Schweres Geschütz
Mit seiner neuen spiegellosen Vollformat-Systemkamera Lumix DC S1 will Panasonic nicht nur in Sachen Ausstattung, Verarbeitungsqualität und Bildqualität in ihrer Klasse neue Maßstäbe setzen. Ob das gelungen ist, klärt dieser Test.
VON HANS-GÜNTHER BEER © ALLE FOTOS HANS-GÜNTHER BEER
Schon mit der erfolgreichen Lumix GH5 brachte der japanische Elektronikriese Panasonic eine eher stattliche statt zierliche MFT-Systemkamera auf den Markt – mit den entsprechenden Vorteilen in Sachen Ergonomie und Solidität. Der brandneue Vollformat- Body Lumix DC S1/S1R geht diesen Weg konsequent weiter und orientiert sich eher an der gewichtigen Leica SL, mit der er auch das L-Mount-Objektivbajonett gemein hat, statt an den zierlicheren α7- oder Z-Modellen von Sony oder Nikon.

Die Oberseite der Lumix DC S1 ist klar strukturiert und vereinfacht die Bedienung. Das Infodisplay ist ein echter Komfortgewinn.
Ergonomie und Ausstattung
Das aufwendig gedichtete und kälteresistente Magnesium-Gehäuse der Lumix DC S1 wirkt demnach nicht nur höchst solide und vertrauenserweckend robust, sondern liegt mit dem stattlichen Lebendgewicht von einem Kilogramm – mit dem Kit-Objektiv Lumix S 24-105 mm – F4-OIS sind es sogar 1,7 Kilogramm – äußerst satt, aber auch dank gelungener Formgebung sehr sicher in der Hand. Die Ergonomie ist auch für unterschiedlich große Hände gelungen, die vielen, meist gut erreich- und handhabbaren Bedienungselemente wirken ebenfalls solide und für ein langes Kameraleben gemacht. Einzig der Ein/Ausschalter neben dem großen Infodisplay, das den Bedienungskomfort deutlich erhöht, ist weder glücklich platziert noch einfach zu bedienen. Beleuchtet man das Infodisplay, werden übrigens auch die wichtigsten Tasten auf der Rückseite hinterleuchtet. Das nach oben, unten und nach rechts klappbare 3,2 Zoll-Touchdisplay bietet mit 2,1 Bildpunkten eine sehr gute Auflösung, ist sehr scharf und auch bei hellem Umgebungslicht ausreichend kontrastreich und hell. Ein im Wortsinn wirklicher Augenschmaus ist der riesige, brillante und extrem hochauflösende 5,76 Megapixel-OLED-Sucher, der eine völlig homogene Fläche ohne Pixelstrukturen bietet. Die Bildwiederholfrequenz kann von 60 auf 120 Bilder pro Sekunde verdoppelt werden, was die Wiedergabe flüssiger macht, aber auch den Stromverbrauch erhöht. Brillenträger können den Sucher nicht komplett überblicken, dafür aber die Bildgröße, bei entsprechendem Verzicht auf Auflösung, in zwei Stufen reduzieren. Die Stromversorgung der Lumix DC S1 übernimmt ein Lithium-Ionen- Akku mit 3.050 mAh Kapazität, der kann via USB-C-Buchse in der Kamera mit quasi jedem USB- Ladegerät geladen werden, richtig schnell geht das aber mit dem mitgelieferten Gerät. Pro Akkuladung sind bei eingeschränktem „Spieltrieb“ locker mehr als 350 Aufnahmen möglich. Da die Lumix DC S1 insgesamt jedoch einen hohen Stromverbrauch hat, Stichwort hochauflösender Sucher und Bildstabilisator, empfehlen sich Ersatzakkus auf jeden Fall. Via USB-C-Anschluss ist auch die externe Stromversorgung während des Betriebs möglich, was insbesondere bei Filmaufnahmen hilfreich sein kann.
Auch bei der sonstigen Ausstattung ließen sich die Entwickler nicht lumpen, siehe Steckbrief. So ist der 24-Megapixel- Sensor in einer 5-Achsen Sensorshift- Bildstabilisator-Einheit gelagert, die im sogenannten Dual IS-Modus mit der Bildstabilisierung beispielsweise eines Lumix S 24-105 mm – F4-OIS so clever zusammenarbeiten, dass bis zu sechs EV-Stufen längere Belichtungszeiten aus der Hand möglich sind. Und in der Tat zeigte die Lumix DC S1 hierbei im Praxistest exzellente Ergebnisse. Dazu beitragen kann die einblendbare IS-Statusanzeige: Ein kleiner grüner Punkt zeigt innerhalb zweier konzentrischer Kreise das Ausmaß beispielsweise des Händezitterns an und man kann dieses durch bewusstes Ruhigerhalten und durch Konzentration reduzieren und so zu deutlich schärferen Aufnahmen kommen – genial und mehr als ein Gimmick.
Autofokus und Verschluss
Im Gegensatz zu allen Mitbewerbern arbeitet die Lumix DC S1 ausschließlich mit einem Kontrastautofokus, genauer gesagt mit dem von Panasonic entwickelten DFD-Autofokus-System (Depth from Defocus), das mittels zweier unterschiedlich fokussierter Bilder blitzschnell unter Einbeziehung der Objektivcharakteristik die tatsächliche Schärfeebene vorausberechnet und diese dann in Sekundenbruchteilen einstellt. Dieses Verfahren funktioniert im AF-S-Modus auch dank der großen Bildfeldabdeckung durch die 225 Messpunkte extrem schnell und präzise. Die integrierte und auch per Firmware-Upgrade nachrüstbare Intelligenz (AI) des Autofokus erkennt nicht nur sehr zuverlässig Gesichter oder Augen, sondern anhand der Kontur auch unterschiedliche Menschenund Tierkörper – und merkt sich diese. Das funktionierte im Test bemerkenswert gut und macht die S1 zu einer exzellenten Wildlife-Kamera. Im AF-S-Modus bietet der auf mehr als 400.000 Auslösungen ausgelegte Verschluss der Lumix DC S1 eine maximale Serienbildgeschwindigkeit von neun B/s, die sich im AF-C-Modus jedoch auf fünf B/s reduziert, was die Einsatzmöglichkeiten in der Sportfotografie etwas einschränkt. Beim Fokus-Tracking macht der DFDAutofokus einen exzellenten Job. Auch wenn er das Niveau des Maßstäbe setzenden Augen-Autofokus einer Sony α7 III noch (?) nicht ganz erreicht, so krallt er sich, hat er ein Motivdetail einmal registriert, an diesem unbeirrbar fest und verfolgt es über alle 225 Fokuspunkte übers gesamte Bildfeld. Hat der AI-Algorithmus mehrere Körperumrisse erkannt, kann man sogar per Joy-Stick zwischen ihnen wechseln, das kann außer der Lumix DC S1 bislang noch keine andere Kamera.
- Im Gegensatz zu den aktuellen Neuerscheinungen unter den Mitbewerbern, verfügt die Lumix DC S1 über zwei Kartenslots, einer davon nimmt XQD Karten auf.
- Nachtmodus erleichtert das Fotografieren bei Dunkelheit.
- Videofilmer werden die große HDMI-Buchse zu schätzen wissen.
- High-Resolution Aufnahmen liefern 96 MPixel Auflösung.
- Die Bedienung gibt keine Rätsel auf.
- Selbst der Bildstabilisator lässt sich umfangreich konfigurieren.
Ebenfalls bemerkenswert ist die Tatsache, mit wie wenig Licht der Autofokus zurechtkommt. Selbst bei schwachem Kerzenschein arbeitete der AF zumindest im AF-S-Betrieb enorm zuverlässig, nur ganz selten trat etwas Fokuspumpen auf. Wer eine höhere Serienbildgeschwindigkeit braucht, wählt den 4Koder 6K-Modus. Dabei fertig die Kamera im Grunde Kurzfilme mit 60 beziehungsweise 30 Bildern pro Sekunde mit einer Auflösung von acht bzw. 16 Megapixel an – dies allerdings nur im JPEG-Modus. Wer in RAW und voller Auflösung fotografieren möchte, muss auf die klassischen Modi zurückgreifen. Dank der schnellen Schnittstellen zu den beiden Speicherkartenslots für XQD- und SDKarten (UHS II) sind Serienaufnahmen im JPEG-Format quasi im Endlosbetrieb möglich. Der interne Speicher puffert 130 RAW-Aufnahmen, die innerhalb weniger Sekunden auf die XQD-Karte wegeschrieben werden. Diese gute Speicherperformance zahlt sich auch im High Resolution- Modus der Lumix DC S1 aus. Dabei fertigt der beweglich gelagerte 24 Megapixel-Sensor nacheinander mehrere, um jeweils ein Pixel verschobene Aufnahmen an und montiert diese intern zu einem 96 Megapixel-Foto. Solche Aufnahmen macht man üblicherweise zwar möglichst mit Stativ, doch dank eines speziellen Modus ist die Kamera in der Lage, sich bewegende Bilddetails scharf zu rechnen, indem sie dort die Auflösung reduziert, was aber in der Praxis meist kaum auffällt.
Die Videofunktionen der Lumix DC S1
Die neue Vollformatkamera produziert 4K-Videos (3.840×2.160) mit maximal 60 fps, der Cropfaktor beträgt dabei 1,5. Bei 30 fps fällt kein Cropfaktor an, hier wird dann die gesamte Sensorfläche ausgelesen. Auf die Speicherkarten werden die Videoaufnahmen in 4.2.0 acht Bit aufgezeichnet. Über den großen HDMI-A-Anschluss, werden die Videodaten in 4.2.2 mit zehn Bit ausgegeben. In Zukunft soll per kostenpflichtigem Freischaltcode der V-Log-Modus plus 4.2.2 zehn Bit auch für das interne Aufzeichnen verfügbar sein. Alle Video- wie auch Fotofunktionen lassen sich im extrem umfangreichen Menüsystem, das allerdings durch ein Zweiebenenkonzept erstaunlich übersichtlich geriet, individuell einstellen und auf die persönlichen Vorlieben konfigurieren.
- Auch die AF-Modi lassen sich individuell anpassen.
- Das Standardanzeigenfeld informiert über alle wichtigen Einstellungen.
- Insgesamt lassen sich fünf Custum-Modi konfigurieren.
Die Bildqualität
Bei ISO-Werten von 50 bis 3200 ISO überzeugt die Bildqualität der Lumix DC S1 durch exzellente Schärfe und Detailauflösung auch feinster Strukturen. Die Farbwiedergabe ist differenziert und feinst abgestuft. Die Kamera liefert einen enorm plastischen Gesamteindruck bei allen Aufnahmen. Ab 6400 ISO macht sich dann langsam etwas Rauschen bemerkbar. Spektakulär rauscharm und scharf sind die Fotos im High Resolution-Modus selbst bei höheren ISOWerten, da hier die Kamera immerhin acht Aufnahmen verrechnet und dabei auch das Rauschen minimiert.
Fazit
Mit der Lumix DC S1 hat Panasonic ein äußerst flexibles und robustes Arbeitstier geschaffen, reichhaltig ausgestattet und sehr performant. Die Kamera will keine Sportskanone sein, der DFD-Autofokus macht jedoch insbesondere im Tracking-Modus und bei Videoaufnahmen einen exzellenten Job. Die Lumix DC S1 ist vielseitig einsetzbar und bietet einen hervorragenden Gegenwert fürs Geld.
Panasonic Lumix DC S1
Hersteller Panasonic Deutschland GmbH
Vertrieb www.panasonic.com/de
Preis [UVP] Gehäuse 2.499 €
Technische Daten/Ausstattung
Gehäuse Magnesium Legierung
Spritzwasser- und Staubschutz •
Objektivbajonett L-Mount
Sensorauflösung/Bildgröße 24,2 Megapixel/ 6.000 x 4.000 Pixel
Sensortyp/Prozessor CMOS Sensor, ohne Filter/Venus Engine-Prozessoren
Bildformate RAW (14 Bit)/JPEG
Bildstabilisator • (Sensorshift), Dual I.S. mit entsprechenden Objektiven
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher OLED 5.760.000 Bildpunkte, 100 %, max. Vergr. 0,78-fach
Dioptrienanpassung -4,0 bis +2,0 dpt, Pupillenabstand 21 mm
Bildschirm/Auflösung 3,2-Zoll/2.100 Bildpunkte, horizontal und vertikal klappbar
Touchscreen •
Livebild/mit Autofokus •/•
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell •/•/•/• (Benutzereinstellungen C1, C2, C3)
Belichtungsmessung Mehrfeld, Integral, Spot, (EV 0 bis EV 18)
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen •/•, +-5 LW
Weißabgleich Auto/manuell/Presets/Reihen •/•/•/•
ISO-Empfindlichkeit ISO 50-204.800
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 60-1/8.000s / 1/320s, 30 Min. Bulb-Modus (mech. Verschluss), 1/25-1/16.000s (elektr. Verschluss)
Aufnahmebetriebsarten S, CL, CH, BKT, Mehrfachbelichtung, High-Res Shot, Fokus-Stacking
Maximale Bildsequenz 6 B/s (AFC), 9 B/s (AFS/MF)
Maximale Anzahl Bilder bis Speicher voll RAW: 40, JPEG: 50
Selbstauslöser 2s/10s
Intervalltimer •
Fokussiersystem Kontrast AF
AF-Messfelder max. 225 Punkte
Fokusmodi/Empfindlichkeit AF-S, AF-C, manuell/ -6 bis 18 EV (mit einem f/1.4-Objektiv)
AF-Hilfslicht •
Gesichtserkennung •
eingebauter Blitz –
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, Rote Augen-Unterdrückung, Sloe-Sync, Highspeed
Externer Blitz steuerbar Master-Slave-Modus •
Wasserwaage •
Schnittstellen USB C (3.1 Gen. 1), HDMI- (Typ A), Fernauslöser, Mikrofon, Kopfhörer
WiFi/Bluetooth/NFC •/•/ –
Speicherkarten 2, 1x XQD, 1x SDXC UHS-II
Videoformat MP4 AVC/H.264
bestmögliche Videoqualität 4K 3840 x 2160 (4K) /59,94p, 50p 29,97p, 25p, 23,98p / 4.2.0 8Bit,LongGOP (150 Mbit/s)
Timecode •
Abmessungen (B x H x-T) 149 x 110 x 97 mm
Gewicht 1.021 g (Inklusive zwei Akkus und Speicherkarten)
Besonderheiten
DFD-Technologie, Post-Fokus, 6K Photo, 4K Photo, intelligente AI-Bildanalyse-AF, High-Res-Aufnahmen (96 Mp), via HDMI 4.2.2-10-Bit-Aufnahmen auf externe
Recorder, optional V-Log mit 4.2.2-10-Bit-Aufnahmen intern, Sucherbildgröße konfigurierbar, beleuchtete Tasten auf der Rückseite, I.S.-Status-Anzeige
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