GUTER WURF
Mit der Lumix DC-G9 hat Panasonic eine neue Flaggschiff-Kamera konstruiert, die den Schwerpunkt wieder stärker auf die Fotografie legt. Das Ergebnis ist eine exzellent ausgestattete Micro-Four-Thirds- DSLM, die auch höchste Ansprüche erfüllen kann.
VON HANS-GÜNTHER BEER
© ALLE FOTOS HANS-GÜNTHER BEER

Die beiden großen Hersteller von Micro-Four-Thirds-Kameras und -Objektiven Olympus und Panasonic waren anfangs aus Sicht der Profifotografen im Dilemma. Zwar erlaubt der kleine Bildsensor den Bau von zierlichen Objektiven und Kameras, die eine exzellente Bildqualität liefern können, doch deren Handling insbesondere im Profieinsatz wurde zuweilen als eingeschränkt erachtet. Also wuchsen zumindest die reichlich ausgestatteten Topmodelle der Hersteller, die OM-D EM-1 Mark II und die für professionellen Videoeinsatz optimierte Lumix DC-GH-5S, zwangsläufig in ihren Dimensionen und übertreffen ebenso wie die seit Kurzem verfügbare Lumix DC-G9 sogar Vollformat- Modelle wie die Sony Alpha 9 und α7R Mark III deutlich. Da allerdings selbst die aufwendig gefertigten MFT-Profiobjektive vom kleinen Sensor nach wie vor profitieren und vergleichsweise klein und leicht bleiben, wirkt die zusammen mit dem Leica DG Vario-Elmarit 12- 60mm / F2.8-4.0 ASPH/OIS getestete Lumix DC-G9 dennoch harmonisch und gut ausbalanciert.

Alle Bedienelemente sind großzügig dimensioniert und damit sehr ergonomisch. Das Betriebsarten-Wahlrad auf der linken Kameraschulter bietet auch drei Preset-Speicher (C1 bis C3), das große Infodisplay rechts lässt sich gut ablesen und informiert über alle Betriebsfunktionen.
Die 45 Kombination wiegt nur knapp ein Kilo und kostet 2.300 Euro, der Body allein liegt bei 1.700 Euro. Ausstattung und Handling Dafür bekommt man eine perfekt verarbeitete und sehr hochwertige Kombi, die ausgezeichnet auch in großen Händen liegt. Der Griffwulst des aufwändig gegen Staub und Spritzwasser gedichteten Gehäuses, das zusammen mit dem Leica DG Vario-Elmarit 12-60mm / F2.8-4.0 ASPH/OIS auch bei sehr tiefen Temperaturen zuverlässig arbeitet, ist so ausgeprägt und wohlgeformt, dass alle Finger der rechten Hand Platz haben und gut aufliegen. Die Gummierung des aus Metall gefertigten Bodys ist zudem griffig und angenehm. Kurzum, man hat die Lumix DC-G9 ausgesprochen gut im Griff und es ist eine Freude, sie zu bedienen. Das liegt auch an der guten Ergonomie der Bedienungselemente. Will heißen, alle Regler und Knöpfe sind groß und leicht bedienbar dimensioniert und so angeordnet, dass eine Fehlbedienung quasi ausgeschlossen ist. Zum guten Handling im harten Profieinsatz trägt auch das große Display auf der rechten Kameraschulter bei – die Lumix DC-G9 läutet gemeinsam mit der Fujifilm G-H1 (Test in der nächsten Ausgabe) sozusagen die Renaissance dieses praktischen Infofensters bei den DSLM-Kameras ein und lässt die Kameras irgendwie professioneller wirken. Der typische Blick auf das rückwärtige Display wird meist überflüssig. Das Schulterdisplay selbst ist sehr groß und gut abzulesen und informiert umfassend über alle wichtigen Einstellungen und Betriebsarten. Wie üblich bei modernen Kameras, lässt sich auch die Lumix DC-G9 umfassend den persönlichen Vorlieben und an die fotografischen Aufgaben anpassen. Die 19 Funktionstasten, davon fünf auf dem Touchdisplay, zeugen davon und lassen sich selbstverständlich individuell programmieren. Die Rückseite der Lumix DC-G9 wirkt aufgeräumt und offeriert unter anderem einen griffigen Joystick für die Positionierung der Fokusfelder und eine praktisch gut umgesetzte Vierfach-Funktionswippe mit integriertem Drehrad, mit dem sich wunderbar durch die umfangreichen Menüseiten blättern lässt. Das dominante dreh- und klappbare Touchdisplay bietet in Sachen Auflösung jedoch nur Standardkost: knapp über eine Million Bildpunkte. Da offerieren fast ausnahmslos alle anderen Neuerscheinungen von Mitbewerbern mehr. Dafür entschädigt die Lumix DC-G9 jedoch mit einem wirklich großartigen Sucher. Der bietet mit fast 3,7 Millionen Bildpunkten nicht nur eine enorme Auflösung, sondern mit einer Vergrößerung von 0,83 auch den Bildeindruck eines übergroßen Fensters, durch das man zu blicken scheint. Da sich dieses jedoch mit Brille nicht so ohne weiteres komplett erfassen lässt, kann man die Abbildungsgröße in zwei Stufen reduzieren, bei verringerter Auflösung versteht sich – aber es ist ja genug Reserve vorhanden. Dieser Sucher ist auf jeden Fall ein Highlight, wozu auch die hohe Bildwiederholfrequenz von 60 B/s beiträgt, die lässt sich gar auf 120 B/s steigern, verbraucht dabei aber mehr Strom. Aber selbst bei 60 B/s treten kaum Wischeffekte beim schnellen Kameraschwenken beziehungsweise Mitziehen bei Sportaufnahmen auf.
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1. Die beiden SD-Kartenslots besitzen zwar eine UHS II-Bus, schreiben aber kaum schneller als 100 MB/s.
2. Mit dem Antriebsmodus-Schalter lassen sich untere anderem die Serienbildgeschwindigkeiten unter I und II anwählen, die zuvor im Menü ausgewählt und dann diesen beiden Schalterpositionen zugeordnet werden.
3. Auf diesen Funktionshebel kann man eine weitere häufig gebrauchte Funktion abspeichern.
4. Alle Bedienknöpfe und Regler gut positioniert, der Joystick dürfte wohl am häufigsten benutzt werden.
5. Das dreh- und klappbare Touchdisplay besitzt lediglich eine Auflösung von etwas mehr als 1 Million Bildpunkten.
Autofokus und Handling in der Praxis
Deshalb machen diese mit der Lumix DC-G9 nicht nur sehr viel Spaß, sondern sie bringt auch sehr gute Ergebnisse. Das liegt vor allem an der extrem schnellen Verarbeitungsgeschwindigkeit, also der Gesamtperformance der Kamera, die sich auf alle Funktionen auswirkt. Das beginnt mit der sofortigen Betriebsbereitschaft nach dem Einschalten und der besonders kurzen Auslöseverzögerung nach dem Druck auf den manchmal fast schon zu leichtgängigen Auslöser und setzt sich beim blitzschnellen Autofokus mit DFDTechnik fort. Dabei berechnet die Kamera im AF-C-Betrieb aus zwei blitzschnell hintereinander gemachten Aufnahmen die wahrscheinliche Position eines sich bewegenden Motivdetails voraus und stellt den Fokus schon mal entsprechend ein. Das funktioniert treffsicher und wie gesagt unglaublich schnell. Zügig und effektiv arbeitet auch der Sensorshift-Imagestabilizer, der mit kurzbrennweitigen Objektiven alleine schon einen Gewinn von gut fünf Lichtwerten bringt, also fünffach längere Belichtungszeiten für scharfe Aufnahmen erlaubt. In Verbindung mit langbrennweitigen Objektiven wie dem Panasonic Leica DG Vario- Elmar 100-400mm 4-6.3 ASPH/OIS (Test Ausgabe 9/2016) aber auch dem mitgetesteten Leica DG Vario-Elmarit 12-60mm / F2.8-4.0 ASPH/OIS ist der DUAL IS aktiv: Hier arbeiten der Imagestabilizer des Kameragehäuses und der im Objektiv zusammen und erhöhen auf insgesamt 6,5 Lichtwerte Gewinn. Der Praxistest bestätigte dies sehr eindrucksvoll, bei 60 Millimeter Brennweite, das entspricht 120 Millimeter im Kleinbildäquivalent, waren mit der Kombi Belichtungszeiten bis 1/8 bis 1/15 Sekunde möglich, um knackscharfe Aufnahmen zu erhalten. Das schafft die Kamera auch bei hohen Serienbildgeschwindigkeiten und hier offeriert die Lumix DC-G9 ein fast schon verwirrendes Angebot. Je nachdem, ob mit rein mechanischem Verschluss (bis 1/8.000 Sekunde), mit mechanischem Verschluss plus elektronischem ersten Verschlussvorhang oder nur mit elektronischem Verschluss (bis 1/32.000 Sekunde) gearbeitet wird, ergeben sich unterschiedliche Konstellationen beziehungsweise Serienbildgeschwindigkeiten. Mit ausschließlich elektronischem Verschluss sind es 20 Bilder pro Sekunde im AF-C-Modus (SH1) und im AF-S-Modus 60 Bilder pro Sekunde (SH2), wobei lediglich vor der ersten Aufnahme scharfgestellt wird und diese Einstellungen auch für die nachfolgenden gilt. Beide Einstellungen können wahlweise auch mit Pre Burst-Modus betrieben werden. Dabei löst die Kamera schon vor dem Druck auf den Auslöser aus und hält einige Aufnahmen vor und diese werden dann beim Auslösen mit abgespeichert, was den richtigen Moment mit höherer Wahrscheinlichkeit auf den Speicherkarten festhält. Hier einige weitere Beispiele: Bei ausschließlichem Einsatz des mechanischen Verschlusses stehen im Autofokusmodus AF-S bei Einstellung H maximal zwölf Aufnahmen pro Sekunde ohne Live- View zur Verfügung, im AF-C-Modus neun Bilder pro Sekunde plus Live- View. Die Anzahl der maximalen Aufnahmen in den beiden SH-Modi ist auf 50 begrenzt, um einem Überhitzungsproblem vorzubeugen. Bei allen anderen Modi (H, M, L) sind 60 Aufnahmen und mehr in Serie möglich, in JPEGQualität so viele, bis die SD-Karten voll sind. Die beiden Kartenslots verfügen über den Datenbus UHS I- und UHS IIStandard, wobei die Speichergeschwindigkeit knapp über 100 MB/s liegt und auch bei schnelleren Karten den UHS II-Standard nicht ausschöpft. Im H-Modus mit zwölf B/s arbeitet der AF-C wie gesagt sehr schnell und präzise und führt über die 255 Fokusfelder sauber und akkurat nach. Eine typische Panasonic Lumix Spezialität sind die 4K- und hier auch 6K-Aufnahmemodi. Hier zeichnet die Kamera 60 beziehungsweise 30 Bilder pro Sekunde im H.265 Kompressionsmodus auf und aus den „Filmen“ lassen sich dann Fotos mit 8,5 beziehungsweise 18 Megapixel Auflösung extrahieren, allerdings mit einer gegenüber dem normalen Fotomodus geringeren Bildqualität. In diesen Betriebsarten offeriert die Lumix DCG9 auch den Post-Fokus-Modus: Dabei durchfährt die Kamera den Fokusbereich Bild für Bild von vorne bis hinten, und erlaubt es, nach der Aufnahme festzulegen, wo der Fokuspunkt liegen soll. Das kann unter Umständen bei Sportaufnahmen sehr hilfreich sein. Wie die Olympus OM-D EM-1 Mark II oder die Nikon D850 offeriert die Lumix DC-G9 die Betriebsart Focus Stacking, insbesondere bei Landschafts- oder Makroaufnahmen ein interessantes Feature. Tatsächlich zum großen Allrounder wird die Lumix DC-G9 neben der Möglichkeit für High Resolution- Aufnahmen per Pixel Shift auch durch die bei Lumix-Topmodellen obligatorische und universelle Videofunktion mit 4K-Auflösung und 60 fps. Auch die Anschlussmöglichkeiten lassen keine Wünsche offen. Zwar verzichtet die Lumix DC-G9 auf eine USB C-Buchse, bietet aber USB 3.0, worüber die Kamera auch geladen werden kann, einen großen HDMI-Anschluss sowie Kopfhörerund Mikrofonanschlüsse.
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1. Dank dieser Grafik lassen sich die Funktionstasten einfach belegen.
2. Als typische Lumix bietet die DC-G9 den 4K- beziehungsweise 6K-Aufnahmemodus.
3. Das Touchdisplay erleichtert die Bedienung zusätzlich.
4. Die DC-G9 offeriert verschiedene Bracketing-Modi, darunter auch Focus-Bracketing.
5. Unter diesem Menüpunkt lassen sich die Parameter für High-Resolution-Aufnahmen einstellen.
6. Alle wichtigen Aufnahmedaten auf einen Blick.
7. Die Lumix DC-G9 lässt sich während des Betriebs über die USB-Buchse laden.
8. Für Nachtschwärmer offeriert die Kamera aucheinen roten Anzeigemodus, um die Dunkeladaption der Augen nicht zu stören.
Bildqualität
Die Bildqualität der Lumix DC-G9 liegt auf sehr hohem Niveau und ist bis zu ISO-Werten bis ISO 800 sogar überragend. Das Auflösen von feinen Mikrostrukturen gelingt der Kamera famos, der Schärfeeindruck ist bei gleichzeitig hoher Bilddynamik knackscharf, Farben kommen ebenfalls knackig ohne übertrieben zu wirken, die Wiedergabe von Hauttönen ist gelungen. Erst oberhalb von ISO 800 macht sich langsam Luminanzrauschen bemerkbar, das aber sehr angenehm wirkt. Ab ISO 3200 ist deutlicheres Farbrauschen feststellbar, das aber noch nicht wirklich stört, sodass selbst ISO-6400-Aufnahmen immer noch sehr ansehnlich wirken, ohne dass die Bildschärfe und die Auflösung zu sehr leiden.
Fazit
Mit der Lumix DC-G9 ist Panasonic eine eindrucksvolle Allround-Kamera gelungen, die trotz der hohen Universalität keine Kompromisse macht – sie liefert immer die volle Performance. Das Preis- Leistungs-Verhältnis ist überragend.
Steckbrief Panasonic Lumix DC-G9
Hersteller Panasonic Deutschland GmbH
Vertrieb www.panasonic .com
Preis [UVP] Gehäuse 1.699 Euro, im Kit mit Leica DG Vario-Elmarit 12-60mm /F2.8-4.0 2.299 Euro
Technische Daten/Ausstattung
Gehäuse Aluminium-Druckguss
Spritzwasser- und Staubschutz •
Objektivbajonett Micro-Four-Thirds
Sensorauflösung/Bildgröße 20,3 Megapixel/ 17,3-13 mm MFT-Format
Sensortyp Live-MOS-Sensor 5.184 x 3.888 Pixel ohneTiefpassfilter
Bildformate RAW, JPEG
Bildstabilisator • (5-Achsen-Sensorshift, DUAL I.S.)
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher elektronischer OLED-Sucher 3.680.000 Bildpunkte, 100 %, Vergr. 0,83 x
Dioptrienanpassung -4,0 bis +3,0 dpt, Pupillenabstand 21 mm
Bildwiederholfrequenz 60/120 B/s
Bildschirm/Auflösung/klappbar/schwenkbar 3-Zoll/1.040.000 Bildpunkte/•/•
Touchscreen •
Livebild/mit Autofokus •/•
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik •/•/•/•
Belichtungsmessung Mehrfeld/Integral/Spot •/•/•/• (EV 0 bis EV 18)
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen •/•, ± 5LW (± 3LW Video)
Weißabgleich: Auto/manuell/Presets/Reihen •/•/•/•
ISO-Empfindlichkeit ISO 200-25.600 (erweiterbar bis ISO 100)
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 60-1/8.000s (mech.), 60-1/32.000s (elektr.)/1/250s
Aufnahmebetriebsarten S, CL, CH, 6K-Foto, 4K-Foto
Maximale Bildsequenz 12 B/s (mech. 1. Verschluss elektr.), 20 B/s (elektr.)
Maximale Anzahl Bilder bis Speicher voll 60 RAW, 600 JPEG
Selbstauslöser • (2s/10s)
Intervalltimer/Zeitraffer •
Lautlosmodus •
Fokussiersystem Kontrast-AF, DFD-Technik
AF-Messfelder max. 255 Punkte
Fokusmodi/Empfindlichkeit AF-S, AF-C, manuell/ -4 bis 18 EV
Fokus-Stacking •
AF-Hilfslicht •
Gesichtserkennung •
eingebauter Blitz –
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, Rote Augen, FP/HSS
Externer Blitz steuerbar Master-Slave-Modus • (IR-Licht)
Wasserwaage •
Schnittstellen Micro-USB 3.0 (Gen. 1), HDMI (4.2.2), Fernauslöser, Mikrofon, Kopfhörer
WiFi/Bluetooth/NFC •/•/(4.2)/–
Speicherkarten 2 x (SD UHS II)
Videoformat AVCHD 2.0, MP4
bestmögliche Videoqualität 4K 3.840 x 2.160 30/25p (100 Mbit/s), HD 1.920 x 1.080/120p (20 Mbit/s)
Timecode ja
Abmessungen (B x H x T) 137 x 98 x 92 mm
Gewicht 660 g (Inklusive Akku und Speicherkarte)
Besonderheiten
4K- und 6K-Foto, Dual I.S. (Bildstabilisator im Gehäuse plus Lensshift im Objektiv), Highres-Aufnahmen per Pixel Shift
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