mm-Zoom waren dank des dort eingebauten Lensshift-Stabilizers in Einzelfällen sogar Aufnahmen mit bis zu einer Sekunde Belichtungszeit machbar, dies ermöglicht eine völlig neue Art des Fotografierens. Dank der überarbeiteten Ergonomie des Gehäuses lag die Kamera beim Fotografieren deutlich besser in der Hand als der Vorgänger und überzeugte auch haptisch. Alle Schalter und Tasten arbeiteten knackiger und definierter – mit einer wichtigen Ausnahme allerdings. An den Auslöser muss man sich, positiv formuliert, erst einmal gewöhnen. Das Auslösegefühl wirkt schon bei leichtem Druck irgendwie teigig. Das ist soweit ok bis auf die Tatsache, dass ein definierter Druckpunkt für den halbgedrückten Auslöser fehlt. Dies machte sich anfangs insbesondere bei den Pro Capture-Aufnahmen bemerkbar. Die gute Nachricht: Man gewöhnt sich daran und lernt mit der Zeit, wie weit man den Zeigefinger krümmen muss. Bei schnellen Aufnahmeserien machte sich die kurze Dunkelphase im Sucher positiv bemerkbar. Hat man sich an die Arbeitsweise des Autofokus gewöhnt (Gruppierung der Fokusfelder und Einstellung im Menü), arbeitet der AF-C tatsächlich sehr schnell und treffsicher, reicht aber zuweilen an den einer Fujifilm X-T2 noch nicht ganz her- 10 an. Aber das ist, wenn überhaupt, jammern auf ganz hohem Niveau. Zumal die Olympus-Verantwortlichen jüngst in einem Interview bei den Kollegen von dpreview.com verlauten ließen, der Weiterentwicklung des AF-C höchste Priorität geben zu wollen. Und da Olympus schon seit eh und je bei der Weiterentwicklung einer Kamera durch aufwändige Firmwareupdates Maßstäbe setzt, kann man sich hier beruhigt und vertrauensvoll zurücklehnen.

Zum Lieferumfang der E-M1 Mark gehört nicht nur ein USB 3.0-Kabel mit Typ C-Stecker, sondern auch Kabelsicherung, die an der Öse für den Umhängeriemen befestigt wird. Die 3,5-Millimeter Klinkenbuchsen für Stereomikrofon und Kopfhörer finden sich hinter den beiden oberen, dicht schließenden Schutzkappen.

Die Bildqualität

Bei einer um 25 Prozent höheren Auflösung müsste man bei gleicher Sensorfläche von einem stärkeren Bildrauschen ausgehen. Aber weit gefehlt, die E-M1 Mark II hat gegenüber dem Vorgänger zwar eine etwas höhere sichtbare Auflösung und auch der Mikrokontrast ist besser, aber das Rauschen ist sichtbar geringer – um etwa eine ISOStufe. Bei ISO-Werten von 200 bis 800 ISO überzeugt die Bildqualität durch enorme Schärfe und Detailauflösung, beim Vorgänger machte sich dann bei 1600 ISO ein sichtbarer Detailverlust bemerkbar. Das passiert bei der E-M1 Mark II erst ab 3200 ISO. Somit liefert sie auch bei 1600 ISO mit ganz geringen Einschränkungen noch detailreiche und scharfe Aufnahmen, die auch hohen Ansprüchen genügen. Nebenbei bemerkt, macht der exzellente Imagestabilisator in der Praxis mindestens zwei ISO-Stufen gut. Spektakulär rauscharm und scharf sind die Fotos im High Res Shot-Modus. Hier nimmt es die E-M1 Mark II mit jeder Mittelformatkamera locker auf, zumindest im Studio und auf dem Stativ.

Fazit

Mit der E-M1 Mark II ist Olympus fraglos ein ganz großer Wurf gelungen. Angesichts der Gesamtperformance, der immensen Ausstattung, der hervorragenden Bildqualität bei niedrigen ISOWerten, des exzellenten Imagestabilisators, des schnellen und guten Autofokus und nicht zuletzt der schnellen Bildfolgezeiten, bietet die Kamera nicht nur einen überragenden Gegenwert für 2000 Euro. Olympus ist mit der OM-D E-M1 Mark II definitiv im Profilager angekommen.

Olympus OM-D E-M1 Mark II

Hersteller Olympus Deutschland GmbH
Vertrieb Wendenstraße 14-18 20097 Hamburg, Tel.:+49 (40) 23773-0, www.olympus.de
Preis [UVP] Gehäuse 1.999 €, mit M.ZUIKO DIGITAL ED 12‑40mm 1:2.8 PRO 2.599 €

Technische Daten/Ausstattung

Typ Systemkamera
Gehäuse Magnesiumlegierung
Staub- und Spritzwasserschutz P
Objektivbajonett/Objektiv fest eingebaut MFT-Bajonett/-
Sensortyp/Prozessor Live MOS Sensor/TruePic VIII
Sensorauflösung/Bildgröße 20,4 Megapixel/5.184 x 3.888 Pixel
Cropfaktor gegenüber Kleinbildformat 2
Bildformate RAW (12 Bit)/JPEG
Bildstabilisator 5-Achsen
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher/Auflösung/Vergrößerung elektronisch/2.360.000 Bildpunkte/1,48 fach
Abstand Austrittspupille 21 mm
Dioptrienkorrektur -4,0 bis +2,0 dpt
Bildschirm/Auflösung/klappbar/schwenkbar 3-Zoll/1.037.000 Pixel/•/•
Touchscreen P
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/Manuell P/P/P/P (Live Composite)
Belichtungsmessung Mehrfeld/Integral/Spot P/P/P (Highlight, Schatten)
Messbereich -2 – 20 LW
Belichtungskorrektur/Belichtungsreihen P, +-5 LW/2, 3, 5, 7 Bilder
Weißabgleich: Auto/manuell/Presets/Reihen P/P/P/P
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation machanisch: 60-1/8000s, elektr.: 60s – 1/32000 s/1/250s
ISO-Empfindlichkeit ISO 50-25.600
Aufnahmebetriebsarten S, SL, SH, lautlos, Selbstauslöser, div. BKT, High Res Shot, Pro Capture-Modus
Selbstauslöser P (2s, 12s) frei definierbar
Intervalltimer P
Bildsequenzen mech. Verschl.: 15/10 B/s ; elktr. Verschl.: 60 /18 B/S;
Fokussiersystem Phasenkontrast und Kontrastmessung
Fokuspunkte 121 Kreuzsensoren
Fokusmodi einzel, kontinuierlich, manuell, Tracking,
Fokus-Unterstützung Vergrößerung (3, 5, 7,10,14)/ Fokus Peaking
AF-Hilfslicht P
Gesichterkennung P
eingebauter Blitz Aufsteckblitz mit LZ 12,9 im Lieferumfang
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, rote Augen, FP
Externer Blitz steuerbar Master-/Slave-Modus P/P
Livebild/mit Autofokus P/P
Wasserwaage P
Schnittstellen USB 3.0, Typ C; HDMI; Microphon, Kopfhörer
Speicherkarten 2x SD (SDHC-, SDXC-, UHS-II/UHS-I-kompatibel)
WLAN/NFC/Bluetooth P/P-/P- (Smartphone-Connectivity)
Videoformat MOV (MPEG-4AVC/H.264), AVI
max. Videoauflösung 4k bis max. 24 fps, 237 Mbit/s
Timecode P
Abmessungen (BxHxT) 134 x 91 x 69 mm
Gewicht 580 g (Inklusive Akku und Speicherkarten)

Besonderheiten

High Resolution-Modus (Aufflösung JEPG: 60 MPixel, RAW: 80 MPixel), Fokus-Bracketing, Pro-Capture-Modus

Diesen Test finden Sie inder Ausgabe 03/2017.