Die Sony A7R V ließ bei ihrer Präsentation im Herbst 2022 mit einem neuen, intelligenten Autofokussystem und weiteren Features aufhorchen. Aber sind die Neuerungen wirklich so bahnbrechend, wie Sony behauptet? Wir haben die Kamera ausführlich für Sie unter die Lupe genommen.

von Benjamin Lemm, © Fotos Benjamin Lemm

Dass Sony in Sachen Autofokus der absolute Marktführer ist, dürfte weithin hinreichend bekannt sein. Deshalb waren wir umso erstaunter, als der japanische Technikgigant im Herbst die neue Kamera der A7R-Serie vorstellte und verkündete, dass das neue, auf Künstlicher Intelligenz beruhende Autofokussystem noch schneller und zuverlässiger funktioniere, als alles zuvor Dagewesene. Zudem glänzt Sonys neues Meisterstück im Vergleich zu seinem Vorgänger, der A7R IV, mit vielen kleineren und auch größeren Updates in verschiedenen Bereichen, die uns neugierig machten. Für eine UVP von 4.500 Euro verspricht Sony hier einen gewaltigen Schritt nach vorne. Ob sich die Kamera für diesen Preis wirklich lohnt, haben wir in unserem Praxistest für Sie herausgefunden.

Ausstattung und Bedienung

Der Kamerabody der A7R V bietet die gewohnte, gleichbleibende Sony-Qualität. Er macht einen hochwertigen, robusten Eindruck und ist aufwendig gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Bei einem Gewicht von 723 g inklusive Akku und Speicherkarte sowie Maßen von 131,3 mm x 96,9 mm x 82,4 mm liegt die Kamera gut in der Hand. Dabei lassen sich die drei Einstellräder sowie alle anderen Bedienelemente der Kamera bequem erreichen.

Auf der Oberseite der Kamera befindet sich neben dem Auslöser und einem Custom-Button vor allem das Moduswahlrad, das zwischen den Modi Auto, P, A, S und M sowie drei voreinstellbaren Schnellwahlmodi unterscheidet.

Unterhalb des Moduswahlrads befindet sich außerdem ein Schalter zum Wechsel zwischen der Fotografie- und Videofunktion sowie und dem Slow and Quick (S&Q) Modus für Slow-Motion- und Zeitrafferaufnahmen – eine schöne Ergänzung für noch bessere und schnellere Kontrolle, gerade wenn man die Kamera als Foto- und Video­hybrid nutzt.

Auch der mit einem roten Kreis markierte Videoaufnahme-Button ist inzwischen auf der Oberseite der Kamera gelandet und fällt deutlich größer aus als noch auf der A7R IV – ein Hinweis darauf, dass die Videofunktion in dieser Kamera eine deutlich prominentere Rolle einnimmt.

Auf der Rückseite der Kamera befindet sich neben drei Custom-Buttons sowie den üblichen Bedien­elementen ein gern gesehener Joystick. Besonders bemerkenswert ist hier das neue, mit 2,1 Millionen Bildpunkten bestückte Display. Es vereint das Beste aus beiden Welten der Schwenk- und Klappdisplays in einem flexiblen Kameramonitor, der sich sowohl nach oben und unten klappen als auch seitlich schwenken und um die eigene Achse drehen lässt. Die Konstruktion wirkt dabei trotz ihrer Beweglichkeit erstaunlich stabil und langlebig und bietet die bislang eindeutig beste Displaylösung auf dem Kameramarkt. Denn durch sie lassen sich alle unterschiedlichen Szenarien beim Fotografieren und Filmen abdecken – seien es Bodenaufnahmen im Quer- oder Hochformat, Überkopfaufnahmen oder auch das Vlogging im Selfie-Modus. Eine wirklich tolle Ergänzung, die wir am liebsten ab sofort in jeder künftigen Kamera sehen würden.

Ähnlich beeindruckend ist der mit 9,44 Millionen Bildpunkten bestückte Quad-XGA OLED-Sucher, der eine 0,9-fache Vergrößerung bietet, extrem detailreich und scharf abbildet und der zu den wohl besten Suchern auf dem Kameramarkt gehört. Eine geniale Ergänzung, die dem Auge schmeichelt.

Zur Ausstattung der A7R V gehören außerdem zwei Kartenslots, die jeweils eine SD- oder eine CF Express Typ A-Karte aufnehmen. Ein USB-C-Ausgang ermöglicht einfaches Streaming in bis zu 4K-Auflösung, außerdem verfügt die Kamera über einen Flash Sync Port.

Der Multishot-Modus der Kamera erlaubt übrigens Focus Bracketing sowie Pixel-Shift-Aufnahmen für sehr hochauflösende Bilder – beides kann die Kamera allerdings nicht selbst zusammensetzen. Das muss später am PC per Software erarbeitet werden.

Außerdem sei auch hier nochmal das neu designte, übersichtliche Sony-Menü erwähnt, das für einen angenehmen Workflow sorgt und auch die letzten Hater vergangener Sony-Menüs verstummen lassen sollte.

Sensor und Bildstabilisation

Bei dem Sensor handelt es sich um den gleichen, mit 62,5 Megapixeln auflösenden Exmor R CMOS 35-mm-Vollformatsensor, der bereits in der A7R IV verbaut war – ein ohne Frage guter Lichtdetektor, der eine überragende Bildqualität liefert und einen Dynamikumfang von 15 Blendenstufen abbilden soll, aber in Sachen Auslesegeschwindigkeit nicht die beste Figur macht. Das kann beim Filmen sowie beim Fotografieren mit elektronischem Verschluss zu einem stärkeren Rolling-Shutter-Effekt führen. Aber dazu später mehr.

Von den 62,5 Megapixeln nutzt die Kamera bis zu 61 MP effektiv für ein gestochen scharfes Bild, in das sich aufgrund der hohen Pixelanzahl bei Bedarf in der Postproduktion wunderbar hineincroppen lässt. Ihre Bilder zeichnet die Kamera als JPG und/oder RAW-Format auf sowie optional im verlustfrei komprimierten HEIF-Format in drei unterschiedlichen Größen.

Beim Rauschverhalten macht der Sensor trotz der hohen Pixeldichte einen guten Job. Die ISO-Range erstreckt sich von ISO 100 bis ISO 32.000; ISO-Werte bis 6.400 sind hier ohne Probleme nutzbar, höhere Werte werden aufgrund der überragenden 5-Achsen-Bildstabilisation der A7R V oft gar nicht erst erreicht.

Den wirklich starken IBIS möchten wir an dieser Stelle noch einmal gesondert hervorheben: Sony verspricht hier erstmalig acht Stabilisierungsstufen, dank derer in unserem Test problemlos Aufnahmen aus der Hand mit einer Belichtungszeit von 1/5 s und zuweilen sogar verwertbare Aufnahmen von 0,5 s gelangen – besonders praktisch beim Fotografieren bei wenig Umgebungslicht sowie beim Filmen in Bewegung.

Für unseren Test haben wir hier übrigens das nicht stabilisierte 24-70mm F2.8 GM II verwendet – in Kombination mit einem stabilisierten Sony-Objektiv sollten hier noch längere Belichtungszeiten aus der Hand ohne Probleme möglich sein.

Mit einer Serienbildgeschwindigkeit von 10 fps gehört die A7R V sicherlich nicht zu den schnellsten Kameras auf dem Markt, ist aber auch dank des herausragenden Autofokusses selbst für sportliche Motive bedenkenlos verwendbar, wie wir noch sehen werden.

Den Buffer-Speicher hat Sony im Vergleich zum Vorgängermodell dramatisch erweitert, sodass hier in Verbindung mit einer CF Express Karte laut Hersteller mehr als 1.000 JPEGs, 583 RAWs oder 184 RAWs + JPEGs in Folge möglich sind, bevor die Serienbildfunktion eine Pause braucht. Ein tolles Upgrade, das wir in der Praxis aber nie voll ausreizen mussten und das den Fotografen wohl in den wenigsten Fällen limitieren wird.

Um den Sensor zu schützen, lässt sich der Verschluss der Kamera so einstellen, dass er bei ausgeschalteter Kamera verschlossen bleibt. Bei einem Objektivwechsel wird so das Eindringen von Staub verhindert, was ein Segen ist, denn Sonys Sensoren sind nach wie vor als echte Staubfänger bekannt.

Autofokus

Besonderes Aufsehen erregte die A7R V mit ihrer Neuerung in Sachen Autofokus. Der neue BIONZ XR-Prozessor soll dank künstlicher Intelligenz über noch bessere Fähigkeiten verfügen und Sonys ohnehin schon überragende Autofokustechnologie weiter verbessern. Tatsächlich soll der Prozessor achtmal schneller arbeiten als sein Vorgänger, was viele zusätzliche Optionen eröffnet.

So erkennt die A7R V anhand von gesammelten Motivformdaten Bewegungen und Augen laut Sony um 60 Prozent besser, als die Autofokustechnologie das vorher bereits konnte. Die KI versteht zum Beispiel den menschlichen Körper so gut, dass sie zwischen Kopf und Torso unterscheiden kann und auch dann präzise fokussiert, wenn man sich von der Kamera abwendet oder Augen und Gesicht anderweitig verdeckt sind.

Auch erkennt die Kamera neben Menschen, Tieren und Vögeln nun auch Autos, Züge, Flugzeuge und sogar Insekten und kann diese präzise verfolgen, was für einige Fotografen ein klares Kaufargument sein dürfte und in unserem Test wirklich hervorragend funktionierte. In der Praxis arbeitete der Mechanismus schnell und präzise und erkannte zum Beispiel die Augen von Vögeln auch bei einem weit gefassten Bildausschnitt aus größerer Entfernung ohne Probleme.

Dass hinter dem präzisen Autofokus nun eine KI steckt, bemerkt man beim Fotografieren freilich nicht – schließlich zeigt die Kamera nicht explizit an, wann die neue Funktion zum Einsatz kommt. So ist es bisweilen schwer zu beurteilen, ob das scharfe Bild nun der Künstlichen Intelligenz zu verdanken ist oder nicht. Auffällig ist in jedem Fall, dass die Motiverkennung so gut wie nie danebenliegt und sich auch von anderen, ähnlichen Motiven im Bild nicht verwirren lässt. Zum Vergleich: Fast zeitgleich mit der A7R V stand uns eine Nikon Z9 zur Verfügung, deren Tieraugenautofokus ohne Zweifel auf einem sehr hohen Niveau agiert, aber sich ab und an doch mal verirrt und vom anvisierten Motiv wegbewegt. Die A7R V legt hier die Messlatte noch einmal höher und bietet so insgesamt den wahrscheinlich besten Autofokus, den es aktuell auf dem Kameramarkt gibt.

Video

Überraschenderweise erweist sich die Sony A7R V auch als äußerst potente Videokamera mit vielen neuen Funktionen wie Focus Breathing Correction, der Focus Map und den Bildprofilen S-Log 3 und S-Cinetone. Der erwähnte IBIS lässt Videos aus der Hand so ruhig wirken, als hätte man einen Gimbal genutzt. Das klapp- und schwenkbare Display verdeutlicht seine Stärken beim Filmen noch einmal.

Die A7R V erlaubt Videoaufnahmen in bis zu 8K-Auflösung bei 24p, wobei man hierfür einen Crop von 1,24x hinnehmen muss. Außerdem produziert die Kamera leider jede Menge Rolling Shutter, also ein Verziehen der Bildelemente bei Bewegung. Das liegt an der verhältnismäßig langsamen Auslesegeschwindigkeit des Sensors und ist bei der hohen Datenmenge, die ein 8K-Bild produziert, nicht weiter verwunderlich.

Eine bessere Performance liefert die Kamera im 4K-Modus ab, wobei Sony hier zwei unterschiedliche Lösungen anbietet: 4K-Aufnahmen mit bis zu 60p lassen sich durch sogenanntes Pixel-Binning über einen großen Teil des Sensors auslesen. Das bedeutet, dass hier einzelne Pixel zusammengefasst werden, um die Auflösung von 3.840 x 2.160 Pixeln zu erreichen, was zu einem leichten Qualitäts- beziehungsweise Schärfeverlust führt. Die Alternative ist, Videos im Super-35-Modus zu filmen. Das führt zu einem 1,5-fachen APS-C-Crop und verkleinert den Bildausschnitt, erzeugt letztendlich aber ein deutlich hochauflösenderes Bild, weil die A7R V hier ein 6,2K-Bild auf 4K herunterrechnet (Oversampling).

Der NP-FZ100-Akku hält beim Filmen übrigens 90 Minuten in 8K bei 24p durch, bei 4K und 60p sind es sogar knapp
2,5 Stunden. Ein Überhitzen der Kamera ist übrigens nur beim Filmen in 8K ein Problem. Sony gibt hier offiziell 30 Minuten an, in unserem Test schaffte sie allerdings deutlich mehr (circa 45 Minuten).

Über den Videomodus lässt sich insgesamt sagen, dass die A7R V für eine Kamera, von der man aufgrund des hochauflösenden Sensors einen Fotografieschwerpunkt erwarten würde, über erstaunlich viel Potenzial verfügt. Einzig der stark ausgeprägte Rolling Shutter ist ein Wermutstropfen, der Filmer mit gehobenen Ansprüchen ein wenig abschrecken sollte.

Fazit

Insgesamt handelt es sich bei der Sony A7R V um eine extrem gute Kamera, die hochauflösende Bilder in überragender Bildqualität liefert und kaum einen Wunsch offen lässt. Die neue, leistungsfähige Autofokustechnologie, der extrem starke IBIS und das flexible Klapp-Schwenkdisplay machen aus der A7R V die vielleicht beste Fotokamera, die Sony in seinem Portfolio hat. Dieses Technikwunder ist jeden Cent der UVP von 4.500 Euro wert und erhält unsere uneingeschränkte Kaufempfehlung.

Typ Spiegellose Systemkamera, Vollformat
Hersteller Sony
Vertrieb www.sony.de
Preis [UVP] Gehäuse 4.500 €
Abmessungen 131,3 mm x 96,9 mm x 82,4 mm (B x H x-T)
Gewicht 723 g (inklusive Akku und Speicherkarte)

Technische Daten/Ausstattung

Gehäuse Magnesiumlegierung
Spritzwasser- und Staubschutz
Objektivbajonett Sony E-Mount
Sensorauflösung/Bildgröße 62,5 Megapixel/ 35,7 x 23,8 mm
Sensortyp/Prozessor Exmor R CMOS 35-mm-Vollformatsensor / BIONZ XR™
Bildformate RAW, 14 Bit/JPEG/HEIF
Bildstabilisator
Sensorreinigung Ultraschallfilter
Sucher Quad-XGA OLED 9.437.184 Bildpunkte, 100 % Sichtfeldabdeckung, Vergr. 0,9x, Dioptrienanpassung -4,0 bis +3,0 dpt, Pupillenabstand 25 mm
Bildschirm/Auflösung 3.2-Zoll/2.095.104 Bildpunkte, klapp- und schwenkbar
Programm-/Zeit-/Blendenautomatik/manuell •/•/•/•
Belichtungsmessung Mehrfeld/Durchschnitt/Integral/Spot
Belichtungskorrektur/ Belichtungsreihen +-5 LW
Weißabgleich Auto/manuell/Presets/Reihen
ISO-Empfindlichkeit ISO 100 – 32.000
Verschlusszeiten/Blitzsynchronisation 30-1/8.000s / 1/250s
Aufnahmebetriebsarten S, CL, CH, BKT, Mehrfachbelichtung, Fokusbracketing
Max. Bildsequenz 10 B/s (mechanischer Verschluss)
Max. Anzahl Bilder bis Speicher voll RAW: 583
Selbstauslöser 2s/5s/10s/Serienaufnahmen/Belichtungsreihen
Intervalltimer
Fokussiersystem Hybrid AF
AF-Messfelder max. 693 Punkte
Fokusmodi/Empfindlichkeit AF-S, AF-C, AF-A, DMF, manuell/ -4 bis 20 EV
AF-Hilfslicht
Gesichtserkennung Gesicht, rechtes Auge, linkes Auge, bei Mensch und Tier
eingebauter Blitz
Blitzmodi 2. Verschlussvorhang, Rote Augen, Highspeed
Wasserwaage
Schnittstellen USB C (3.2 Gen.), Micro-USB, Mikrofon, Kopfhörer
WiFi/Bluetooth/NFC •/• (5.0)/ –
Speicherkarten 2 Slots für SD/CFexpress Typ A
Videoformat XAVC S: MPEG-4 AVC/H.264, XAVC HS: MPEG-H HEVC/H.265
Videoqualität 8K 7.680 x 4.320 (4:2:0, 10 Bit, NTSC) bei 24p, 4K 3.840 x 2.160 (4:2:0, 10 Bit, NTSC) bei 60p, HD 1.920 x 1.080 (4:2:0, 8 Bit, NTSC) bei 120p

Auf einen Blick

+ herausragende Bildqualität mit sehr hoher Auflösung
+ extrem leistungsfähiges Autofokussystem auf KI-Basis
+ potenter 5-Achsen-Stabilisator zur Kompensation von bis zu acht Blendenstufen
+ praktisches Klapp-Schwenkdisplay
+ gute Verarbeitung
+ hochauflösender Sucher
+ umfassende Videofunktionen
+ übersichtliche Menüführung

– langsame Auslesegeschwindigkeit des Sensors führt zu Rolling-Shutter-Effekt